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EU-Verbrenner-Ausstieg: FDP beharrt auf E-Fuels und bremst Europa

Völlig überraschend stellt sich die FDP quer zum vom EU-Parlament im Trilogverfahren gebilligten Verbrennerausstieg bis 2035, drängt auf einen klaren Vorschlag zur Verwendung von E-Fuels in Pkw der Bestandsflotte und bringt damit die Zustimmung der Bundesregierung zu den EU-Plänen ins Wanken. Autobahnen will die FDP "selbstverständlich" weiter bauen. Die Grünen sind sauer, NGOs entsetzt.

Stellt sich quer: Die FDP will dem vom EU-Parlament gebilligten Vorschlag der EU-Kommission zum Verbrennerausstieg bis 2035 so nicht zustimmen - und bringt damit den gesamten Beschluss EU-weit ins Wanken. | Foto: BMDV
Stellt sich quer: Die FDP will dem vom EU-Parlament gebilligten Vorschlag der EU-Kommission zum Verbrennerausstieg bis 2035 so nicht zustimmen - und bringt damit den gesamten Beschluss EU-weit ins Wanken. | Foto: BMDV
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Völlig überraschend hat sich die FDP und Bundesverkehrsminister Volker Wissing gegen die Einigung von EU-Parlament und EU-Kommission zum Verbrennerausstieg gewandt und droht damit die Zustimmung der Bundesregierung zu blockieren. Die EU-Länder müssen in Gänze noch dem Vorschlag zustimmen, allerdings hat Deutschland kein Veto, kann aber innerhalb der Regierung eine Blockade erwirken und weitere Länder gegen das Vorhaben der EU mobilisieren. 55 Prozent der Länder müssen zustimmen, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Auch Italien hatte mit seiner rechtsnationalen Regierung, bis 2035 nur zu 90 Prozent und nicht komplett aus dem Verbrenner auszusteigen.

Wissing drängt über den in dem Vorschlag angedeuteten "Erwägungsgrund" hinaus auf eine klarere Regelung im Hinblick auf E-Fuels und wie diese über das Jahr 2035 hinaus in Fahrzeugen verwendet werden können, die "nachweislich nur mit E-Fuels betrieben werden können". Einmal mehr drängte Wissing auf sogenannte "Technologieoffenheit", die aus seiner Sicht notwendig sei, um die Klimaziele Deutschlands zu erfüllen. Er verstehe den "Kampf gegen die Synfuels" nicht, ohne die sei Klimaneutralität im Verkehr bis 2045 nicht zu schaffen, befand der Minister in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.

Schwere Vorwürfe an EU-Kommissar Timmermans

Er hält die synthetischen Kraftstoffe neben der Pkw-Bestandsflotte auch für den Einsatz in Lkw und schweren Nutzfahrzeugen für notwendig, neben Schiffen und Flugzeugen. Auf die Frage, ob damit nicht die Verlässlichkeit der Bundesregierung als ganzes in Gefahr gerate, meinte Wissing, man sei in dieser Frage als FDP immer klar gewesen. Die EU und namentlich der in der Sache federführende EU-Klimaschutzkommissar Frans Timmermans habe eine Klärung der Frage aber verweigert und Gesprächsangebote ausgeschlagen, warf Wissing dem EU-Kollegen vor. Daher komme die Ablehnung jetzt auch nicht überraschend, findet der FDP-Mann. Er verwies auch auf Länder wie Italien, die sich ablehnend für ein Verbrennerverbot gezeigt hätten.

„Vor dem Hintergrund der enormen Bestandsflotte an Pkw, die wir alleine in Deutschland haben, kann es für die FDP nur einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten geben, wenn auch der Einsatz von E-Fuels möglich wird“, bekräftigte Wissing zuvor bereits in der BILD-Zeitung. Sonst könne Deutschland bei den anstehenden Abstimmungen nicht zustimmen.

Mit 340 zu 279 Stimmen hatte das Europäische Parlament am 14. Februar mehrheitlich dem Trilog-Ergebnis zu den CO2-Flottengrenzerten für Pkw und Kleintransporter zugestimmt. Damit dürfen ab 2035 keine Pkw- und Lieferwagen-Verbrenner mehr in der EU zugelassen werden. Die Hersteller bleiben noch gut zehn Jahre für die Transformation hin zur Elektromobilität. Für den Weg dahin hat die EU einige Zwischenziele definiert. So gilt für 2030, dass die Flottengrenzwerte bei Pkw um 55 Prozent und bei Kleintransporter um 50 Prozent im Vergleich zu den Werten für 2021 sinken sollen.

Ein Erwägungsgrund ist der FDP nicht genug

Als Teil des Gesamtpakets musste das Parlament Mitte Februar den von der FDP erzwungenen, deutschen Erwägungsgrund ("recital") zu E-Kraftstoffen (synthetische Kraftstoffe) akzeptieren, der der FDP offenbar jetzt nicht mehr genügt. Man wolle keine "sophistische" Regelung akzeptieren, die ins Leere geht, merkte Wissing in der Pressekonferenz an. Er sehe einen "klaren Arbeitsauftrag an die EU-Kommission, die Nutzung von klimafreundlichen E-Fuels in Pkw zu ermöglichen". Das gelte sowohl für die Bestandsflotte als auch für Verbrennungsmotoren, die nach 2035 neu zugelassen werden, behauptete Wissing: „Bis heute kennen wir keine Vorschläge, sondern nur ablehnende Äußerungen von Kommissar Frans Timmermans.“ Das weist eine Sprecherin des EU-Kommissars gegenüber Spiegel Online postwendend zurück: Man habe den "Erwägungsgrund aufgenommen", zudem gebe es eine Versicherung Timmermans vom Juni. Wann genau die Kommission einen Vorschlag unterbreite, werde später entschieden. Außerdem ist in dem Entwurf festgehalten, dass das Verbrenneraus 2026 noch einmal überprüft werden soll. Daher gibt es eigentlich keine Eile und umso weniger Grund für die FDP, nervös zu sein.

Der Kompromiss war auch für die FDP ok

In dem Kompromiss, von der FDP noch im Februar gebilligt und von Wissing begrüßt, wird Kommission aufgefordert, "einen Vorschlag für die Zulassung von Fahrzeugen nach 2035 zu unterbreiten, die ausschließlich mit CO-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, die mit dem EU-Recht in Einklang stehen, nicht in den Anwendungsbereich der Flottenstandards fallen und mit dem Ziel der Klimaneutralität der Union übereinstimmen". Mehr als dieser Erwägungsgrund sei jedoch nicht zu E-Kraftstoffen hinzugefügt, ein Erwägungsgrund habe rechtlich fast keine Bedeutung, urteilte der Grünen-EU-Parlamentarier Michael Bloss zu dem Zeitpunkt.

Autobahnbau: Nicht ob, sondern wie schnell, ist für die FDP die Frage

Im Hinblick auf den schwelenden Streit über die Beschleunigung des Ausbaus von Autobahnen, merkte Wissing an, es gehe nicht um die Frage, ob man weiterhin Autobahnen bauen werde. Das sei selbstverständlich der Fall. Fraglich sei lediglich, betonte der Minister, wie schnell man sie bauen könne.

Grünen sind stinksauer: Synfuels sind Scheinlösung

Beim Koalitionspartner Grünen zeigte man sich erzürnt über die Pläne des Ministers, das Verbrenner-Aus 2035 in der doch noch zu kippen.

"Es ärgert mich extrem, dass der Verkehrsminister hier erneut als Bremser auftritt. Die von Wissing gelobten synthetischen Kraftstoffe sind eine Scheinlösung, weil sie ineffizient und nicht ausreichend verfügbar sind", sagte Gesenhues. "Autohersteller sind beim Verbrennerausstieg schon viel weiter als unser Verkehrsminister", kritisierte Jan-Niclas Gesenhues, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, t-online.

Umweltpolitiker Gesenhues statt "immer neuer Blockaden" solle der Verkehrsminister "endlich beim Klimaschutz seine Hausaufgaben erledigen." Die durch das Klimaschutzgesetz vorgegebenen Sektorziele seien insbesondere im Verkehrsbereich noch in weiter Ferne. Das Verkehrsministerium habe sich an Gesetze zu halten.

"Das Verhalten der FDP ist irrational. Wir haben die Diskussion schon zweimal geführt und abgeschlossen. Das permanent wieder aufzuwärmen macht es weder besser noch anders", zürnte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar.

Er forderte den Bundeskanzler Olaf Scholz auf, einzugreifen. Das "flatterhafte Hin und Her" werde dem Ruf der Regierung schaden, warnt Gelbhaar.

Gefährdet man langfristig nicht eher die Arbeitsplätze?

Auch bei NGOs ist man ziemlich entsetzt. "Deutschland läuft Gefahr, eine der zentralen Säulen der EU-Klimagesetzgebung einzureißen", erklärte Sebastian Bock, Deutschland-Geschäftsführer der europäischen Umweltdachorganisation Transport & Environment (T&E). Nach derer Prognose würde der Verbrennerausstieg knapp zwei Gigatonnen an CO2 bis 2050 einsparen, so viel wie der europäische Straßenverkehr in drei Jahren emittiert. Mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg könnte weder Deutschland noch Europa seine Klimaziele halten, die im "Fit for 55"-Programm definiert sind und mit denen bis 2030 die Emissionen um 55 Prozent sinken sollen.

Ganz zu schweigen von den ohnehin in weite Ferne gerückten Ziele im Verkehr, wo die Bundesregierung sich eben vor allem auf den Beitrag von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 verlässt. Auch insofern ist das Gebaren der FDP also widersprüchlich. Es erhält aber die Zustimmung mancher Autohersteller wie allen voran Porsche oder BMW mit seinem Chef Oliver Zipse, der aktuell auch den Euro-Herstellerverband ACEA leitet, für die das Geschäft mit den Verbrennern noch immer hochprofitabel ist. Die Nachfrage nach E-Autos wäre im Moment höher als das Angebot, das sich aber eher daran zu orientieren scheint, wie viel die Hersteller für die Erfüllung der EU-Vorgaben liefern müssen. 

Europa hängt sich ab

Global betrachtet droht Europa aber zum Nachzügler zu werden, erst recht, wenn der EU-Verbrennerausstieg noch scheitert. Neben dem E-Treiber China geben auch die USA mittlerweile Strom, allen voran US-Staaten wie Kalifornien, der bis 2035 Verbrenner verbieten will. "Die EU-Automobilindustrie verliert im globalen Wettbewerb gegen China und USA", warnt denn auch der Grüne-EU-Parlamentarier Michael Bloss. Der vermeintliche Schutz von Arbeitsplätzen könnte diese langfristig also umso mehr gefährden. Andere Wege der dringend nötigen CO2-Einsparung im Verkehr als der Antriebswechesl dürften für die FDP noch unpopulärer zu vermitteln werden: Verbote, Verteuerung, Beschränkung stünde im Raum.

Was bedeutet das?

Merkt der Minister eigentlich gar nicht, wie kindisch das Verhalten der FDP ist? Gleich einem trotzigen Kind blockiert die bockige Partei den ganzen Betrieb namens EU und will partout nicht wahrhaben, dass "Technologieoffenheit" über Jahrzehnte bestand. Nur ist jetzt keine Zeit mehr für teure Experimente, weil Regierungen unter Beteiligung der FDP zu lange getrödelt haben. Und es gibt auch keinen Grund mehr für solche Scheingefechte. Denn der E-Antrieb ist dem E-Fuel im Pkw dermaßen klar überlegen, dass kaum jemand das noch in Frage stellt. Ganz zu schweigen von der vom Minister konsequent ausgeblendeten Antwort auf die Frage, wo die viele regenerative Energie für die Millionen von E-Fuel-betriebenen Fahrzeuge herkommen soll und ob wir die nicht dringend anderswo brauchen als sie ineffizient in SUV-Tanks zu verblasen.

Der von der FDP stets und gern zitierte "Bestand" an Verbrenner-Pkw muss bis 2035 sowieso stark gesunken sein, soll es noch irgendwas werden, mit der Erreichung der Klimaziele. Und Neuwagen im Jahr 2035 noch mit Verbrenner zu verkaufen, sorry, aber auf welchem Planeten lebt die FDP eigentlich? Hat ihnen jemand erzählt, dass die chinesischen Hersteller gerade den Markt der E-Autos demokratisieren? Und dass es sehr zeitnah sehr erschwingliche Stromer fürs Volk geben wir, nur halt aus dem Reich der Mitte, nicht aus Europas Mitte. Hierauf sollte der Minister seinen Fokus legen und endlich Abschied nehmen vom Märchen vom sauberen Verbrenner. So ist das nichts anderes als Rechthaberei in der Regierung. Und das ist einem in Europa nur noch peinlich.

Hier noch ein völlig unmaßgeblicher Vorschlag an die in Umfrage- und Wahlnöten offenbar panisch in alte Strickmuster verfallende Partei so kluger Leute wie den Umweltpolitikerfinder Genscher, wie Lambsdorff, Kinkel oder Baum: Wie wäre es, wenn Ihr den stets reklamierten "Fortschritt" ernst nehmt und stringent eine Politik propagiert, die nicht an der Vergangenheit klebt wie das Motoröl in der 911er-Wanne? Und lieber mal versucht, den "Technologie-Part" in der Ampel als "sinnvolle und zielführende Technologie" zu definieren. "Technologieoffen" darf nicht heißen, dass man für jeden Quatsch offen ist, sondern dass man ernsthaft die "beste verfügbare Technologie" wählt und forciert. Jede Wette, dann klappt's auch mit den nächsten Wahlen. Denn elf Prozent und hier vor allem junge Wähler, die haben "Fortschritt" gewählt und nicht "Restauration" und nicht eine permanente populistische Reise in die Vergangenheit. 

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