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Meinungsbeitrag

EU-Verbrenner-Ausstieg: Ein Ziel ist noch kein Weg!

Ziele kann man viele fassen, darin sind Politiker Meister. Kaum ist ein Ziel erklärt, macht man mental einen Haken dran - und weiter. Wollen wir auf dem 1,5-Grad-Pfad bleiben, muss der Ausstieg sofort und entschlossen beginnen, nicht erst 2035. Darin liegt - wie so oft - die Gefahr des "historischen Beschlusses" der EU.

Warnt vor Selbsttäuschung: VM-Redakteur Johannes Reichel erinnert an die Banalität, dass ein gefasstes Ziel noch nicht heißt, dass man es schon erreicht hat. | Foto: G. Soller
Warnt vor Selbsttäuschung: VM-Redakteur Johannes Reichel erinnert an die Banalität, dass ein gefasstes Ziel noch nicht heißt, dass man es schon erreicht hat. | Foto: G. Soller
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Johannes Reichel

Einen Plan zu haben, heißt noch nicht, ihn auch umgesetzt zu haben und ein Ziel heißt nicht, dass man es auch schon erreicht hat: Es ist ein häufig zu beobachtenden Phänomen in der Politik, schon das Ziel als Erfolg zu nehmen - und vor allem: Das als solchen zu verkaufen. Es handelt sich um eine Art von Selbsttäuschung, die fatal ist. Ziel gefasst, Haken dran, weitermachen (oft wie bisher). Das gilt für die globalen Klimaziele, die seit Rio 1992 regelmäßig, aber ohne realen Effekt aufgestellt werden, ebenso wie jetzt für den Verbrennerausstieg, der wiederum zum Erreichen der Klimaziele im Verkehr beitragen soll.

Zur Erinnerung: Die Emissionen liegen auf Rekordniveau

Gemacht ist einstweilen noch gar nichts, die CO2-Emissionen haben jüngst bei gleich den drei Treibhausgasen CO2, Methan und Lachgas Rekordwert erreicht, passenderweise pünktlich vor der mittlerweile 27. (!) Weltklimakonferenz in Ägypten. Der Erwärmungstrend ist ungebrochen. Würden alle Klimaschutzziele eingehalten, lägen die Emissionen 2030 immer noch 10,6 Prozent höher als 2010, Kurs 2,5 Grad Plus bis Ende des Jahrhunderts. Für das 1,5 Grad-Ziel bräuchte es aber 43 bis 45 Prozent weniger Emissionen, rechnete das UN-Klimaschutzsekretariat vor. Das nur zum Hintergrund.

Aber wie auch immer: Selbst wenn jetzt dieser EU-Beschluss als "historisch" bejubelt wird, er hätte erstens viel früher kommen sollen und zweitens hätten wir schon viel weiter sein müssen.

Statt uns zu verzetteln mit E-Fuel-Debatten, die zumindest für Pkw nicht ans Ziel führen und schwachsinnigen Brückentechnologien wie Plug-in-Hybriden, hätte man lieber schon vor Jahren die Fakten anerkannt und entschieden: Im Pkw und Transporter, vielleicht sogar im Lkw, ist die batterieelektrische Technologie die mit Abstand effizienteste.

Technologieoffenheit ist ein Luxus, den vielleicht die FDP und die CDU/CSU in ihrer Paralellwelt meinen sich noch leisten zu können. Übrigens waren wir über all die Jahrzehnte ziemlich technologieoffen, aber irgendwann muss man den Sack eben auch zumachen und eine Entscheidung treffen. "Technologieklarheit" forderte jüngst ausgerechnet auch Audi-Chef Markus Duesmann und widersprach damit diametral der Linie des eigenen Spitzenverbands. Zumindest wenn man nach wirklich eingehender Prüfung festgestellt hat, mit E-Fuels (und auch Brennstoffzelle) wird das nichts im Personenwagen. Besser man fokussiert sich, gibt endlich "Strom", statt weiter Zeit zu verlieren, die wir gar nicht mehr haben.

Falsche Erwartung: Nicht bis 2035 noch fröhlich Verbrenner feiern

Abgesehen davon weckt die Entscheidung eine falsche Erwartung: Wenn wir jetzt die Welt bis 2035 noch mal tüchtig mit Verbrennern fluten, so "kurz vor Torschluss", dann wird das sowieso nichts mit den Klimazielen. Ein psychologischer Effekt, mit dem sich auch der unselige Trend zu Geländewagen und SUV erklären lässt. Motto: Jetzt nochmal krachen lassen, in Zukunft geht das dann nicht mehr. Klarer Fall von "kognitiver Dissonanz" - oder zu deutsch: Sie tun nicht, was sie wissen!

Schließlich sind Autos "langdrehende Investitionsgüter", die locker Lebenszyklen von 15 Jahren erreichen. Dann sind wir im Jahr 2050 - der Zeitpunkt, an dem Deutschland, Europa und viele Unternehmen eigentlich klimaneutral wirtschaften wollen. Das ist ein Widerspruch in sich.

Die Internationale Energieagentur IEA, der von FDP und Union immer behaupteten "grünen Ideologie" (andere nennen es Wissenschaft), unverdächtig, stellte jüngst fest, die Welt befinde sich auf strammen 2,5-Grad-Kurs. Die Politik müsse dringend mehr Tempo machen bei der Energie- und der angeschlossenen Verkehrswende. Die Technologien seien vorhanden, auch der Weg letztlich klar. Es gelte jetzt, ins Umsetzen zu kommen und grüne Industrien schnell zu skalieren.

Europa droht von China in der Elektromobilität abgehängt zu werden

Sonst machen das nämlich die anderen: Wie chinesische Hersteller nach langer und teils auch schmerzhafter, von Rückschlägen geprägter Anlaufphase jetzt mit Macht auf den europäischen Automobilmarkt drängen, kann einen - bei allem Respekt für die zweifellos guten und großteils auch erschwinglichen Elektrofahrzeuge - auch beängstigen.

Vor allem wenn es hierzulande immer noch Akteure nicht nur die Realitätsverleugner und Kreuz- und Querdenker ganz rechts, sondern in der Mitte des poltitischen Spektrums gibt, die offenbar nicht verstehen, was es geschlagen hat, industriell wie atmosphärisch.

Die Entscheidung der EU ist längst überfällig. Sie sollte sie auch konsequent flankieren mit schärferen Flotten- und Euro-7- sowie Schadstoff-Grenzwerten, mit einer stringenten Klimapolitik aus einem Guss, statt hier zu lavieren und die eigenen Beschlüsse zu konterkariern, wie es sich jüngst bei Euro 7 andeutete.

Und vor allem: Wir alle sollten sofort mit der Umsetzung anfangen, nicht erst 2035. Jeder Verbrenner, der heute noch verkauft wird, ist einer zu viel, jeder Liter Sprit, der in die Atmosphäre geblasen wird, ebenfalls. Das Ziel ist noch kein Weg!

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