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Erste Sitzprobe: Mercedes Benz EQS

Den Bogen ganz groß aufgespannt: Erstes Probesitzen im EQS - wir waren überrascht.

Ein Bogen, zwei Farben: Der neue EQS stand für eine erste Sitzprobe bereit. | Foto: G. Soller
Ein Bogen, zwei Farben: Der neue EQS stand für eine erste Sitzprobe bereit. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Optisch wirkt der im „One-Bow-Design“ gestaltete EQS wie eine vergleichsweise kompakte 4,70 Meter-Limousine der oberen Mittelklasse, doch in Wahrheit streckt er sich auf 5,2 Meter: Der neue EQS, der zur Start-Edition optional auch 200 Mal zweifarbig lackiert wird. Was so gut ankommt, dass man dem Händler eines Vertrauens echt Druck machen muss, um die begrenzten Kapazitäten der Lackiererei dafür zu nutzen. Kurz zur Basis: Der EQS steht auf EVA oder der „Electric Vehicle Architecture“ auf der auch die elektrische E-Klasse EQE folgen wird.

„Der EQS ist der Auftakt für eine ganze Modellfamilie, die diese elektrische Plattform nutzen wird“, erklärt Konzernchef Ola Källenius.

Insofern erwarten wir eines Tages auch einen „echten“ flach bauenden EQC im One-Bow-Design, der von einem Insider auf der C-Klasse-Präsentation indirekt auch schon bestätigt wurde: Beim Philosophieren über die Zukunft einer übernächsten C-Klasse stellte er in einem Nebensatz fest:

„Das ist die letzte konventionelle C-Klasse.“

Tatsächlich wird die Zukunft auch bei Daimler schnell elektrisch werden, weshalb man mit EVA eine flexible Plattform schuf, bei der sich Radstand und Akkugröße flexibel anpassen lassen. Der EQS kommt wahlweise mit Heck- und Allradantrieb. 800-Volt-Technik ermöglicht kurze Ladezeiten, sodass 300 Kilometer Reichweite in einer Viertelstunde geladen werden können. Nach der Messmethode WLTP erreicht die Limousine maximal 770 Kilometer zwischen zwei Ladepausen für die bis zu 107,8 kWh starke Batterie, die den bis zu 520 PS (385 kW) starken Antrieb mit Energie versorgt. Bei 210 km/h wird abgeregelt. AMG- und Maybach-Varianten sollen folgen.

Irre Aerodynamik: Der EQS unterbietet sogar Tesla

Der große „Bogen“ sorgt so für den aktuell zurzeit weltbesten Luftwiderstandsbeiwert von 0,20. Zwischen den beiden Achsen erstreckt sich ein Radstand von 3,21 Metern und am Heck gibt es eine große praktische Heckklappe. Die öffnen wir elektrisch und blicken in einen fein ausgeschlagenen Riesenkofferraum mit gut 600 Liter Standardvolumen, das sich auf bis zu 1770 Liter erweitern lässt.

Der große Bogen fordert im Fond kleine Kompromisse

Anschließend arbeiten wir uns weiter nach vorn und nehmen auf den Rücksitzen Platz: Hier sorgt der „Bow“ für nicht ganz so luftige Einstiegs- und Kopffreiheit wie in der konventionellen S-Klasse und auch der Rücksitzraum fällt üppig, aber nicht gigantisch aus – doch man kann sich hier auch auf langen Strecken sehr wohlfühlen, sofern die Sitze vorn hoch genug eingestellt sind. Denn in der tiefsten Stellung bleibt für die Füße zu wenig Höhe, um diese darunter zu schieben. Ein Fauxpas, der uns etwas überrascht, da der EQS durchaus auch als Chauffeurlimousine gedacht ist.

Die Türen öffnen und schließen auf Wunsch elektrisch, was wunderbar elegant und leise vonstatten geht, aber unnötig Geduld erfordert. Könnte man als Nutzer auch drauf verzichten – dafür hören die Nachbarn nachts kein lautes Türenschlagen mehr. Verarbeitung und Haptik erfreuen uns ebenso wie die luftige Raumgestaltung und die elegante Integration der Hyperscreen.

Hyperscreen: Fettfinger überall - kann, aber muss nicht

Wir warten also die Türöffnung im Fond ab, warten, bis das vordere Portal geöffnet ist und nehmen hinter dem optionalen Hyperscreen Platz. CEO Källenius rechnet mit 50 Prozent Take-Rate und wir können gleich beruhigen: Dahinter steckt das gleiche neue MBUX-System wie in S- und neuerdings auch C-Klasse. Und das ist wirklich intelligenter und intuitiver bedienbar als die Vorgängerversion. Denn „Hyperscreen“ ist im Prinzip ein konventionelles Armaturenbrett aus Plexiglas, das sich entsprechend konventionell bedienen lässt, sofern mit Fingertappern leben kann – die Ästheten tatsächlich massiv stören. Außerdem wirkt das ganze natürlich – obwohl fein integriert, etwas unterkühlt, verglichen auch mit dem feinen Holz, (veganen) Leder, Stoff und tiefen Teppich, der sonst dominiert.

Als unsichtbarer Begleiter (neben der Option des Chauffeurs) fährt künstliche Intelligenz mit, lernt unsere Vorlieben und Gepflogenheiten, auf dass der EQS entsprechend reagiert. Während der Fahrt sind 350 Sensoren ständig damit beschäftigt, den EQS zu überwachen. Sie messen unter anderem Entfernungen, Geschwindigkeiten, Temperaturen oder den Lidschlag sowie die Sprache der Passagiere. Und erkennen dann auch wer wo sitzt – um Befehle auszuführen – oder eben nicht!

Sauberer als in der Stuttgarter City: Hepa-Filter

Hepa-Filter säubern die Luft und sollen bis zu 99,65 Prozent der Partikel von den Insassen fernhalten und falls es uns trotzdem einmal alles „stinkt“, gibt es natürlich eine Beduftung. Extra für den EQS komponierte man dafür die „No. 6 Mood Linen“. Nummer 6, weil 1906 der „Mercédès Electrique“ als erstes E-Mobil der Marke auf die Straße kam. Wir steigen wieder aus und lassen die Tür entschleunigt schließen, um festzustellen, dass der EQS auf den ersten Blick vielleicht futuristisch aussehen mag – uns aber nach wie vor treu und S-klassig zu Diensten ist – womit der EQS den großen Bogen zu den großen Baureihen der Schwaben schlägt und sehr gut die Balance zwischen Futurismus und Tradition hält.

Was bedeutet das?

Der EQS ist aktuell der größte Aktivposten bei Daimler: Vor allem elektrisch. Denn er bietet Leistung, aber auch Reichweite bei ordentlichen Verbräuchen. Sonst? Fällt der Abstand zur S-Klasse nicht allzu groß aus. Ob man jetzt (wieer extra wiegende) elektrische Türen und die riesiige fettfingerempfindliche Hyperscreen wirklich braucht, sei dahingestellt. Dass viel Platz vorn und im Kofferraum den Fond kleiner erscheinen lassen als gedacht, hat uns etwas überrascht – wobei wir hier auf sehr hohem Niveau jammern.
 

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