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Erste Eindrücke: Schaeffler Bio-Hybrid auf Kurs Richtung Serie

Die Redaktion VISION mobility durfte schon Platz nehmen im Bio-Hybrid von Schaeffler. Der ist formal ein Fahrrad, fährt und federt aber wie ein kleines Auto. Und soll gewerblichen Kunden auch automobile Standards bieten.

Aus einer Vision in die Wirklichkeit: VM-Redakteur Johannes Reichel drehte schon eine erste Runde im Bio-Hybrid. | Foto: J. Fukacz
Aus einer Vision in die Wirklichkeit: VM-Redakteur Johannes Reichel drehte schon eine erste Runde im Bio-Hybrid. | Foto: J. Fukacz
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Johannes Reichel

Sie haben es tatsächlich getan: Was 2016 als erste Idee und "Vision für den Individualverkehr im urbanen Raum" als Modell vorgestellt wurde und von manchem Automann damals als Hirngespinst abgetan worden sein mag, steht jetzt "leibhaftig" vor einem - und funkelt einen mit futuristischem Lidschlag aus kreisrunden LED-Augen an. Das ungewöhnliche Gefährt sorgt für jede Menge Gesprächsstoff bei den Foto-Fahrten in und um das hippe Werksviertel im Münchener Osten. "Mit dem kann man sich sehen lassen, schaut wirklich cool aus", lautet das erste Urteil eines zufällig vorbeikommenden Kurierfahrers. "Fährt sich wirklich dynamisch", meint der für die Foto-Fahrten engagierte Radkurier.

"Das wäre das ideale Gefährt für die Zustellung hier in der Umgebung", befinden die Verkäufer des Kinderfachgeschäfts "Rasselfisch", vor deren Türen die Leute des Schaeffler Start-ups mit den vier Prototypen der Bio-Hybrid-Versionen "Passenger" und "Cargo" als Pickup sowie Kofferfahrzeug Position bezogen haben. Wer hier einkauft, kommt nicht selten aus dem angrenzenden Haidhausen. Statt also einen einschlägigen Lieferdienst mit Transporter zu beauftragen, könnte man die kartonierte Ware auch per Bio-Hybrid "ökologisch korrekt" den Kunden quasi hinterhertragen. Die Probe auf's Exempel hat man gleich gemacht: Die Kartons passten wie angegossen in den 1,5-Kubikmeter-Kofferaufbau. 
 

Diverse Aus- und Aufbauspielarten denkbar

An Spielarten, die sich auf dem vierrädrigen Chassis realisieren ließen, herrscht kein Mangel: Neben der Passenger-Version, die Platz für zwei Kindersitze auf der Rückbank hat, hinten einen Koffer trägt und mit einer Rollo-Durchlade glänzt, wäre auch eine Pickup-Version mit verlängerbarer Ladefläche oder eine Anhängervariante sogar als Rikscha-Trailer denkbar. Ein Baristafahrzeug, auch kein Problem. Kraft genug für alle möglichen urbanen Anwendungsfälle hätte das Gerät jedenfalls. So kräftig reißt der eigens vom Schaeffler-Start-up entwickelte Antriebsstrang mit Elektromotoren in den Hinterrädern an, dass man auf dem engen Gelände die Fuhre lieber mal wieder einbremst.

Bei freier Bahn kann man dem 48-Volt-Antrieb mit seinen 250 Watt Nenndauerleistung dann über den Riemenantrieb recht lässig mit pedalierend die Sporen geben und ist Ruck-Zuck auf Marschtempo 25 km/h. "Hier passiert gerade noch sehr viel Feintuning bis zur Serie, gerade was das Pedaliergefühl betrifft", kommentiert Marketing- und Kommunikationschef Jakub Fukacz den Stand der Dinge. Bis in gut einem Jahr soll der Zwitter zwischen Fahrrad und Auto marktreif sein, dann inklusive Smartphone-App und industrialisiertem Auf- und Ausbautensystem. 

Federungskomfort erwachsen wie in einem Auto

Was man jetzt schon sagen kann ist, dass sich bereits die Prototypen sehr solide anfühlen und der käfigartige Rohrrahmen um den massiven durchlaufenden Zentralträger herum sich enorm verwindungssteif zeigt. Selbst bei Schlaglöchern oder Kopfsteinpflaster knarzt und knackst hier nichts, das ist man von einem Cargobike so jedenfalls nicht gewohnt. Auch der Federungskomfort liegt eher auf automobilem Niveau: Vom Unbill der Straße bekommt der auf einem stufenlos verstellbaren Anlehnsitz gut untergebrachten Fahrer nicht viel mit.

Die Straßenlage kann man für ein vierrädriges Fahrrad nur als exzellent bezeichnen, mit den großen 24-Zoll-Rädern samt Spezialbereifung klebt der Bio-Hybrid förmlich auf der Straße. Kein Wunder: Ein Blick unter den Aufbau ins komplex konstruierte Fahrwerk mit Einzelradaufhängung vorn und gefederter, armdicker Starrachse hinten nötigt einem Respekt ab: Ganz klar kommen hier die automobilen Gene der Mutter Schaeffler durch. Stoßdämpfer, Federbeine, Dreieckslenker, alles da, was ein "Auto" braucht. Nötigenfalls fangen die groß dimensionierten hydraulischen Scheibenbremsen zuverlässig ein. Beim Wendekreis des 2,20-Meter-Kompakt-Fahrzeugs muss man leichte Abstriche machen, der Einschlagwinkel könnte noch weiter sein, wobei man dann schon auch in Konflikt mit großen Füßen gerät.

Wahlweise zwei seitlich entnehmbare Akkus für 100 km Gesamtreichweite

Die Anzeige mit Touchscreen überzeugt schon in den Prototypen mit leichter Bedienbarkeit und guter Übersicht, wie überhaupt das Fahrzeug sehr übersichtlich ist. Man kann zwischen drei Fahrmodi den Grad der Tretunterstützung variieren. Oder den Rangiermodus nutzen, der gemäß gesetzlicher Vorgaben bis sechs km/h rein elektrisches Fortkommen ermöglicht. Mit zwei Lithium-Ionen-Akkus, platzsparend, schwerpunktgünstig und zwecks Tausch gut erreichbar hinter dem Fahrer seitlich platziert, soll das Gerät 100 Kilometer durchhalten. Sie fassen jeweils 1,2 kWh an Kapazität.

Apropos Kapazität: Nur knapp über 100 Kilogramm soll der Bio-Hybrid in seiner Basis-Version auf die Waage bringen, trotz des aufwändigen Fahrwerks, der pannensicheren Druckgussfelgen, Rohrrahmen und Zentralträger. Leicht macht sich da die Plexiglas- und Kunststoffumhüllung, auf die man nicht verzichten wollte. "Wir glauben, ein Wetterschutz erhöht die Akzeptanz massiv", meint Jakub Fukacz. Insofern darf natürlich ein Scheibenwischer nicht fehlen, nebst einem Wischwasserbehälter hinter der Windschutzscheibe. Auch eine "basic-mäßig" ausgeführte Türenlösung, eher als Seitenverkleidung gedacht, soll es noch geben.

Doch schon den ergiebigen Dauerregen des Foto-Tages haben Fahrer und Fahrzeug recht trockenen Fußes überstanden. "Offen" oder "geschlossen", der Philosophie-Streit unter Cargobikern geht weiter. Ab 2020 auch mit Schaefflers Beteiligung. Auch hier ist der Name "Hybrid" Programm: Ein bisschen Komfort und Look wie ein Auto, das muss schon sein. Und die mit dem Cargo angepeilte Klientel der Logistiker und Transporteure ist ja ebenfalls automobile Standards bei Laufleistung und Solidität gewohnt. Die will man übrigens auch beim Service bieten.

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