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Ergänzung, nicht Ersatz: ÖPNV als Rückgrat neuer Mobilitätsdienste

Das 1. Mobility Network Symposium der DB Tochter ioki debattierte die Frage, welchen Beitrag neue Mobilitätsdienste liefern können. Man ist sich einig, dass es als Basis einen starken ÖPNV braucht. Und eine gemeinsame Plattform, die ioki flugs mit der "Smart Mobility Group" gründete.

Alternative Flotte für die Stadt: Die DB-Tochter ioki fuhr ihren Experimentalfuhrpark auf, vom autonomen Shuttle bis zum Wasserstoffauto. | Foto: J. Reichel
Alternative Flotte für die Stadt: Die DB-Tochter ioki fuhr ihren Experimentalfuhrpark auf, vom autonomen Shuttle bis zum Wasserstoffauto. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

"Die Hälfte aller Wege in der Stadt lässt sich mit dem Rad oder zu Fuß bewältigen" - alle reden über clevere Apps, Software, Ride-Sharing und Mobility as a Service (MaaS) und wie man damit die Verkehrsprobleme der Städte und auf dem Land lösen kann und der Querdenker der Verkehrsforschung Weert Canzler bringt es ganz einfach auf den Punkt. "Leute, fahrt mehr Fahrrad". Klar, das ist nicht Jedermanns Sache und auch nicht zu jeder Jahreszeit, würde aber, davon ist Canzler überzeugt, auch die akuten Luftqualitätsprobleme der Ballungsgebiete in Luft auflösen lassen. Aber dafür müssten die Städte umdenken.

"Denn das größte Hindernis für die Menschen, mehr Rad zu fahren, ist die fehlende Sicherheit", analysiert der Verkehrsforscher von der FU Berlin.

Für ihn ist klar: Für eine echte Verkehrswende in den Städten, müsste die "Bequemheit der Autonutzung reduziert werden". Viele Städte in Europa, Paris, Madrid, Mailand und nicht nur Vorzeigemetropolen wie Stockholm oder Kopenhagen, gingen im Moment diesen Weg. Zugleich müsse man aber den ÖPNV stärken.

Die Städte als Gestalter gefragt und gefordert

Und erst dann, auf Basis eines funktionierenden und starken ÖPNV, kann Mobility-as-a-Service wirklich funktionieren", glaubt Canzler. Er plädiert daher für eine offene Plattform, die für alle Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen offen ist, aber auch "reguliert" werden sollte. Das gilt aus seiner Sicht übrigens auch für autonome Shuttledienste, wie ioki sie bereits in einem Pilotprojekt in Bad Birnbach oder auf dem Campus des Veranstaltungsorts Euref in Berlin einsetzt.

"Alle Anbieter, die öffentliche Straßen nutzen, sollten dafür bezahlen", fordert er.

Auf der Linie der Regulierer liegt er hier mit Wolf-Dieter Hoppe vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little. "Die Städte sind gefragt als Gestalter der neuen Mobilität. Sie müssen einen Rahmen schaffen, an dem Dienstleister andocken können". Es wird aus seiner Sicht nicht ein "Entweder-oder", sondern ein "Sowohl-als-Auch" geben. "Die Mobilität fragmentiert sich im Augenblick ganz stark, das ist klar", so seine Analyse.

Immer wieder der Berlkönig: Den Beweis antreten

Das mit dem starken Rückgrat ÖPNV kann Henry Widera von den Berliner Verkehrsbetrieben nur unterstreichen: "Wir wollen bewusst als ÖPNV-Unternehmen mit unserem Berlkönig den Beweis antreten, dass man ein gutes bestehendes System mit neuen Moblitätsformen noch besser machen kann". Für ihn ist klar: Kein Ersatz, sondern Ergänzung des ÖPNV - auf der letzten Meile oder in verkehrsarmen Zeiten", analysiert der Leiter des Vorstandsstabs Digitalisierung bei der BVG. Man sei regelrecht überrannt worden von der Nachfrage nach den On-Demand-Shuttles, die man mit den Partnern Daimler und Via Van seit September durch die Hauptstadt schickt. Über 50 Prozent der Shuttles seien bereits jetzt geteilte Fahrten, was er als hohe Quote betrachtet für ein neues Angebot. Er ist überzeugt:

"Nur mit hoher Sharingquote bekommen wir weniger Verkehr".

Wobei Eva Kreienkamp von der Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH die ganze Debatte ein wenig zurechtrückt: "Wir praktizieren seit 150 Jahren Ride-Sharing, das mutet im Moment ein bisschen an wie Schaufensterputzen, Sharing nur eben mit anderen, neuen Mitteln", befindet sie.

Nach Experimentalphase Regularien einziehen

In diesem historischen Portfolio wird auch das Taxi weiter gefragt bleiben, davon ist jedenfalls Martin Huber von der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg überzeugt. "Aber es muss sich modernisieren, etwa mit cleveren Apps". Für die neuen Taxi-ähnlichen Dienstleister wie seit kurzem die VW-Tochter Moia in Hamburg sieht er nur für die Anfangszeit einen gewissen Experimentierschutz. "Dann müssen wir aber klare Regularien einziehen, Beförderungspflicht, auskömmliches Entgelt, Arbeitszeiten", fordert er.

"Aus meiner Sicht sind das doch auch nur Busse, nur mit mehr Haltestellen", kommentiert er.

Tom Vöge von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit rechnet ohnehin damit, dass nach einer Startphase mit vielen Anbietern eine schnelle Konsolidierung stattfinden werde, in der die multinationalen Konzerne den Markt der Mobilität unter sich aufteilen.

 Chance, unabhängig vom eigenen Auto zu werden

"Wir haben jetzt die Chance, mit Hilfe der Digitalisierung die Leute unabhängig vom eigenen Auto zu machen", so sieht es ioki-Geschäftsführer Michael Barillére-Scholz.

Aus seiner Sicht verändert die Digitalisierung und mit ihr die neuen Mobilitätsangebote den Markt grundlegend, Nachhaltigkeit trete immer mehr in den Vordergrund. "Unsere Herausforderung ist es, mehr Mobilität zu organisieren, aber mit weniger Verkehr", skizziert er die Problemlage. Und vergisst nicht, die vielzitierte Schaller-Studie aus New York zu erwähnen, in der die neuen Fahrdienste wie Uber & Co für 1,57 Milliarden mehr an Kilometern sorgten und 50 Prozent der Nutzer aus dem klassischen ÖPNV abgezogen hätten. Mit entsprechenden Folgen für Tempo und Platzbedarf. Die erhoffte Entlastung sei hier nicht eingetreten. Gleichwohl erkennt er das offenbar bediente Mobilitätsbedürfnis der Leute an. Das sieht auch Digitalisierungsexperte Alain Veuve so:

"Wir werden die Leute nicht vom Auto weg bekommen, indem wir sie zwingen. Sondern indem wir ihnen eine geschmeidigere Lösung in die Hand geben", glaubt er.

Die sieht er auf mittlere Sicht in autonomen Fahrzeugen, die "On-Demand" fahren, ohne Eigentumszwang und zu niedrigeren Kosten. In seiner Prognose sänke dadurch die Zahl der Autos in Deutschland von 43 Millionen Pkw auf 8 Millionen ohne weniger Mobilität zu haben. Ein Pkw stehe derzeit 23 Stunden am Tag still, das sei ökonomischer Unsinn. "Künftig ist nicht mehr wichtig, wem ein Auto gehört, sondern wer es betreibt", glaubt er. Mit Künstlicher Intelligenz sei es schließlich möglich, einen ÖPNV inklusive neuer Mobilitätsdienste zu betreiben, der vielleicht gar keinen Fahrplan mehr brauche, so Veuves Prognose, die er auf einen Horizont von 50 Jahren zieht.

"Wir müssen das Ökosystem Verkehr aber unbedingt beruhigen", resümiert Barillére-Scholz.

Keine Verkehrsrevolution, sondern bessere Verzahnung

Dazu brauche es keine Verkehrsrevolution, wie jetzt häufig reklamiert werde, sondern vor allem eine engere Verzahnung der Verkehrsträger. Es müsse ein gemeinsamer "On-Demand"-Standard geschaffen werden. "Wir brauchen eine Integration der vielen Apps, die überhaupt nicht miteinander kommunizieren", findet der ioki-Chef. Eine Art Verkehrs-Roaming wie beim Mobilfunk schwebt ihm vor. Um dieses Vorhaben zu beschleunigen, verkündet er zum Abschluss der Veranstaltung die Gründung einer Smart Mobility Group, um die Anstrengungen der Erfinder der neuen Mobilität zu bündeln und zu koordinieren. "Lassen Sie uns schon heute gemeinsam die Pioniere von morgen sein", lautet der griffige Slogan der Aktion. 

 

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