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Meinungsbeitrag

Entlastungspaket & Spritpreisbremse: Die Ampel hängt auf gelb!

Was für ein Wahnsinn: Die Regierung senkt die Spritpreise, nicht nur für Spediteure, sondern für alle! Statt Tempolimit und Sparappell sendet man das gegenteilige Signal. Fatal für Fossilautarkie, Antriebswende und Klimakrise. Die FDP wird immer mehr zum "Problembär" der Koalition.

Die Ampfel bleibt zu oft auf gelb hängen: Im Mobilitätsbereich konterkarieren sich die jüngsten Entlastungsmaßnahmen, von Entschlossenheit keine Spur. | Foto: AdobeStock
Die Ampfel bleibt zu oft auf gelb hängen: Im Mobilitätsbereich konterkarieren sich die jüngsten Entlastungsmaßnahmen, von Entschlossenheit keine Spur. | Foto: AdobeStock
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Johannes Reichel

Was ist das nur für ein seltsames Freiheitsverständnis, das die FDP da beinhart in der Koalition behauptet? Die Freiheit, weiter billig Auto zu fahren, scheint jedenfalls Vorfahrt vor allem anderen zu haben. Während die Ukrainer um ihre Freiheit kämpfen, in einem demokratischen Land (oder überhaupt!) zu leben, fällt der Politik hierzulande nichts anderes ein, als mit ihrem jüngsten Entlastungspaket unter anderem den Sprit weiter billig zu halten - und damit indirekt Putins Krieg weiter zu subventionieren, mit 65 Millionen US-Dollar täglich. Man gießt also weiter Öl ins Feuer, um im Bilde zu bleiben.

Und so sendet das jüngste Entlastungspaket beim Thema Spritpreise ein verhängnisvolles Signal: Krieg und Klimakrise hin oder her - Hauptsache, Benzin bleibt billig!

Um 30 Cent/Liter senkt man Ottosprit, 14 Cent sind es beim Diesel, für zunächst drei Monate, obwohl der Spritpreis historisch betrachtet so hoch nun auch wieder nicht war. Vielfahrer und Vielschlucker profitieren damit am meisten. Das ist ungerecht und unsozial, auch wenn immerhin eine einmalige Energiekostenpauschale das Paket abrundet.

Und die Spritpreissenkung kommt, obwohl die Bürger hierzulande überhaupt nicht reagiert haben in ihrem Verhalten, selbst als der Sprit bei 2,50 Euro pro Liter taxierte, wie das Bild auf den Straßen aber auch die Verkehrsdatenanalyse von TomTom und Inrix ergab.

Ökonomen sagen längst, Kraftstoff habe keine hohe "Preiselastizität der Nachfrage", sprich, es ist den Leuten ziemlich wurscht, was der Liter kostet, sie fahren trotzdem - und sparen lieber woanders, bei Nahrungsmitteln zum Beispiel. Und vor allem: WAS die Teutonen fahren: Ein Viertel SUV-Anteil wird gekrönt von weiteren elf Prozent Geländewagen, die zusammen die Zulassungsstatistik vor den Kompaktwagen mit knapp 32 Prozent dominieren - von Klimabewusstsein keine Spur. Man sitzt lieber bequem, gepanzert - und hoch zu Ross.

Die Leute seien eben auf das Auto angewiesen, heißt es dann immer alles entschuldigend, mittlerweile sogar von GRÜNEN-Politikern, nicht nur von FDP und SPD. Aber: Doch nicht auf SOLCHE Autos! Und auch nicht darauf, ohne Limit damit zu rasen! Was für ein dekadenter Freiheitsbegriff, 180 km/h im SUV! Und: Es wäre ja gerade der Job dieser Koalition, die Abhängigkeit vom Auto zu reduzieren - und damit auch ein bisschen die Abhängigkeit von Diktatoren wie Putin.

Erschwerend kommt hinzu: Neben Putins Bilanzen pimpt man damit offenbar auch die Bilanzen der Mineralölkonzerne. Deren Marge am Spritpreis ist in den letzten Wochen wohl massiv gestiegen, laut einer Analyse von Benzinpreis.de vom 6. Februar bis zum 25. März von 30 auf 44 Cent pro Liter, beim Diesel sogar verdoppelt von 29 auf 58 Cent! Das ist im höchsten Maße umoralisch und ein "Kriegsgewinnlertum" der üblen Sorte auf Kosten der Steuerzahler. Hoffentlich bekommt die Regierung das kartellrechtlich eingebremst.

Besonders bizarr ist natürlich, dass dieser staatliche Preisdirigismus fast planwirtschaftlichen Ausmaßes ausgerechnet von einer Partei kommt, die die freie Marktwirtschaft und das Diktat des Preises predigt. Wer da nicht an Klientelpolitik denkt, hat schon große Scheuklappen. Beim Tempolimit dagegen sind staatliche Eingriffe dann wieder total tabu. Schizophren, aber sie kommen durch damit, in der Koalition.

Warum nicht nur ein ermäßigter Gewerbediesel?

Niemand hätte sich beklagt, wenn man, dem Vorbild anderer Länder wie den Niederlanden, Polen, Belgien, Frankreich, Italien, Kroatien, Slowenien und Spanien folgend, einen steuerermäßigten Gewerbediesel für die wirklich notleidende Transportbranche gelauncht hätte. Denn hier ist der hohe Spritpreis wirklich existenzbedrohend, anders als für die vielen SUV-Fahrer im Land. Vor allem bildet diese Branche das Rückgrat und den Schmierstoff der Volkswirtschaft, Trucks fahren für aller Wohl und Wohlstand und nicht nur zum Spaß durch die Gegend. Lkw sind in Relation zur Tonnage sowieso wahre Sparmeister - und die Betreiber schon aus wirtschaftlichen Gründen an einem möglichst niedrigen Verbrauch interessiert.

Für alle anderen hätte es - vor dem Hintergrund des Krieges kurzfristig und der Klimakrise kurz-, mittel- und langfristig - ein starkes Ampel-Signal zum Sparen gebraucht: Temporäres Tempolimit 100 auf der Autobahn, 80 auf Landstraßen, 30 in den Ortschaften, das aus dem Stand wirkungsvoll gewesen wäre. Und ja, warum nicht, in Anbetracht der schrecklichen Lage in der Ukraine ein Remake der "Autofreien Sonntage".

Dazu die groß angelegte Wiederauflage der noch immer präsenten Kampagne wie aus den 80er-Jahren "Ich bin Energiesparer". Wo bleibt der Spar-Appell aus dem grünen Wirtschafts- und Klimaschutzministerium? Im ersten Schritt wäre Sparen das Gebot der Stunde - nicht die krampfhafte Suche nach neuen "Ölquellen" und Gasvorkommen bei anderen Autokratien (Katar) oder aus zweifelhaften Technologien (Fracking).

Das Neun-Euro-Ticket wird durch die Spritpreissenkung konterkariert

Dann hätte vielleicht auch die zweite, eigentlich sympathische Maßnahme flankiert statt sabotiert: Das 90-Tage-Neun-Euro-Ticket. Das könnte doch mal einen interessanten Wechsel-Impuls setzen, wenn denn die Öffis das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen - und die ÖPNV-Betreiber einen Weg finden, diese Schnellschussidee auch administrativ umzusetzen. Sabotiert wird im Übrigen mit niedrigen Spritpreisen auch die Antriebswende in Richtung Elektrifizierung, der man damit einen Bärendienst erweist. Die Strategie des Verkehrsministers Volker Wissing folgt der des Vorgängers: Immer von allem ein bisschen - auch wenn es sich beißt.

So bleibt am Ende: In der bunten Ampel bekommt jeder etwas - und die FDP am meisten. Sie ist zwar die kleinste Partei. Aber auch die radikalste. Die FDP entwickelt sich jedenfalls immer mehr zum "Problembär" der Koalition. Und der brummt eben am lautesten.

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