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Energiepreise: Regierung erhöht Pendlerpauschale

Mit der Erhöhung der Pendlerpauschale geht die Ampel-Koalition kurzfristig den Weg des geringsten Widerstands, stellt Nachhaltigkeitserwägungen zurück, will aber auf Drängen der Grünen mittelfristig den Bereich "sozialer und ökologischer" ausgestalten.

Mehr Geld für Fern-Pendler: Die Koalition will sich der akuten Situation mit steigenden Spritpreisen nicht entziehen - und erhöht mal wieder die Pendlerpauschale. Auch die Grünen konnten das nicht verhindern. | Foto: Audi
Mehr Geld für Fern-Pendler: Die Koalition will sich der akuten Situation mit steigenden Spritpreisen nicht entziehen - und erhöht mal wieder die Pendlerpauschale. Auch die Grünen konnten das nicht verhindern. | Foto: Audi
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Johannes Reichel

In Anbetracht steigender Sprit- und Energiepreise hat die Bundesregierung auf Drängen der FDP und SPD die Fern-Pendlerpauschale rückwirkend zum 1. Januar um drei Cent auf jetzt 38 Cent pro Kilometer angehoben, geltend ab dem 21. Kilometer. Diese Erhöhung war ursprünglich von der Vorgängerregierung für 2024 angepeilt worden, um den steigenden CO2-Preis beim Kraftstoff zu kompensieren. Die Union nun in der Opposition hatte diesen Schritt jüngst ebenfalls gefordert. Damit geben die Grünen dem Drängen von FDP und SPD nach.

"Für uns war klar, dass kurzfristig die Unterstützung für Menschen im ländlichen Raum auch einen Fokus einnehmen muss", erklärte nun die neue Grünen-Partei-Chefin Ricarda Lang.

Zugleich sei aber klar, dass die Pendlerpauschale nicht sozial wirke, wenn "der Arzt in Potsdam mehr profitiert als der Busfahrer in Barnim", bemängelte Lang. Auch der Grünen-Finanzminister Danyal Bayaz aus Baden-Württemberg gab sich selbstkritisch: Die Anhebung der Pendlerpauschale habe es nicht gebraucht, "auch weil sie ökologisch das völlig falsche Signal ist".

Man wolle aber mittelfristig sehen, avisierte Lang weiter, "wie wir insgesamt die Finanzierung in diesem Bereich sozialer und ökologischer ausgestalten können". Das ist so auch in dem dreiseitigen Ergebnispapier der Ampel-Koalition zu den im 10-Punkte-Paket beschlossenen Entlastungsmaßnahmen enthalten, zu denen neben der Erhöhung der Pendlerpauschale auch die Abschaffung der EEG-Umlage bereits zum 1. Juli 2022 oder die Anhebung des Grundfreibetrags bei der Steuer zählt.

"Es ist uns wichtig, dass das Leben in seinen Grundbedürfnissen bezahlbar bleibt", erklärte SPD-Chefin Saskia Esken.

Dazu zählt die SPD offenbar auch das Pendeln mit dem Auto, von dessen steuerlicher Förderung nach Einschätzung von Experten allerdings vor allem die Mittel- und Oberschicht profitiert. Die Steuererleichterungen in diesem Bereich summieren sich auf 2,9 Milliarden Euro, die Abschaffung der EEG-Umlage wiederum kommt eher Geringverdienern zu Gute, bei denen die über alle Schichten ählichen Energiekosten einen höheren prozentualen Anteil ausmachen. 

Nachhaltigkeit höchst fragwürdig

Sozial könnten sich die Maßnahmen also durchaus positiv auswirken, ökologisch dagegen weniger. Die Grünen, die im Wahlkampf massiv für einen Abbau klimaschädlicher Subventionen wie der Pendlerpauschale, dem Diesel- und Dienstwagenprivileg geworben hatten, können nun allenfalls für sich reklamieren, schlimmeres verhindert zu haben. Wie ein aus der Verhandlungsrunde durchgestochener Entwurf zeigt, wollte der Koalitionsausschuss eigentlich die Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer auf 45 Cent erhöhen und darunter von 30 auf 40 Cent, offenbar Vorschläge von SPD und FDP. 

Erst jüngst hatte der Berliner Think Tank Agora Verkehrswende in einer Studie festgestellt, dass das überwiegend mit dem eigenen Pkw vollzogene Pendeln die Emissionen massiv treibt. Die Entfernungspauschale trage dazu bei, dass Beschäftigte sich eher auf lange Arbeitswege einlassen und diese mit dem Auto zurücklegen, so das Fazit.

Energiegeld muss kommen

Der Think Tank hatte stattdessen ein Mobilitätsgeld vorgeschlagen, das ähnlich von den Grünen im Wahlkampf als Energiegeld lanciert worden war, sich aber nur versteckt als "Klimageld" im Koalitionsvertrag findet. Das Mobilitätsgeld wird direkt von der Steuerschuld abgezogen, somit wäre die Steuererleichterung je Kilometer Arbeitsweg für alle gleich, plädiert Agora. Zudem wird mit einer hohen Auszahlung direkt belohnt, wer weniger Energie verbraucht. Die Denkfabrik hatte schon früher in einer Analyse auf die soziale Schieflage der deutschen Förderkulisse des Klimaschutzprogramms der Vorgängerregierung hingewiesen, die pendelnde Besserverdiener bevorzuge.

Verbraucherschützer rechnen ohnehin damit, dass die Koalition in Anbetracht weiter steigender Energiepreise im Frühjahr nachbessern muss. So bezeichnete Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, den Zehn-Punkte-Plan der Regierung gegenüber der Süddeutschen Zeitung als "Tropfen auf den heißen Stein" und glaubt, dass die Mehrkosten die Entlastungen weit übersteigen. "Dann wäre die Zeit für ein Energiegeld gekommen", glaubt Sieverding. Das hält man auch beim Deutschen Naturschutzring für gerechter - und zudem ökologischer:

"Wer die Pendlerpauschale erhöht, heizt die fossile Inflation an", kritisierte Kai Niebert, Präsident des Umweltverbandes in der SZ.

Was bedeutet das?

Man muss es leider so sagen: Die neue Regierung macht im Moment da weiter, wo die alte aufgehört hat: Immer wenn es beginnt, schwierig zu werden, springt die Ampel erst auf gelb, dann auf Rot, aber nicht auf grün. Sprich, den Weg des geringsten Widerstands. Wobei das letztlich nicht verwundert, denn in Sachen Klimaschutz war auch die SPD als Koalitionspartner in Schwarz-Rot sicher kein Treiber - oder allenfalls in Relation zur bremsenden Union als "progressiv" zu bezeichnen. Jetzt wird das ganze ergänzt durch eine allenfalls verbal dem Klimaschutz aufgeschlossene FDP, die offenbar alle Mühen der Grünen bisher erfolgreich torpediert, sobald es konkret wird.

Überhaupt erwecken Teile der Regierung immer noch den Eindruck, man hätte die Wahl bei den Maßnahmen. Dem ist nicht so. Es braucht den kompletten Instrumentenkasten, um die Verkehrswende zu schaffen und die Klimakrise einzudämmen, von Tempolimit und Subventionsabbau (sofort) bis Pkw- und City-Maut sowie Emissionshandel (bald). "Das wollen wir nicht" ist keine Option. "Wir müssen" dagegen schon. Und das "MUSS" man dann auch erklären.

Die nächste Enttäuschung

Nach der Absage an eine ambitioniertere Position bei den Flottengrenzwerten in der EU durch FDP-Verkehrsminister Wissing und mit Billigung von Kanzler Scholz, der einstweiligen Verlängerung der zwiespältigen und offenbar auch missbräuchlich verwendeten E-Auto-Förderung mit Mittelklasse-Pkw- und PHEV-Fokus ist das die nächste Enttäuschung für alle, die von der Ampel endlich ernsthaftes Handeln zur Erreichung der Klimaziele erwartet haben.

Wenigstens soll das ab 2023 mit einer avisierten Neuregelung der Förderung anders werden - und der Nachweis eines "positiven Klimaschutzbeitrags" obligatorisch. Auch beim Thema Bauen geht übrigens "Masse vor Klasse" und die SPD drückt ihren Schwerpunkt durch, obwohl wir längst auch eine Bauwende bräuchten - weg von der Stilisierung des Einfamilienhäuschens im Grünen oder dem schicken, aber leider CO2-intensiven Neubau, hin zum klimafreundlichen Erhalt und der Sanierung.

Klar, die Energiekrise ist virulent, die Preise steigen und der aktuellen Regierung fällt die energiepolitische Naivität und Energiewendeblockade der Vorgängerregierung auf die Füße. Aber wann will man eigentlich anfangen, alle Projekte, wie angekündigt, unter Klimavorbehalt des neuen Klima- und Wirtschaftsministers Habeck zu stellen?

"Mittelfristig", wie es von den Grünen heißt, reicht nicht mehr. Und für sozial gerechten Ausgleich hätte das groß angekündigte Klimageld auch führen können. Die Konzepte dafür sollten doch längst vorliegen. Jetzt versucht man doch wieder mit den bekannten Mitteln die Gemüter zu beruhigen. Ignorierend, dass die Pendlerpauschale doch "grosso modo" Besserverdiener bevorzugt, die es sich überhaupt leisten können, mit dem Auto zu fahren und weniger die vielzitierte Krankenschwester, für die das Stadtleben (auch ein Versäumnis von Schwarz-Rot) leider zu teuer ist.

In Anbetracht der Eskalation in der Ukraine wird sich der Ölpreis so schnell nicht fangen. Und wir verlieren weiter Zeit bei dem Kampf, der eigentlich auch alle kriegslüsternen Potentaten dieser Welt am meisten beschäftigen sollten, statt des wahnwitzigen Kampfs gegen die eigenen Nachbarn und um Territorien: Der Kampf gegen die Klimakrise. Wir schreiben das 21. und nicht das 19. Jahrhundert. Die Herausforderung liegt ganz woanders. Warum nur ist das so schwer vermittelbar?

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