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Elektronikprobleme: Digitaldefizit bremst E-Mobilität

Wie eine Analyse des Center of Automotive Management zeigt, haben die deutschen Hersteller große Lücken beim Thema Software, kämpfen zudem mit Hardware-Engpässen. Das fällt in eine kritische Phase, in der die chinesischen Marken in den Verkäufen zu Tesla aufschließen. Deutsche Marken global bei E-Autos hinten dran. Doch auch Tesla und die Chinesen kämpfen mit überambitionierten Softwarefunktionen, wie wir am Beispiel des Nio ET7 erfahren mussten.

Hochkomplexe Software an Bord muss unter Hochdruck entwickelt und eingebaut werden. Dabei häufen sich bei allen Marken die Fehler. Ein Kunde beklagte nun zahlreiche Ausfälle seinen Audi e-tron GT. | Foto: Audi
Hochkomplexe Software an Bord muss unter Hochdruck entwickelt und eingebaut werden. Dabei häufen sich bei allen Marken die Fehler. Ein Kunde beklagte nun zahlreiche Ausfälle seinen Audi e-tron GT. | Foto: Audi
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Johannes Reichel

Wie eine Analyse des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach zeigt, geraten deutsche Automobilhersteller in Sachen Digitaliiserung zunehmend unter Druck. Sie kämpften mit Versorgungsengpässen und müssten dringend ihre technischen Innovationen vorantreiben, um die globalen Anteile zu halten, so die Analyse laut einem Bericht von Spiegel Online.

"Es zeigt sich, dass das Kompetenzfeld Software von den etablierten Herstellern nur langsam ,bestellt' werden kann", urteilt CAM-Direktor und Automobilwirtschaftler Stefan Bratzel gegenüber dem Medium.

Es fehlte an einer neuen E/E-Architektur als Rückgrat der elektronischen Funktionen im Fahrzeug sowie an stabil laufenden Betriebssystemen mit "Over the Air-Updates". Es werde noch einige Jahre dauern, bis die Kompetenzen erlernt und in den Fahrzeugen sichtbar seien, analysiert Bratzel weiter. Die Situation wird zusätzlich erschwert durch die Hardware-Krise. Zuletzt hatte in dem Konzext zudem der Verband der Automobilindustrie VDA vor einem massiven Halbleitermangel gewarnt, der die Produktion von Fahrzeugen um ein Fünftel schmälern könnte. Die Audi-Vertriebschefin Hildegard Wortmann bekräftigte vor kurzem in drastischen Worten, es gebe eine "50-Prozent-Chance", dass Audi in zehn Jahren noch existiere. Für die Autoindustrie seien die Herausforderungen derart gewaltig, dass es schnellerer Änderungen bedürfe. "Sonst sind wir weg vom Fenster", zitiert der Spiegel die Audi-Vorständin. 

Einzelfall oder generelles Problem? Audi weist Vorwürfe zurück

Anlass für den Bericht war der drastische Fall eines Audi-e-tron-GT-Kunden, dessen Fahrzeug auf der J1-Plattform des VW-Konzerns seit dem Kauf im August 2021 massive Qualitätsprobleme gezeigt hatte. Auf 18.500 Kilometern habe es zahlreiche Werkstattaufenthalte gegeben, defekte Lader, widersinnige Ladeplanung, reduzierte Motorleistung, Fehlermeldungen, Ausfälle von Heizung und Klimaanlage. Audi weist zwar alle Vorwürfe zurück und meint, es seien "keine gehäuften Störungen oder Qualitätsmängel bei diesem Modell bekannt". Doch der Fahrer sah sich durch viele Einträge in einschlägigen Internetforen bestätigt. Auch Branchenprimus und Pionier Tesla ist davor allerdings nicht gefeit. So kam es in den USA zu Rückrufen wegen Softwarefehlern, weil bei 300.000 Fahrzeugen die Rücklichter nicht aufleuchteten. In der Schweiz konnten Streifenpolizisten ihr Fahrzeug nicht mehr von Innen öffnen.

Eigene Testfahrt im Nio ET7: Wenn die Ladesäule im Acker steht

Und auch die ambitionierten Chinesen scheinen nur mit "Wasser zu kochen": Wie eine eigene Langstreckenfahrt mit dem Flaggschiff der aufstrebenden Marke Nio ET7 ergab, weist das Modell zahlreiche Defizite bei der Ladenavigation, bei der Klimatisierung und Heizung sowie Sprachbedienung auf. Die Anfahrt auf eine Ladesäule endete auf einem Feldweg, hunderte Kilometer entfernt von der eigentlich angepeilten Ladesäule. Auch die Kommunikation mit der Ladesäule klappt oft nicht, bricht jäh wieder ab oder unterbricht dreist den Ladevorgang des zweiten Fahrzeugs an der Säule. Die Verstellung des Fahrmodus führt zu errativen Reaktionen im Bordmenü, die Fahrerüberwachung empfiehlt trotz konzentrierter Fahrt mit Blick auf die Straße nach zweieinhalb Stunden dringend eine Pause und schlägt regelrecht Alarm. Man fühlt sich tatsächlich an das Insiderdiktum von der "Bananensoftware" erinnert, die beim Kunden erst von grün zu gelb reift. Auch der ADAC konstatierte, der Kosten- und Entwicklungsdruck sei so hoch, dass Hersteller Abstürze oder Produktionsfehler in Sachen Softwar von vorneherein mit einkalkulierten. Langfristig gehen Fachleute allerdings davon aus, dass die Mängelquote sinkt, wenn die Technologien sich etablieren, zitiert der Spiegel den Wissenschaftler Vinod Rajamani, von der Fachhochschule Dortmund.

Verkaufsstatistik: BYD auf Jagd nach Tesla

Das CAM hatte jüngst einen Electromobility-Report veröffentlicht und die Lage der deutschen Autohersteller als schwierig skizziert. Die Lage der deutschen Automobilhersteller sei höchst angespannt, hieß es. Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz steigerten zwar allesamt ihr Elektro-Auslieferungen, können jedoch bei weitem nicht mit dem Tempo der Spitzengruppe mithalten um Primus Tesla und BYD, den man hinter Tesla als "Fast Follower" sieht. Gerade in China drücke der Markterfolg einheimischer Akteure zusätzlich auf die Absatzbilanz der deutschen OEMs.

Der Absatz vollelektrischer Automobile (BEV) erlebe im Gesamtjahr 2022 trotz Lieferengpässen und Inflation abermals ein Rekordniveau. Nach Schätzungen des CAM wurden rund 7 Mio. BEVs abgesetzt, was im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerungsrate von + 63 % entspricht. Die Antriebswende wird sich im laufenden Jahr 2023 weiter fortsetzen und voraussichtlich einen Wert von 10 Mio. BEVs erreichen. Im Gesamtjahr 2022 wurden laut CAM rund 7 Mio. vollelektrische Fahrzeuge (BEV) verkauft (+ 63%):

  • Größter BEV-Markt bleibt mit Abstand China mit 5,03 Mio. Pkw
  • Für 2023 wird ein Absatz von rund 10 Mio. Einheiten erwartet.
  • Tesla (+ 40%) behauptet sich mit 1,3 Mio. Einheiten auf Platz 1, gefolgt von Fast-Follower BYD mit 911 Tsd. (+ 184%) und SAIC mit 750 Tsd. (+ 23%).
  • Deutsche Automobilhersteller verkauften zusammen nur rund 921 Tsd. BEVs.
  • Volkswagen verkauft auf 572.000 BEV (+26%)
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