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Elektroautos: Gutes Thermomanagement steigert Reichweite um ein Fünftel

Durch die optimierte Klimatisierung der Antriebsbatterie und des Innenraums könnten Elektroautos bis zu 20 Prozent weiter fahren und länger mit höherer Kapazität laden, berichtet der Zulieferer Mahle bei einem Workshop zu dem wichtigen Thema im eigenen Klimawindkanal.

Für diesen Hyundai Kona Elektro hat Mahle errechnet, dass ein optimiertes Thermomanagement bis zu 20 Prozent mehr Reichweite bringen kann – ein Potential, das je nach Fahrzeugkategorie prozentual schwankt. (Foto: Dietmar Fund)
Für diesen Hyundai Kona Elektro hat Mahle errechnet, dass ein optimiertes Thermomanagement bis zu 20 Prozent mehr Reichweite bringen kann – ein Potential, das je nach Fahrzeugkategorie prozentual schwankt. (Foto: Dietmar Fund)
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Redaktion (allg.)
von Dietmar Fund

Ein optimiertes Thermomanagement verspricht bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen ein großes Entwicklungspotential. Bei einer Außentemperatur von sieben Grad Celsius lassen sich über die Optimierung der Batterie-Temperierung und der Innenraum-Klimatisierung bis zu 20 Prozent mehr Reichweite realisieren. Das berichtete der Zulieferer Mahle, zu dem der Kühlerhersteller Behr gehört, bei einer Pressekonferenz, die am 16. Mai 2023 im Klimawindkanal stattgefunden hat.

Nicht von ungefähr war hinter dem Stehpult der Referenten ein Hyundai Kona Elektro der neuesten Generation ausgestellt, denn bei ihm haben die Entwickler dieses Reichweiten-Potential ermittelt. In ihrem Klimawindkanal können sie anhand autonom gefahrener Testzyklen feststellen, wie die einzelnen Komponenten bei Temperaturen von minus 30 und plus 50 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 5 und 95 Prozent reagieren und wo der Energiefluss noch nicht optimal ist. „Wir haben bei uns im Klimawindkanal noch kein Elektrofahrzeug geprüft, bei dem wir dem Hersteller keine Verbesserungen vorschlagen konnten“, erklärte Dr.-Ing. Uli Christian Blessing, Leiter der globalen Entwicklung Thermomanagement. „Manchmal handelt es sich um kleine Dinge wie etwa den Knickwinkel von Leitungen, die man innerhalb von ein, zwei Jahren auch in der laufenden Serie ändern kann, während grundsätzlich falsche Systemarchitekturen nur längerfristig verbessert werden können. Eine passende Heiz- und Klimaleistung muss man im Fahrzeug vorhalten, sonst kann man hinterher nicht mehr viel machen.“

Mahle hat die Komponenten seines Thermomanagements, deren Herzstücke ein elektrischer Klimakompressor in der Wärmepumpe, ein Hochvolt-Zuheizer, Kühlplatten zur Temperierung und selbst gebaute Lüfter sind, nach anfänglicher Verteilung im Fahrzeug inzwischen zu Modulen zusammengefasst. Ein kombiniertes Thermo-Modul für den Wärme- und den Kühlkreislauf ist heute Stand der Technik. Wenn unter anderem der Wärmetauscher, die Kühlmittelpumpe und der Inverter in einer Einheit integriert sind, spart das Bauraum im Fahrzeug und verringert den Einbauaufwand beim Fahrzeughersteller. Dennoch könne man im Schadensfall auch einzelne Module der integrierten Einheit tauschen.

„Das Herzstück und der Treiber für die Weiterentwicklung ist das Batteriekühlsystem, weshalb Batteriekühlplatten derzeit zu unseren Bestsellern gehören“, erklärte Blessing. „Der Lüfter muss zum Beispiel die beim Schnellladen anfallende Abwärme schnell wegschaffen und fürs Laden am Haus leise sein, weshalb wir ihn laufend aerodynamisch optimieren.“ Ein weiterer wichtiger Baustein sei der Hochvolt-Zuheizer, der für sehr niedrige Temperaturen benötigt werde, bei denen die Wärmepumpe nur langsam wirke. Deshalb entwickle Mahle leistungsfähige Zuheizer selbst.

Wichtig: Auch die bei manchen aktuellen Modellen wie dem Toyota Bz4X bei niedrigen Außentemperaturen sehr niedrige Leistungsaufnahme beim „Schnellladen“ mit Gleichstrom ließe sich durch eine bessere Wärmeabfuhr aus der Batterie verbessern. Man könnte dann über einen längeren Zeitraum mit höherer Leistung und damit deutlich schneller laden, ohne die Dauerhaltbarkeit der Batterie einzuschränken.

Erschreckende Ladekurven

Die Entwickler haben bei ihren Tests im Klimawindkanal oft „sehr erschreckende“ Ladekurven festgestellt. Hinter vorgehaltener Hand war zu hören, dass der Toyota Bz4X wohl zu den schlechtesten „Benchmarks“ gehört und die koreanischen Marken Hyundai und Kia ziemlich gut sind – übrigens wie 10 bis 15 chinesische Hersteller, die niemand beim Namen nennen wollte. Bei den Modellen von Volkswagen besteht offenbar noch ein ziemliches Entwicklungspotential, während Audi sich intensiver um das Thermomanagement seiner E-Fahrzeuge kümmern soll. Die als Taxis und Mietwagen angebotenen Elektromodelle Volvo XC40 Recharge Pure Electric und Mercedes-Benz eVito Tourer beziehungsweise EQV hatte Mahle noch nicht im Klimawindkanal.

Unmittelbar bevor steht der Technologiewechsel zum Ersatz der bisher verwendeten Kältemittel, die die EU-weit vor dem Verbot stehende Stoffgruppe PFAS enthalten. Hauptsächlich kommt bislang das auch bei Verbrennern verwendete R1234yf zum Einsatz, was aber von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich ist. Die Zukunft könnte den Kältemitteln R 290 (Propan) oder R 744 (Kohlenstoffdioxid) gehören. Beide erfordern aber andere Arbeitsdrücke als heute.

Die Entwickler denken auch bereits über Flächenheizungen nach. Heute wird praktisch nach guter alter Väter Sitte noch die Innenraumluft über Glühdrähte erwärmt. Deshalb gilt das Augenmerk der Ingenieure auch dem bedarfsgerechten Umgang mit der Innenluft. Sie muss man ja anders als zugeführte Außenluft nicht ständig neu erwärmen.

Größtes Geschäftsfeld beim Zulieferer

Bei Mahle arbeiten in der Antriebs- und Klimatechnik weltweit an rund 50 Standorten mehr als 20.000 Mitarbeitende am Thermomanagement. Es stellt mit 30 Prozent des Umsatzes das größte Geschäftsfeld des Zulieferers dar. Das erklärte Jumana Al-Sibai, die als Mitglied der Geschäftsführung des Konzerns für diesen Geschäftsbereich verantwortlich ist. Sie bezeichnete das Thermomanagement als Treiber der Elektrifizierung bei Mahle, weil dessen Umsatzpotential im E-Auto dreimal höher sei als bei Modellen mit Verbrennermotor.

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