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EICMA 2021 Mailand: Vitesco elektrifiziert vom Scooter bis zum Trike

Große Elektro-Offensive bei den kleinen Mobilen: Die Ex-Conti-Tochter nutzt die Motorradmesse für einen Neuheitenreigen vom 48-Volt-Antrieb bis zum Hybrid-System für Motorräder, wo man noch eine Weile mit dem Verbrenner rechnet.

Von Scooter bis Motorrad: Vitesco nutzt die Bühne der Messe, um seine Kompetenz in Sachen Zweirad, vor allem im Hinblick auf die Elektrifizierung, darzustellen. | Foto: Vitesco
Von Scooter bis Motorrad: Vitesco nutzt die Bühne der Messe, um seine Kompetenz in Sachen Zweirad, vor allem im Hinblick auf die Elektrifizierung, darzustellen. | Foto: Vitesco
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Johannes Reichel

Die Conti-Ausgründung Vitesco Technologies hat auf der weltweit wichtigsten Motorradmesse EICMA (23.-28.11.) in Mailand ein breites Spektrum an Zweirad-Neuheiten angekündigt. Die Spanne reicht vom rein elektrischen Antrieb für Leichtkrafträder und Motorroller über die Demonstrationsversion eines Hybrid-Motorrads und weitere Elektrifizierungs-Lösungen bis hin zu emissionsreduzierenden Systemen für verschiedenste Zweirad- und Powersportsanwendungen. Mit einem 48-Volt-System, das die nun selbstständige ehemalige Conti Powertrain in Mailand erstmals präsentiert, peilt man auf ein Leistungsspektrum von 3 bis 7 kW und bildet damit das elektrifizierte Äquivalent kleinerer motorisierter Zweiräder der Leistungsklasse von bis zu 150 ccm Hubraum ab, die vor allem in der Alltagsmobilität asiatischer Länder eine zentrale Rolle spielen. Das elektronische Steuergerät des Systems, eine eDCU (Electric Drive Control Unit), beinhaltet sowohl die Inverterfunktion als auch zusätzliche Fahrzeugfunktionalitäten, skizziert der Anbieter weiter. Die E-Maschine ist mit einem robusten induktiven Rotorpositionssensor (Inductive Rotor Position Sensor, iRPS) ausgestattet. Dieses Sensorsystem soll eine hohe Regelgüte bieten, auch in anspruchsvollen Fahrsituationen. Man entwickelt das 48-Volt-System bereits für den Serieneinsatz.

Hybridsystem ermöglicht rein elektrisches Fahren und steigert Fahrspaß

Anders als im 3 bis 7-kW-Segment, wo der Anbieter in näherer Zukunft mit einem sehr dynamischen Wandel hin zu rein elektrischen Antrieben rechnet, rechnet man damit, dass bei größeren Motorrädern Hybridlösungen in einer Übergangsphase eine wichtige Rolle spielen werden – weil sich künftige CO2-Grenzwerte nicht mehr allein durch Maßnahmen am Verbrennungsmotor erreichen ließen, wie man darlegt. Bei dem in Mailand präsentierten Demonstrator eines Hybrid-Motorrads ist die zusätzliche E-Maschine ein serienmäßiger riemengetriebener 48-Volt-Startergenerator aus dem Automobilbereich, wo der Anbieter die 48-Volt-Hybridisierung schon seit 2016 einsetzt. Der Startergenerator ermöglicht es vor allem im Stadtverkehr auch, kürzere Strecken rein elektrisch zu fahren.

Zudem soll er den Fahrspaß steigern, weil er gerade bei mittelgroßen Motorrädern eine spürbare Leistungssteigerung mit sich bringt. Für die bei Hybridsystemen sehr anspruchsvolle Regelstrategie ist eine PDCU (Powertrain Domain Control Unit) zuständig. Dieser so genannte Master Controller steuert die 48-Volt-Maschine, kommuniziert mit der Motorsteuerung M4C des Verbrennungsmotors und koordiniert die beiden Antriebsarten. Das System entscheidet, wann elektrisch gefahren wird, wann mit dem klassischen Antrieb und wann mit beidem und sorgt zudem für harmonische Übergänge zwischen den Antriebsformen.

Eine weitere Innovation des Hybrid-Motorrads sieht man im intelligenten Aktuator (Smart Transmission Actuator), der das Getriebe eigenständig und ohne Kupplungsbetätigung schalten kann. Mit einem derart automatisierten Schaltgetriebe lassen sich hohe CO2-Einsparungen erzielen, weil die elektronische Steuerung den Gangwechsel zu einem im Hinblick auf die Kraftstoffökonomie optimalen Zeitpunkt durchführen kann.

Breites Elektrifizierungs-Spektrum 

Die Spannweite des Elektrifizierungsangebots von Vitesco Technologies demonstrieren zwei weitere EICMA-Exponate: ein integriertes Startergenerator-Steuergerät (Integrated Starter Generator Control Unit) und der integrierte Achsantrieb EMR3. Mit dem Startergenerator-Steuergerät lässt sich bei Zweirädern bis 250 ccm Hubraum mit geringem Aufwand eine Start-Stopp-Funktionalität integrieren. Dazu wird die im System vorhandene 12-Volt-Lichtmaschine modifiziert, so dass sie nicht nur als Generator fungiert, sondern auch als Aktuator, mit dem der Verbrennungsmotor gestartet wird. Der Anlasser kann somit entfallen. Mit dem Aktuator lässt sich in bestimmten Fahrsituationen auch die Antriebsleistung steigern.

E-Antrieb für Rikschas und Side-by-Side-Modelle

Die dritte Generation des EMR (Electronics Motor Reducer), den der Anbieter schon seit 2019 serienmäßig in zahlreichen Pkw-Modellen einsetzt, ist eine hochintegrierte, kompakte und leichte Einheit aus Elektromotor, Leistungselektronik (Inverter) und Untersetzungsgetriebe. Sie soll sich für leistungsorientierte drei- oder vierräderige Elektrofahrzeuge wie Side-by-Side-Modelle oder auch Rikschas anbieten. Den ersten derartigen Einsatz außerhalb des Pkw-Bereichs hat Vitesco Technologies jüngst bekanntgegeben: Das Hochleistungsdreirad Twike 5, das ab Mitte nächsten Jahres in einer Kleinserie produziert werden soll, wird dank des EMR3-Antriebs in 3,8 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen, in der Spitze 190 Stundenkilometer erreichen und sich mit einem kombinierten Verbrauch von nur 6,9 kWh pro 100 Kilometer begnügen. Das unterstreicht auch Martin Moescheid, Geschäftsführer und Gesellschafter der Twike GmbH mit Sitz im hessischen Rosenthal.

„Neben der Leistungsfähigkeit war für uns vor allem auch der Wirkungsgrad von zentraler Bedeutung. Der EMR3 hat in allen Lastbereichen eine hohe Effizienz, so dass wir sehr niedrige Verbrauchswerte erzielen können. Darüber hinaus ist diese Antriebseinheit besonders leicht, äußerst robust sowie einfach zu adaptieren. Auch der Hintergrund einer bereits laufenden, qualitativ hochwertigen Serienproduktion hat maßgeblich zu unserer Entscheidung beigetragen.“

Das Twike – ein Kofferwort aus Twin und Bike – geht zurück auf Studierende der ETH Zürich, die 1986 den Urtyp dieses zweisitzigen, geschlossenen Liegerads entwickelten. Bis heute sind die Pedale ein Merkmal dieses Fahrzeugtyps geblieben. Während damit im aktuellen Serienmodell Twike 3 die Antriebswelle mechanisch unterstützt wird, dient die Pedalkraft beim Twike 5 dazu, elektrische Energie zu erzeugen. In beiden Fällen wird dadurch die Batterie entlastet und die Reichweite vergrößert. Vor allem sollen die Pedale aber die sportliche Betätigung während der Fahrt ermöglichen. Das Twike 5 wird mit 70 kW Leistung und 1.800 Nm Drehmoment an der Antriebsachse das mit Abstand kraftvollste Modell in der Geschichte der Marke sein.

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