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E-Tretroller: Nachhaltigkeit weiter fragwürdig

Nachdem im Rhein hunderte von Rollern entdeckt wurden und sich die Abstellsituation verschärft, stellt sich auch zwei Jahre nach dem Start die Frage: Wie nachhaltig sind die Scooter? Städtetag sieht Betreiber in der Pflicht. Bergung soll per Drohne und Taucher erfolgen, auch in anderen Städten.

Es schwimmt keine Leiche, aber ein Scooter im Isarkanal: In Abwandlung eines berühmten Wiesn-Hits, taucht auch in der Isar öfter mal ein E-Roller wieder auf - und mit ihm Fragen der Nachhaltigkeit des Verkehrsmittels. | Foto: J. Reichel
Es schwimmt keine Leiche, aber ein Scooter im Isarkanal: In Abwandlung eines berühmten Wiesn-Hits, taucht auch in der Isar öfter mal ein E-Roller wieder auf - und mit ihm Fragen der Nachhaltigkeit des Verkehrsmittels. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Nachdem bei Bauarbeiten in Köln von Tauchern über 500 E-Tretrollern im Rhein entdeckt wurden und in zahlreichen Städten zwei Jahre nach dem Start der leichten Miet-E-Fahrzeuge Bilanz gezogen wird, steht auch die Nachhaltigkeit des neuen, vielversprechend gestarteten Verkehrsmittels erneut auf dem Prüfstand. Bautaucher hatten die offenbar von Randalierern im Bereich der Hohenzollernbrücke versenkten Fahrzeuge ausgemacht, aus denen dem Vernehmen nach zudem Chemikalien der Akku-Ummantelungen austreten.

Eine angefragte Bergung der E-Mobile war dem Anbieter, der bei dem Tauchunternehmen angefragt hatte, aber ursprünglich offenbar zu teuer und zu schwierig. Jetzt sollen nach der Initiative der gemeinsamen Plattform von neun Betreibern "Shared Mobility" die Scooter wohl per Unterwasserdrohnen und mit Bautauchern geborgen werden. Man wolle "Reinigungsarbeiten dieser Art" künftig nicht nur in Köln, sondern in weiteren Städten durchführen, verspricht der Zusammenschluss.

Aus Hamburg kam zudem die Meldung, dass sich zwei Jahre nach dem Start der Verleihsysteme die Unfälle mit den 7.000 über die Stadt verteilten Mobilen deutlich gesteigert hätten. Zudem häuften sich die Vorkommnisse mit Fußgängern, die stolpern, weshalb man in Altona und Hamburg-Mitte verpflichtende Parkzonen eingerichtet habe. Auch in Frankfurt und Düsseldorf, jeweils vor dem Hauptbahnhof, hat man Abstellzonen für E-Scooter geschaffen. 

Deutscher Städtetag nimmt Betreiber in die Pflicht

Jüngst kritisierte auch der Deutsche Städtetag den Roller-Wildwuchs und forderte die Betreiber auf, sich um schrottreife und zurückgelassene Scooter zu kümmern. "Wer mit Rollern Geld verdient, ist auch für die Folgen verantwortlich", appellierte der Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Die Bergung und Entsorgung, wenn Roller in Flüsse versenkt oder in Büschen versteckt würden, verursache hohe Kosten, die nicht an den Kommunen hängen bleiben dürften. Aber auch schon wahllos abgestellte oder umgefallene Roller seien auf Bürgersteigen oder öffentlichen Plätzen ein Ärgernis. Man habe bereits 2019 Eckpunkte für einen störungsfreien Betrieb vereinbart und klar geregelt, in welchen Bereichen E-Tretroller gefahren und abgestellt werden dürften.

Laut Statistischem Bundesamt listet 2.155 Unfälle mit Scootern, bei denen Menschen zu Schaden kamen, lediglich 0,8 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden. Fünf Menschen kamen ums Leben, 386 wurden schwer verletzt und 1.907 leicht. In dreiviertel der Fälle waren die E-Scooter-Fahrer*in verantwortlich, oft, weil die Kontrolle über das Fahrzeug verloren wurde. Deutlich häufiger als etwa bei Fahrradunfällen ist zudem Alkohol ein Faktor.

 

Ausbaufähig: Anbindung an ÖPNV und Scooter als Dienstgefährt

Auch die Hoffnung und Versprechen der Anbieter, dass die E-Tretroller die Fahrten mit dem Auto ersetzen würden, hat sich bisher noch immer nicht bewahrheitet, selbst wenn Scooter-Verleiher versuchen, die Anbindung an ÖPNV-Haltestellen zu verbessern. Wie Zeit Online aus einer im August und September 2020 vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mit der Technischen Universität Dresden erstellten, nicht repräsentativen Umfrage unter 1.692 E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer in Berlin und Dresden, bei der zudem 129 Nutzerinnen befragt wurden, gaben drei Viertel der Nutzer gaben an, zu Freizeitzwecken zu fahren, 84 Prozent der Befragten waren Touristinnen und Touristen.

Reine Spaßfahrten machen fast ein Drittel aus

Arbeitswege oder Einkäufe würden nur zwischen drei und fünf Prozent der Fahrten ausmachen und sogar knapp 30 Prozent der Wege sind Zusatzfahrten, die ohne Scooter nicht angefallen wären, sondern zum Spaß stattfanden. Ernüchternd: In nur in vier Prozent der Nutzungen eine Autofahrt und als Alternative zum Fahrrad werde der Scooter ebanfalls selten genutzt (drei Prozent). Fazit der nicht repräsentativen Befragung: Großteils fallen Wege zu Fuß (53 Prozent) und mit dem öffentlichen Nahverkehr (27 Prozent) weg.

"E-Scooter werden vor allem in touristischen Hochburgen genutzt. Der private Besitz kommt kaum in Schwung", meint Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer leitet.

Was bedeutet das?

Böse Zungen behaupten ja: Mikromobilität sei ein anderer Ausdruck für "zu faul zum Laufen". Wenn man die wenigen Daten betrachtet, die es bisher dazu gibt, muss man sagen: Da ist was dran. Jedenfalls scheinen eher bisherige Fußwege ersetzt zu werden - und reine Spaßfahrten ergänzt. In den seltensten Fällen wird eine Autofahrt ersetzt. Und wer ein Fahrrad hat, steigt normalerweise auch eher selten auf einen er "wackeligen" Scooter, einfach auch, weil keine Notwendigkeit besteht.

Dem offenbar eher begrenzten Nutzen steht also ein nicht ganz unbeträchtlicher "Schaden" für die Allgemeinheit gegenüber: Chaotisch abgestellte Scooter werden zum Ärgernis für Fußgänger und erst recht für sehbehinderte Mitmenschen sind die Roller ein echter Graus.

Nach dem Motto "Was sich bewegt, kann man auch werfen", landen die Leichtelektrovehikel mancherorts kurzerhand im Fluss, verursachen gewaltige Bergungskosten und ökologische Schäden, deren Außmaß schwer zu ermessen ist. Statt Entlastung sorgen die neuen E-Mobile für weitere Belastung des ohnehin angespannten Straßenraums in den Städten. Fragwürdig ist auch nach wie vor, wie nachhaltig die Mobile selbst sind: Haltbarkeit, Verteilung, Recycling, da sind erstmal wieder Probleme geschaffen worden, die es vorher nicht gab.

Es ist wie so oft: Die Kommunen haben sich in ein Abenteuer mit offenem Ausgang begeben, getrieben von einem in die Mikromobilität vernarrten Bundesverkehrsminister, der damit offenbar seine sonstige Ideenlosigkeit für eine echte Verkehrswende verschleiern und sich einen modernen Anstrich geben wollte. Man hätte es wissen können, nach dem O-Bike-Debakel mit hunderten von versenkten und "zugerichteten" Billig-Rädern. Aber bei denen lief wenigstens kein Lithium-Akku aus.

Was tun? Die Kommunen müssen wieder die Oberhoheit gewinnen und bestimmen, wo die Roller abgestellt werden dürfen und wie sie genutzt werden. Idealerweise reklamieren die Scooter-Anbieter ja, dass sie auch die Wege zum ÖPNV verknüpfen wollen. Ja, dann müssen eben Abstellanlagen an den Öffi-Haltestellen geschaffen werden, an denen die Roller im besten Fall auch gleich aufgeladen werden, statt umständlich zum Akku-Tausch weitere Verkehre mit Transportern oder anderen Fahrzeugen zu induzieren.

Generell sollte man über das "Free Floating" dringend nachdenken: Für den Nutzer selbst mag das ja bequem sein, aber für die Allgemeinheit ist es einfach nur ärgerlich, wenn die Roller da steht, wo es dem Einzelnen gerade gefällt. Feste Abstell- und Anmietzonen für leichte E-Mobile wären doch schon mal ein Ansatz. Und wer den Roller anmietet, kann ihn dann eben nur da abstellen, am besten gleich gesichert, sodass es zu Vandalismus gar nicht erst kommen kann. Nur dann könnten die E-Fahrzeuge wirklich einen Beitrag zur Entlastung der Städte leisten, wie es stationäre Radverleihsysteme jetzt schon tun. Und ein paar Meter zu laufen, das hat auch noch niemandem geschadet. Denn das ursprünglichste Transportmittel sind die eigenen zwei Beine.

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