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Meinungsbeitrag

E-Fuel-Kompromiss: Willkommen im Neo-Biedermeier der Liberalen!

"Zurück in die Zukunft" oder "die gute alte Verbrennerzeit": (Nicht nur) Die FDP kann nicht loslassen und erpresst von der EU-Kommission unter Risiko der demokratischen Prozesse einen bizarren Kompromiss, der die Vergangenheit um jeden Preis verlängern will. Außer von der E-Fuel-Lobby kommt kaum Zustimmung - und aus der Bevölkerung, der man mit den anhaltenden Debatten die Laune an der E-Mobilität vermiest hat. Derweil geben China-Marken Strom. Was für ein unnötiges Schlamassel.

Freude an der E-Mobilität, das vermitteln aktuell eher chinesiche, koreanische oder kalifornische Marken - findet VM-Redakteur Reichel. Und sieht im "E-Fuel"-Kompromiss ein verheerendes Signal der "Restauration" alter Technologie in Europa. Was soll das? | Foto: HUSS-VERLAG
Freude an der E-Mobilität, das vermitteln aktuell eher chinesiche, koreanische oder kalifornische Marken - findet VM-Redakteur Reichel. Und sieht im "E-Fuel"-Kompromiss ein verheerendes Signal der "Restauration" alter Technologie in Europa. Was soll das? | Foto: HUSS-VERLAG
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Johannes Reichel

Das ist ein Musterbeispiel für einen Pyrrhus-Sieg: Außer aus der gut organisierten E-Fuel-Lobby erntet der Minister eigentlich kaum Zustimmung für seinen "traurigen Triumph", wie es die Kollegen der Süddeutschen Zeitung nannten. Und möglicherweise aus weiten Teilen der Bevölkerung, also ein paar "Populismuspunkte" kann die FDP für sich wohl verbuchen. Zumindest deutet eine Forsa-Umfrage darauf hin, nach der zwei Drittel der Befragten den Verbrennerausstieg 2035 ablehnen. Und die Zustimmung für die E-Mobilität rapide sinkt. Das nächste Auto: Bei einem Drittel gerne ein Benziner! Unfassbar, aber wahr - und das Ergebnis einer permanenten "Miesmache" der E-Mobilität durch die Poltik gerade der sogenannten Fortschrittspartei FDP, die sich nicht nur in dieser Frage schlimmer geriert als die CDU/CSU in ihren retardierendsten GroKo-Zeiten.

Konservativ in einem guten Sinne will man das noch nicht mal nennen, es ist eher "restaurativ" und will zurück in die "gute alte Verbrennerzeit", man fühlt sich fast erinnert an die "Biedermeier-Zeit" des frühen 19. Jahrhunderts. Von wegen "technologieoffen": Die FDP scheint das nur als "offen Richtung Vergangenheit" zu interpretieren. Statt den Deutschen Lust auf wirklich neue Technologie zu machen, vermiest sie ihnen die Laune, repetiert rücksichtlos die Mäkeleien an der angeblich (und in den Städten leider wirklich) mäßigen Ladeinfrastruktur statt eine positive Vision von neuer Mobilität zu entwerfen und die Leute wirklich "mitzunehmen", wie Politiker in Sonntagsreden immer betonen - und zwar in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Diese Partei der Progressivität ist ein einziger Etikettenschwindel.

Ebenso wird betont, man wolle die Autoindustrie schützen. Doch dieser Schutz misslingt gerade geradezu lehrbuchartig, nicht nur, weil selbige in diesem Fall in ihrer Mehrheit gar nicht geschützt werden wollte und von der FDP quasi "zwangsbeglückt" wurde: Zu langes Klammern an einer veralteten und in Sachen Effizienz hoffnungslos unterlegenen Technologie, das ist schon beim Diesel gründlich schief gegangen, die Industrie hat durchaus ihre Lehren gezogen - und außer Nischenanbieter Porsche und in Teilen die M-Power-Fraktion bei BMW sowie einer seltsam späten Allianz aus Renault-Geely-Aramco setzt ernsthaft kein Hersteller auf E-Fuels oder den Verbrenner. Zumal die sonstige Abgas- und Lärmproblematik, die mit E-Fuels ja erhalten bleibt, viel zu wenig thematisiert wurde in der unseligen, vom Zaun gebrochenen Debatte. Denn die Faktenlage ist nun mal so, wie es das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung trocken zusammenfasste, in einem Dossier:

"E-Fuels sind heute noch nicht kommerziell verfügbar. Bisher gibt es weltweit nur sehr wenige Demonstrationsanlagen. Bis 2035 sind derzeit etwa 60 neue E-Fuel-Projekte angekündigt, von denen nur etwa 1 Prozent mit einer finalen Investitionsentscheidung gesichert sind. Alle diese weltweiten Projekte entsprechen zusammen nur etwa 10 % der unverzichtbaren E-Fuel- Bedarfe Deutschlands (Flugverkehr, Schiffsverkehr und Chemie). Die Politik hat mit verpflichtenden Quoten für E-Fuels im Flug- und Schiffsverkehr eine Stellschraube, um den E- Fuel-Markthochlauf zu beschleunigen.

Die chinesischen Hersteller machen uns derweil vor, wie es geht, mit erschwinglichen E-Autos: Der MG4 und MG5 gehen weg wie warme Semmeln, BYD rollt nach dem teureren Atto bald mit dem Dolphin ein 15.000-Euro-E-Auto bei uns vor, der Dacia Spring ist ja eigentlich auch ein Chinese. Und wenn Tesla mit dem Model 2 aus dem Quark kommt, werden die Europäer in die Flügelzange genommen.

Und so kann man genau beobachten, wie das Kaiser-Wilhelm-hafte "Setzen aufs (falsche) Pferd" binnen zehn Jahren die Kräfteverhältnisse massiv verschiebt - und genau das gefährdet, was FDP- und Unions-Politiker hierzulande zu schützen vorgeben: Arbeitsplätze.

Den Schaden hat am Ende vor allem die Umwelt und das Klima, also wir alle, aber eben auch Wirtschaft und die Industrie, die ein klares Signal hätte brauchen können, statt eines fast bizarr konstruierten Hinterzimmer-Kompromisses einer eigenen Klasse von E-Fuel-Autos, dessen finaler Beschluss ja noch nicht mal gesichert ist. Nebenbei hat die FDP die demokratischen Prozesse der EU rücksichtlos demoliert und respektlos angerempelt, als führen Lindnder und Wissing Auto-Scooter auf dem Rummel.

Umso schlimmer wird das ganze Lagebild durch die "hybride" Haltung der SPD und ihres eher beteiligungs- und standpunktlosen Kanzlers Olaf Scholz, die nicht minder "restaurative" Rhetorik der CDU und vor allem CSU, ganz zu schweigen vom "reaktionären" Duktus der sogenannten "Alternative für Deutschland". So wenig "Lust auf Fortschritt", in und außerhalb der "Fortschrittskoalition", das wird schwierig. Wir brauchen ein "race to the top", einen Wettbewerb um die besten Lösungen, nicht ein "stick to the past", ein Geklammere am Alten.

Die FDP und ihr Minister haben sich für bloße Symbolik verkämpft und sind hinter einen (Elektro)Zug gesprungen, der längst abgefahren war. Mit einer Draisine kommt man da jetzt nicht mehr hinterher, ob man mit E-Fuel-Antrieb nachhilft oder nicht. Willkommen, im "Neo-Biedermeier" der Liberalen.

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