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DUH-Protest: Statt Agrosprit die Elektrifizierung fördern

Die NGO moniert angesichts von Lebensmittel-Engpässen die Beimischung von Agrokraftstoffen aus Getreide, Raps & Co zu fossilem Sprit – und fordert mit foodwatch die Regierung auf, die Subventionierung zu beenden. Fünf Prozent der Agroflächen für Sprit. Besser E-Antriebe direkt fördern.

Statt Tank lieber Teller: Vor dem Umweltministerium brachten sich Aktivist*innen von Deutscher Umwelthilfe und foodwatch in Stellung und protestierten gegen die Förderung von Agrosprit. | Foto: DUH/foodwatch
Statt Tank lieber Teller: Vor dem Umweltministerium brachten sich Aktivist*innen von Deutscher Umwelthilfe und foodwatch in Stellung und protestierten gegen die Förderung von Agrosprit. | Foto: DUH/foodwatch
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Johannes Reichel

Gemeinsam mit der Lebensmittel-NGO foodwatch hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit einer Aktion vor dem Bundesumweltministerium gegen die Verwendung von Getreide als Agrokraftstoff in Fahrzeugtanks protestiert. Unter dem Motto "Kein Essen mehr in den Tank" fordern die beiden Organisationen die Bundesregierung auf, die staatliche Förderung von Agrokraftstoffen mit sofortiger Wirkung zu stoppen. Als Grund nennen DUH und foodwatch zum einen, dass die Beimischung von Agrokraftstoffen aus Getreide, Raps & Co. zu fossilem Sprit durch den großen Flächenverbrauch Folgen auf Klima und Biodiversität haben. Zum anderen verweisen sie auf die sich anbahnende Nahrungsmittelkrise aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs.

„Beim Agrokraftstoff ist die Sachlage klar: Es spricht nichts dafür und alles dagegen. Der Anbau von Getreide, Raps & Co. für Sprit verschlingt riesige landwirtschaftliche Flächen und befeuert damit die Klimakrise und das Artensterben. Lebensmittel, die bei uns als Sprit im Tank landen, fehlen zudem andernorts auf den Tellern der Menschen – angesichts einer drohender Nahrungsmittelkrise durch den Ukraine-Krieg ist das unverantwortlich“, appellierte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

In Deutschland würden jährlich etwa 3,4 Millionen Tonnen Getreide und Ölpflanzen in Form von Agrokraftstoffen – also Kraftstoffen auf der Basis von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen – verbrannt, analysiert die NGO. Demnach dienen in Deutschland derzeit knapp 800.000 Hektar und damit fast fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dem Anbau von Pflanzen für Agrokraftstoff. Weitere 1,5 Millionen Hektar Agrarfläche werden zusätzlich im Ausland für die Herstellung von Agrokraftstoff für den deutschen Verbrauch beansprucht, so die NGO weiter. Getreide aus der Ukraine ist die Grundlage für fast 40 Prozent des in Deutschland eingesetzten Agroethanols, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie des ifeu-Instituts im Auftrag der DUH zeige.

"Es ist absolut unverantwortlich, dass tonnenweise Lebensmittel in Autotanks landen - und dieser Irrsinn noch staatlich gefördert wird. Allein in Europa wird täglich Weizen für umgerechnet 15 Mio. Brote verbrannt. Gleichzeitig drohen in Ländern im Nahen Osten und in Afrika katastrophale Hungersnöte. Die Bundesregierung kann und muss jetzt handeln und die schädliche Förderung von Agrokraftstoffen sofort beenden", forderte Saskia Reinbeck von foodwatch.

Der Krieg verschärft die Lage im Lebensmittelsektor weiter

Die Ukraine und Russland gehören zu den weltweit wichtigsten Exporteuren von Nahrungsmitteln. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine bedrohe nun die Verfügbarkeit beispielsweise von Getreide, Raps oder Sonnenblumenöl. Es sei davon auszugehen, dass die Lieferungen für die absehbare Zukunft massiv einbrechen werden. Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen nimmt an, dass die internationalen Nahrungs- und Futtermittelpreise für verschiedene Rohstoffe durch den Ukrainekrieg um bis zu 20 Prozent steigen könnten. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel sind in Deutschland eine Belastung für Menschen mit niedrigem Einkommen. In Ländern im Nahen Osten und in Afrika drohen dramatische Hungersnöte, warnt die NGO weiter.

"Getreide und andere Nahrungs- und Futtermittelpflanzen in Form von Agrokraftstoffen zu verbrennen bedeutet, dass deren Anbauflächen nicht für die Produktion menschlicher Nahrung zur Verfügung stehen. Bei der drohenden Knappheit der Güter verschärft das Nahrungsmittelunsicherheiten und Preisinflation. Nur die staatliche Förderung führt überhaupt dazu, dass Agrokraftstoffe eingesetzt werden", konstatiert die Organisation.

Bei einer aufkommenden Nahrungsmittelknappheit noch Getreide und andere Pflanzen in den Tank zu kippen, hält auch die DUH für völlig inakzeptabel.

"Deshalb fordern wir die Bundesregierung dazu auf, die Förderung von Agrokraftstoffen sofort auszusetzen", appelliert die NGO.

Als Agrokraftstoffe definiert die DUH Kraftstoffe auf Basis pflanzlicher Öle und Fette, die fossilen Kraftstoffen beigemischt werden – von der Bezeichnung „Bio“-Kraftstoffe möchte sich die Umwelt-Organisation nach eigenen Angaben in diesem Zusammenhang bewusst distanzieren. Denn ihrer Meinung zufolge ist für die Produktion von Agrokraftstoffen Fläche notwendig, die andernfalls unter anderem für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung stünde. Dies wiederum führe dazu, dass bislang ungenutzte Flächen, beispielsweise Wälder und Moore (die DUH spricht von CO2-Speichern), in Ackerfläche umgewandelt würden – mit negativen Folgen für Klima und Artenvielfalt, so die Aussage.

Strom für E-Fahrzeuge beansprucht 97 Prozent weniger Fläche als Agrokraftstoff

Die Organisation verweist nicht nur auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Mobilitätswende mit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, der Stärkung des öffentlichen Verkehrs und der Reduzierung von Emissionen, sondern auch auf die europäische Erneuerbare Energien-Richtlinie, welche Vorgaben für den Einsatz von Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen auch im Verkehrssektor beinhaltet. Die Forderung der DUH: Agrokraftstoffe sollen nicht länger als erneuerbarer Kraftstoff im Verkehr angerechnet werden. Gefördert werden sollte die direkte Elektrifizierung als Antriebstechnologie. Bei gleicher Kilometerleistung benötige die Erzeugung von Solarstrom für E-Fahrzeuge 97 Prozent weniger Fläche als Agrokraftstoff. Eine durch den geforderten Ausstieg aus Agrokraftstoffen erzielte Flächenentlastung solle dafür genutzt werden, geeignete Flächen für Renaturierung zur Verfügung zu stellen. Fruchtbares Ackerland sollte der DUH zufolge für naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert werden.

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