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Der schwere Fernverkehr wird elektrisch: Zuerst in Skandinavien

Die Elektromobilität kommt auch im schweren Fernverkehr bei Bus und Lkw und sie wird aller Voraussicht nach in Skandinavien starten. Darauf deutet ein „Round Table“ bei der Traton-Tochter MAN hin, welche die Aussagen von Volvo Trucks stützt. Auch die letzten Mitteilungen von Daimler und Daf Trucks deuten einen baldigen Start der E-Mobilität im Truck an.  

Auch schwere Lkw werden künftig elektrisch unterwegs sein - zuerst im winterlichen Skandinavien. | Foto: Daimler Trucks
Auch schwere Lkw werden künftig elektrisch unterwegs sein - zuerst im winterlichen Skandinavien. | Foto: Daimler Trucks
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Gregor Soller

Volvo Trucks konnte nach eigenen Angaben 2022 bereits 4.300 elektrische Lkw absetzen und das längst nicht mehr nur im Verteilerverkehr: Seit Dezember 2022 liefert Volvo Trucks schrittweise die Modelle Volvo FH Electric, Volvo FM Electric und Volvo FMX Electric auch in Deutschland aus. Das Unternehmen ist der einzige Lkw-Hersteller weltweit, der bereits heute sechs verschiedene Elektro-Lkw Modelle in Serie anbietet und ist in Europa und den USA nach eigenen Angaben Marktführer bei schweren Elektro-Lkw. Die Elektro-Lkw von Volvo Trucks decken viele verschiedene Transportbedürfnisse ab, vom städtischen Verteilerverkehr und der Müllentsorgung bis hin zum Regional- und Bauverkehr. Daf Trucks möchte demnächst in Eindhoven mit der Montage seiner schweren Stromer beginnen.

Auch Scania treibt die Elektrifizierung voran und hat mittlerweile einen kompletten Eklektro-Baukasten am Start, ähnlich wie die übrigen Lkw-Hersteller, die 2022 alle ihre schweren Elektro-Lkw zumindest präsentiert haben. So auch MAN, wo man 2024 in Serie gehen will. Bei einem Round Table erläuterte MAN-CEO die nächsten Schritte in die Elektromobilität. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Megacharging-Netzwerk bis 2025 an Hauptverkehrsachsen steht, woran man gemeinsam mit Daimler Trucks und Volvo Trucks arbeitet.

Early adopter wird einmal mehr Skandinavien sein. Wie gesagt, Volvo und Scania liefern bereits schwere elektrische Lkw, während man bei MAN seit 2019 rund 2.200 e-TGE an den Mann brachte: Den Van, der auf dem elektrischen VW Crafter basiert und für den VW nach der Einstellung dessen Produktion aktuell keinen Nachfolger hat.

MAN: Stark bei Stadtbussen – der Lkw ist in Planung und VW muss zügig E-Vans klar kriegen

Besser sieht es bei den MAN Bussen aus: Dort konnten seit 2020 gut 1.000 elektrische Lions City-Stadtbusse an Kunden übergeben werden. Die Lkw sollen ab 2024 endlich soweit sein und deshalb treibt MAN das Geschäft vor allem in Skandinavien voran. Dieser Region attestiert Vlaskamp aktuell „drei bis vier Jahre“ Vorsprung im Omnibusbereich und führt dazu mehrere Projekte an, auch wenn er diese Zahl grundsätzlich nur ungern nennt, da in praktisch allen Ländern Europas ein Aufbruch festzustellen sein, interessantereise stark auch in Spanien – allerdings eher regional im Stadtbusbereich. Aber so konzertiert, wie das auch mit dem Ladeinfrastrukturausbau klappe, finde das sonst noch nicht statt.

„Das Lkw-Geschäft läuft nicht mehr wie früher: Da kam eine Beschreibung, welche Emissionsvorschriften wie erfüllt werden müssen und dann entwickelte man entsprechend. Jetzt hängt das Powergrid mit dran und muss in der Infrastruktur berücksichtigt werden. In Skandinavien geht das schon gut Hand-in-Hand.“

Wie viel Strom es braucht, um Europas Fernverkehr elektrisiert zu bekommen, hat MAN auch schon ausgerechnet: Wenn bis 2030 rund 50 Prozent aller Lkw elektrisch liefen, würde das 350.000 Fahrzeuge bedeuten respektive einen Strombedarf von 35 Terawattstunden im Jahr, wozu man 6.000 Windräder oder 17.500 Ladepunkte bräuchte. Dazu kämen rund 13.000 Busse, die 2030 zu 95 Prozent elektrisch laufen könnten, wozu man nochmal eine Terawattstunde Strom mit 200 Windrädern erzeugen müsste.

Milance: das Ladenetz von Traton, Daimler Trucks und Volvo Trucks

Und nachdem man von Tesla gelernt hat, dass es sinnvoll ist, die Ladeinfrastruktur mitzudenken respektive –planen, möchte man das im Verbund mit Daimler und Volvo Trucks tun: Das Gemeinschaftsunternehmen Milance soll 1.700 Ladepunkte an den europäischen Hauptverkehrsachsen schaffen. Fahrzeiten, Laden, Tanken, Waschen, Service – all das soll im Idealfall dann auch wunderbar digital ineinandergreifen, denn auch hier ist Vlaskamp sicher: Die digitalen Services werden wichtiger und könnten künftig mehr das Zünglein an der Waage sein, wenn es darum geht, mit seinem Produkt beim Kunden zu punkten.

Daimler testet aktuell selbst Winter in Skandinavien: Zuletzt schickte man einen batterieelektrischen schweren Verteiler-Lkw vom Polarkreis nach Stuttgart: Auf einer so langen Strecke wird der Mercedes-Benz eActros 300 als Sattelzugmaschine in Zukunft zwar eher nicht von Kunden eingesetzt werden. Aber um den Lkw mehrere Tage lang am Stück unter den unterschiedlichsten klimatischen und topographischen Bedingungen im Realbetrieb prüfen zu können, ist eine solche (Tor)Tour für die Entwickler die beste Gelegenheit, um daraus Maßnahmen für mögliche Optimierungen der Funktionen und Systeme abzuleiten. Die Experten von Mercedes-Benz Trucks haben die rund 3.000 Kilometer im März 2023 mit einem seriennahen Prototyp des eActros 300 als Sattelzugmaschine zurückgelegt. Sein Serienstart ist für den Herbst 2023 vorgesehen.

Der Wettbewerb schläft nicht: BYD liefert immer mehr Elektrobus-Fahrgestelle in die EU

Den Europäer sitzen neue Wettbewerber im Nacken: BYD rollt gerade weltweit den Markt für Omnibusse und deren Fahrgestelle auf. Außerdem suchen und finden die Chinesen sich auch für Elektro-Lkw neue Nischen, zum Beispiel in US-Hafenverkehren – vornehmlich dort, wo preisgünstige, nicht zu lange Verteilerverkehre gefragt sind. Gleiches gilt für die SAIC-Tochter Maxus, die sich mit ihren Elektrovans gern als Zweitmarke bei Mercedes-Benz-Van-Partnern breit macht.

Dass das alles klappen kann und in Skandinavien schneller geht als in anderen Ländern, zweifelt Malte Kauert, Direktor MAN Truck&Bus Nordics nicht an: Dänemark hat ein ehrgeiziges Infrastrukturprojekt aufgelegt und baut an seiner Westküste gerade einen der größten Windparks Europas. Weshalb er sicher ist: Skandinavien ist der Vorreitermarkt in Europa. Weshalb Vlaskamp auch so ehrlich ist, zwischen den Zeilen eher schnell als irgendwann einen e-TGE 2.0 von Mutter VW zu fordern.

Was bedeutet das?

Einige europäischen Hersteller sind spät, aber (noch) nicht zu spät dran mit der Elektrifizierzung seiner Palette. Die Technik steht – so aber auch das Fragezeichen hinter dem nötigen Infrastrukturausbau, den das großzügige Ausrollen der E-Mobilität bedingt. Und während MAN bei Bus und Lkw das Heft in der Hand und gut im Griff hat, brennt es bei den Elektro-Vans: Der e-TGE wird nicht mehr gebaut und ALLE Hersteller außer Mutter VW haben mittlerweile elektrische 3,5-Tonner im Angebot. Weshalb der passabel gestartete TGE hier dringend ein motoirisches Update benötigt. Doch den Crafter-Nachfolger muss VW erst mit Ford ausdiskutieren oder klarmachen. Und zum Thema „Technologieoffenheit“ glaubt MAN-CEO Vlaskamp eher nicht an die Brennstoffzelle, Wasserstoffmotoren oder E-Fuels. MAN hat das zwar im Test, aber wahre Begeisterung fürs Thema hätte anders geklungen. Was die Modellanläufe der anderen Hersteller untermauern: Auch hier kommen die Stromer vor den Brennstoffzellen. 

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