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Meinungsbeitrag

Der doppelte China-Schock

Die chinesischen Autobauer nehmen die restliche Automobilwelt der Welt in einen Zangenangriff. Was das bedeutet, lesen Sie in unserem Meinungsbeitrag.

Mit voller Power sollten westliche Autoproduzenten ihre Produktportfolios elektrifizieren, um sich gegenüber der chinesischen Konkurrenz auch in Zukunft behaupten zu können. (Foto: Pixabay)
Mit voller Power sollten westliche Autoproduzenten ihre Produktportfolios elektrifizieren, um sich gegenüber der chinesischen Konkurrenz auch in Zukunft behaupten zu können. (Foto: Pixabay)
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Claus Bünnagel

Die nächsten drei Jahre dürften entscheidend dafür werden, wie die automobile Fahrzeughersteller- und Produktwelt künftig aussehen wird. Wesentliches Element dabei: die chinesische Automobilindustrie. Sie ist längst zu einem wichtigen globalen Faktor geworden und emanzipiert sich mehr und mehr vom Heimatmarkt. Dabei sind es zwei Entwicklungen im engen Zusammenhang mit dem Reich der Mitte, die vielen Automobilherstellern weltweit zum Verhängnis werden könnten.

Erstens: Chinas Automobilmarkt im rapiden Wandel

Die Zeiten sind definitiv vorbei, in denen gerade deutsche Automobilhersteller bis zu 40 % ihrer Jahresproduktion in China verkaufen konnten. Heute dominieren die einheimischen Produzenten und Tesla den dortigen Markt. Und noch ein Aspekt kommt für die ausländischen Konzerne im Reich der Mitte erschwerend hinzu: So wie China schon seit einiger Zeit der größte Markt für Erneuerbare Energien ist – mehr als 50 % etwa der jährlich global produzierten Solarpaneele werden dort installiert –, so setzt das Land heute voll auf die Karte Elektromobilität. BYD-Chef Wang Chuanfu verkündete kürzlich, dass die Marktdurchdringungsrate von elektrifizierten Fahrzeugen – also hybride und vollelektrische Autos, wobei letztere das deutliche Gros bilden – kürzlich einen Wert von 48,2 % erreicht habe. Er prognostizierte, dass die 50-%-Marke schon in den nächsten drei Montagen fallen wird.

Was bedeutet das für den Rest der automobilen Welt? Einnahmen auf dem chinesischen Markt gerade aus dem Verkauf teurer Verbrenner, aber auch neuer E-Modelle, die viele Hersteller für die teuren, aber unumgänglichen Investitionen in ihr elektromobiles Portfolio vorgesehen haben, könnten schneller in sich zusammensacken als geplant. Sie fehlen dann beim nötigen Umbau der Produktionsstandorte und Modelllinien. Wenig Sinn macht es, in den in China tobenden Preiskrieg einzusteigen, wo viele batterieelektrische Kompaktwagen und -SUV mittlerweile zu Preisen zwischen 15.000 und 25.000 Euro zu haben sind. Daher ist davon auszugehen, dass Hersteller von VW bis Toyota weiter massiv Marktanteile in China einbüßen werden.

Zweitens: Chinas technologischer Vorsprung und der Angriff auf die Weltmärkte

Die Welt dürstet nach bezahlbaren E-Autos. Was Hersteller wie VW, Hyundai und Tesla bislang nur angekündigt und mitunter bereits in die mittelfristige Zukunft verschoben haben, nämlich batterieelektrische Fahrzeuge im Preissegment zwischen 20.000 und 25.000 Dollar auf wichtigen Märkten wie den USA und Europa anzubieten, könnten die chinesischen Autoproduzenten schon binnen ein oder zwei Jahren umsetzen. Ein Fahrzeug wie der BYD Dolphin dürfte dabei nur den Anfang bilden – noch günstigere Modelle werden folgen, die gleichzeitig alltagstaugliche Reichweiten bieten.

Doch selbst in höherpreisigen Fahrzeugkategorien können die Unterschiede bei den Anschaffungskosten signifikant sein. So hat die deutsch-österreichische Fachzeitschrift „elektroautomobil“ kürzlich die beiden klassischen SUV’s Hyundai Kona und BYD Atto 3 miteinander verglichen. In den meisten Kategorien schneidet der Koreaner dabei geringfügig besser ab als der Chinese. Die große Frage dürfte allerdings sein, ob der Kunde für dieses kleine Technikplus des Hyundais (55.490 Euro) gegenüber dem BYD (39.990 Euro) bereit ist, 15.500 Euro – also den Preis eines konventionellen Kleinwagens – mehr auszugeben.

Um die heimische Automobilwirtschaft zu schützen, könnte die EU mit Importzöllen reagieren. Doch längst bereiten sich die chinesischen Hersteller darauf vor, auch in Europa zu produzieren. BYD beispielsweise werden solche Ambitionen in Ungarn nachgesagt, wo der chinesische Konzern bereits E-Busse baut.

Aber selbst ohne Standorte in Europa und damit möglich einhergehender Zölle kann die chinesische Automobilwirtschaft wettbewerbsfähig auf dem hiesigen Markt sein. Denn groß ist in manchen Sektoren bereits der technologische Vorsprung, z.B. in den Bereichen Software und Entertainment sowie bei den Batterien. Viele Unternehmen haben wie Tesla auf vertikale Integration gesetzt, führen wie z.B. BYD eigene Akkus im Sortiment oder pflegen enge Kontakte zu Batterieproduzenten wie Weltmarktführer CATL.

Und es könnte noch dicker kommen für die etablierten Automobilhersteller weltweit. Denn hatte man noch vor Jahren geglaubt, Marktgrößen wie Toyota könnten die nächste Generation von Batterietypen auf den Markt bringen, so mehren sich nun die Zeichen, dass diese im Reich der Mitte ihren Ursprung haben dürfte. So hat in der vergangenen Woche IM Motors, eine Tochtergesellschaft von SAIC, die sich auf E-Autos spezialisiert hat, angekündigt, den IM L6 mit 130 kWh Batteriekapazität auf den Markt einzuführen. Neben einer 900-V-Hochvoltplattform für schnelles Laden soll das Fahrzeug eine Festkörperbatterie mit nanoskaligen Festkörperelektrolyten besitzen, die vermutlich vom SAIC-Partner QingTao Energy Development stammt. Auch Nio hat bereits einen Ausblick auf eine 150-kWh-Solid-State-Batterie gegeben, die im Nio ET7 zum Einsatz kommen soll. Verbaut sind Zellen vom Startup Beijing WeLion New Energy Technology, das im Juni 2023 mit der Lieferung von Lithium-Ionen-Batteriezellen mit einer Dichte von 360 Wh/kg begonnen hat.

Was bedeutet das?

Die Zeit dürfte die traditionelle Automobilwelt allmählich auslaufen, in der das etablierte Geschäft mit Verbrennern und Hybridautos florierte und hohe Gewinne garantierte. Wer in den nächsten Jahren außerhalb von Nischen wie dem Oberklasse- und Luxussegment keine massentauglichen Produkte zu günstigen Preisen anbieten kann, dürfte es schwer haben gegen die Konkurrenz aus Fernost, selbst auf den angestammten Märkten wie Europa oder den USA. Transport & Environment (T&E) prognostiziert in einer jüngsten Analyse, dass bereits 2024 voraussichtlich ein Viertel (25 %) der in Europa verkauften Elektroautos in China hergestellt werden wird – wenn auch nicht alle von chinesischen Produzenten. Im vergangenen Jahr lag der Anteil europaweit bereits bei fast einem Fünftel (19,5 %), in Deutschland waren es 15 %.

Eine neue Zeitordnung scheint angebrochen. Nicht zuletzt die deutsche Automobilwirtschaft sollte sich auf fernöstlichen Gegenwind einstellen und konsequent auf die Karte Elektromobilität setzen – und zwar batterieelektrische. Träume von Brennstoffzellenautos oder eFuels sollten ganz tief in den Schubladen verschwinden und Platz machen für die volle Konzentration auf reichweitenstarke, kostengünstige E-Autos vor allem im Kleinwagen-, und Kompakt- und Mittelklasse- sowie Van-Segment. Denn hier dürfte die Schlacht der Zukunft geschlagen werden – zu gesättigt erscheinen bereits die Segmente Obere Mittelklasse und SUV. Es ist nicht zu spät, der Konkurrenz aus China starken Widerstand entgegenzubringen. Viele Fehler darf man sich dabei aber nicht mehr erlauben.

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