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Meinungsbeitrag

Denkfallen - Teil 11: Die Pawlow-Falle

Warum wir alle wie "Pawlowsche Hunde" sind und uns ständig konditionieren lassen.

Hunderte von Konditionierungsfallen sieht Christoph Erni - und hält uns allen den Spiegel vor. | Foto: Juice
Hunderte von Konditionierungsfallen sieht Christoph Erni - und hält uns allen den Spiegel vor. | Foto: Juice
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Iwan Petrowitsch Pawlow hat einen Nobelpreis dafür bekommen, dass er bemerkt und bewiesen hat, dass Hunde schon Speichelfluss bekommen, wenn sie die Schritte des Herrn hören. Ganz offensichtlich, so folgerte er, waren der Klang und die danach stets folgende Fütterung im Kopf der Tiere miteinander verknüpft. In der Folge bewies er, dass fast beliebige Konditionierungen möglich sind, etwa indem er beim Vorsetzen des Futternapfes mit einem Glöcklein klingelte. Nach wenigen Tagen reichte das Gebimmel allein und der Hund begann zu sabbern.

Klingt lustig, aber die Tragik kommt sofort: Wir alle sind kein bisschen besser als die Pawlowschen Hunde. Nur zu leicht tappen wir alle in Hunderte Konditionierungs-Fallen. Falsche Verknüpfungen führen zu falschem Verhalten. Ein paar einfache Beispiele:

Fast jedes Kind hat sich schon einmal an einer Lieblingsspeise überessen. Das folgende Gefühl der Übelkeit ist danach leider irrtümlich mit dem Gericht verknüpft statt mit der Menge.

Fast jeder denkt bei „Ferien“ nicht an Erholung. Dafür aber an ferne, mühsam zu erreichende Strände. Die Werbung hat es geschafft, das Wort mit Begehrlichkeiten zu verbinden, die meist fernab vom ureigenen Zweck des Urlaubs liegen.

Fast alle schaudert's beim Surren des Zahnarztbohrers, selbst wenn es nur die Reinigungsbürste der Dentalhygienikerin ist. Außer jene natürlich, die noch nie ein Loch füllen lassen mussten. Denn bei diesen ist der Ton noch nicht mit Schmerz verknüpft.

Der Quatsch mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum

So weit, so klar. Aber haben Sie schon mal überlegt, dass falsche Konditionierung noch viel weiter geht? So hat nämlich der Foodwaste um 500% zugenommen, seit Mindesthaltbarkeitsdaten auf Lebensmittelverpackungen gedruckt werden. Leute, ein Joghurt ist ja gerade dafür erfunden worden, damit die gesäuerte Milch fast ewig überlebt. Wenn sich der Deckel nicht aufbläst und es keinen Schimmelflaum hat, ist es einwandfrei, auch ein halbes Jahr über das Datum hinaus. Aber der Hund in uns neigt dazu, alles wegzuwerfen, was „abgelaufen“ ist.

Aber nicht nur Programmierung funktioniert, sondern auch Umprogrammierung. Noch vor wenigen Jahren galt die Gleichung „Ei = Cholesterin = tot“. Wie wurde ich angeraunt, wenn ich mir ein in feiner Butter schwimmendes Spiegelei gönnte. Seit kurzem hat die Konditionierung der Medien umgeschlagen. Plötzlich sind Eier Superfood geworden und es wird nach gutem und schlechtem Cholesterin unterschieden. Wie werde ich nun angeraunt, wenn ich nur ein Ei aufs Mal esse.

Was nützt das im täglichen Leben?

Es gibt zum Glück auch positive Konditionierung. Wer clever ist, kultiviert gerade diese und macht sein Leben besser. Zum Beispiel:

Fast alle kennen einen Song, der bei ihnen endlos Endorphine ausschüttet. Natürlich, weil diese beim ersten Mal hören aus anderem Grund schon im Blut schwammen. Gönnen Sie sich mal ein paar Takte Ihrer Lieblingsmelodie vor einer schwierigen Sitzung und beobachten Sie Ihre freigesetzten Bärenkräfte.

Was bedeutet das?

Probieren Sie das mal aus: Belohnen Sie sich nach guten Leistungen selbst! Eigentlich ist egal, womit. Ein Glas Wasser ist so gut wie ein Feierabenddrink. Ein Blick auf die Webcam Ihres Lieblingssees tut es genauso wie ein kurzer Waldspaziergang. Entscheidend ist, dass Sie es rasch nach Ihrem Erfolg tun und dass Sie dabei den erfreulichen Abschluss der Aufgabe genießen. Denn schon nach wenigen solchen Ritualen passiert etwas Unglaubliches: Der Pawlowsche Hund in Ihnen überträgt die Siegesfreude auf die Arbeit selbst. Während Sie noch am Rackern sind, fließen schon die Glückshormone. Passen Sie nur auf, dass Sie dabei nicht zu sabbern beginnen.

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