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Deloitte-Studie prognostiziert Anhalten der Lieferkettenprobleme

Die Automobilindustrie durchläuft derzeit den wohl tiefgreifendsten Transformationsprozess ihrer Geschichte. Auf ihrem Weg hin zu Elektromobilität und digitalen Geschäftsmodellen kämpft die Branche seit vielen Monaten zudem mit massiven Knappheiten bei Halbleitern.

Mit Lieferkettenproblemen hat die Automobilindustrie laut der aktuellen Studie von Deloitte besonders zu kämpfen.| Foto: Thomas Kanzler
Mit Lieferkettenproblemen hat die Automobilindustrie laut der aktuellen Studie von Deloitte besonders zu kämpfen.| Foto: Thomas Kanzler
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Thomas Kanzler

Deloitte Touche Tohmatsu Limited ist ein internationales Unternehmen und erbringt Dienstleistungen unter anderem in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Risikobewertung. Regelmäßig veröffentlicht Deloitte Studien zu verschiedenen Themen. In der aktuellen Studie zu den Lieferketten der Automobilindustrie kamen die Wirtschaftsprüfer zu ernüchternden Ergebnissen.

CFOs rechnen mit längerfristigen Lieferkettenproblemen

Hersteller und Zulieferer mussten bereits lange Produktionsstillstände hinnehmen, nun verschärft der Krieg in der Ukraine die Situation noch weiter. Die aktuellen Engpässe werden die Branche absehbar noch lange beschäftigen. 58 Prozent der von Deloitte befragten Finanzvorstände von OEMs und Zulieferern rechnen mit Lieferkettenproblemen bis Mitte 2023.

Ein Themenschwerpunkt des aktuellen Deloitte CFO-Survey sind die Lieferkettenproblem ein verschiedenen europäischen Industrien. Grundlage der vorliegenden Analyse bilden die Rückmeldungen von 46 befragten Finanzvorständen aus dem Automobilsektor. Branchenübergreifend teilten insgesamt 1.260 CFOs ihre Einschätzungen zur wirtschaftlichen Lage.

Krieg und Pandemie sind unberechenbar

Die für die Automobilindustrie erhobenen Daten lassen keinen Zweifel aufkommen: Die durch Krieg und Pandemie verursachten Werksschließungen – vor allem in China - sowie die anhaltende Halbleiterknappheit führen zu massiven Lieferverzögerungen. 62 Prozent der Automotive-CFOs gaben an, ihr Unternehmen sei von Lieferkettenproblemen in einem hohen Umfang betroffen. Der Unterschied zum Branchendurchschnitt ist enorm, hier liegt der Anteil bei nur 21 Prozent. Auch eine andere Zahl illustriert die angespannte Situation in der Automobilbranche: Industrieübergreifend sind 40 Prozent der Unternehmen überhaupt nicht oder nur in geringem Maße mit Lieferkettenproblemen konfrontiert, im Automobilsektor sind es gerade einmal zwei Prozent. Der Vergleich belegt: Die Automobilindustrie ist nach Wahrnehmung der Finanzvorstände eindeutig die am stärksten von Lieferkettenproblemen betroffene Branche.

Rückkehr zur Normalität 2023?

Es bleibt ungewiss, wann sich die angespannte Lieferketten-Situation normalisieren wird. Im Gegensatz zu anderen Sektoren erwartet kaum ein CFO aus der Automobilindustrie eine Erholung vor Ende 2022. Fast drei Viertel sehen eine Stabilisierung der Lage erst im Laufe des kommenden Jahres.  Daher bereiten sich die Unternehmen der Autobranche darauf vor, sich noch mindestens ein Jahr lang mit Lieferkettenproblemen beschäftigen zu müssen. Die meisten Finanzvorstände sind immerhin zuversichtlich, dass die Lieferschwierigkeiten nicht ins übernächste Jahr reichen werden: Nur 16 Prozent der teilnehmenden CFOs erwarten die Rückkehr zu funktionierenden Lieferketten erst im Jahr 2024 oder später.

Höhere Ausgaben: Das wahrgenommene Kernproblem

Neben den Engpässen bei Halbleitern haben der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland und Restriktionen in China im Rahmen der dortigen Null-Covid-Strategie zu einer Erhöhung der Preise von Rohstoffen und Zwischenprodukten geführt. 66 Prozent der befragten CFOs aus der europäischen Automobilbranche führen an, dass höhere Preise für ihr Unternehmen das Hauptproblem in der Lieferkette darstellen. Industrieübergreifend liegt dieser Anteil um 23 Prozentpunkte niedriger. Auch gestiegene Transportkosten werden als relevantes Problem von deutlich mehr als die Hälfte der Finanzchefs (58 Prozent) wahrgenommen. Lieferunterbrechungen bei wichtigen Komponenten (z. B. Kabelbäumen), Rohstoffengpässe (insbesondere Palladium, Platin und Nickel) und Energiepreisspitzen haben verzögerte Lieferungen von Zwischenprodukten zur Folge. Dies nehmen 49 Prozent der befragten Automotive-CFOs in ihren Unternehmen als problematisch wahr. Die Probleme in den Lieferketten werden daher als vielschichtig wahrgenommen und dürften sich nach Angaben der CFOs potenziell mittel- oder sogar langfristig auswirken.

Vorräte und Diversifizierung

Da Probleme in der Supply Chain nicht neu sind, haben viele Unternehmen bereits in der Vergangenheit an Lösungen gearbeitet. Zahlreiche Komponenten und Rohstoffe sind kurzfristig nur schwer zu ersetzen, wie z.B. die in der Ukraine hergestellten Kabelbäume oder das russische Palladium. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, die Risiken zu minimieren. So halten es 56 Prozent aller befragten CFOs aus der Branche für wichtig, die eigenen Bestände an Teilen und Zubehör zu erhöhen. Knapp mehr als die Hälfte (51 Prozent) sind der Meinung, die Diversifizierung von Lieferanten und Vertriebswegen wäre der richtige Weg für die Zukunft. Beispielsweise wollen große Automobilhersteller in den nächsten Jahren Chips mitentwickeln und direkte, strategische und langfristige Beziehungen zu Chip-Produzenten aufbauen, während sie auf der anderen Seite die Praxis der Just-in-Time-Bestandsverwaltung aufgeben. Darüber hinaus werden Stress- und Szenariotests sowie die Nutzung digitaler Tools als wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung der Lieferkettenproblemen wahrgenommen.

Neugestaltung der Lieferketten erforderlich

Der Automobilmarkt liegt derzeit noch weit unter dem Niveau von vor der Pandemie. Auch wenn sich die Halbleiterknappheit in der zweiten Jahreshälfte entspannen würde, hätte die globale wirtschaftliche Unsicherheit u.a. aufgrund des Krieges in der Ukraine und starker Inflation immer noch das Potenzial für eine nachhaltigere Eintrübung bei Fahrzeugverkäufen. Die befragten CFOs sind sich dessen bewusst, ihre Einschätzungen zeigen eine durchaus skeptische Wahrnehmung, aber auch ein respektables Aktivitätsniveau.

Eine Neugestaltung der Lieferantenbeziehungen durch verstärkte Allianzen entlang der Lieferketten ist bereits im Gange. Dies wird absehbar zu einer besseren Zusammenarbeit und einem optimierten Risikomanagement zwischen OEMs, Zulieferern und Technologieunternehmen führen. So werden zusätzliche Transparenz und Interaktion entlang der Supply Chains sichergestellt, was schlussendlich zu effektiveren Lieferketten führt. Zusätzlich investieren Automobilunternehmen in Designkompetenzen und die Eigenproduktion von Schlüsselkomponenten wie Chips, um eine bessere Kontrolle über die Lagerbestände zu erlangen und ihre eigene Position in künftigen Ökosystemen zu stärken.

Was bedeutet das?

Ob und wie eine hohe Fahrzeugnachfrage gedeckt werden kann, wird auch davon abhängen, wie konsequent die Automobilunternehmen auf bestehende Probleme in der Lieferkette reagieren. Die aktuellen Probleme können dabei durchaus als Chance verstanden werden, um sich resilienter gegenüber künftigen Lieferengpässen aufzustellen. OEMs und Zulieferer werden dann sogar gestärkt aus den aktuell schwierigen Zeiten hervorgehen.

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