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DECOMM 2022: Wie München die Mobilitätswende schaffen will

Die Landeshauptstadt als Gastgeber der Deutschen Konferenz für Mobilitätsmanagement will ein Beispiel geben, wie die Wende mit einem großangelegten Gesamtplan gelingen soll. Das sei vor allem auch durch den Klimawandel geboten und gelinge nur, wenn man das hohe Pkw-Aufkommen reduziert, meint der Mobilitätsreferent. Neben dem Umweltverbund setzt er als Alternative auf "geteilte, vernetze und multimodale" Mobilität, sodass das (eigene) Auto überflüssig wird.

Dreiklang: Geteilte, vernetzte und multimodale Mobilität propagierte Münchens Mobilitätsreferent Georg Dunkel auf der DECOMM in der Technischen Universität. | Foto: J. Reichel
Dreiklang: Geteilte, vernetzte und multimodale Mobilität propagierte Münchens Mobilitätsreferent Georg Dunkel auf der DECOMM in der Technischen Universität. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Es ist ein schwieriger Pfad, aber er ist alternativlos - so beschreibt Münchens Mobilitätsreferent Georg Dunkel den Weg zur Verkehrswende, auf den sich die Landeshauptstadt unter seiner Streckenführung gemacht hat. Seit Oktober 2020 ist der parteilose Verkehrs- und Mobilitätsfachmann, der zuvor die Abteilung Verkehrsplanung im Planungsreferat geleitet hatte, im Amt. Und hat einen großen Wendeplan mit nicht weniger als 19 Unterstrategien entworfen, dank dessen es bis 2035 gelingen soll, die autoverliebte bayerische Metropole in eine weniger auto-, aber noch immer sehr mobile, im Sektor klimaneutrale Millionenstadt zu verwandeln.

Die "Mobilitätsstrategie 2035" trägt den sinnfälligen Untertitel "Münchens Fahrplan für die Verkehrswende", soll der Kompass auf diesem Weg sein und Dunkel macht keinen Hehl daraus, dass man in vielen Bereichen noch weit von diesem großen Ziel entfernt ist. Er erwähnt die 800.000 Autos, die auf Münchens Straßen zugelassen und großteils auch abgestellt sind, die aber im Schnitt 23 Stunden am Tag nur parken und von denen maximal zehn Prozent jemals gleichzeitig genutzt werden. Das Auto sei nun mal von der Flächen- und Ressourceneffizienz auf dem letzten Platz in der Reihe der Mobilitätsmittel, weit hinter Fuß- und Radverkehr und dem ÖPNV. Der Pkw sprich motorisierte Individualverkehr (MIV) liege im Modal Split aber speziell auch bei etwas längeren Strecken noch immer weit in Front, was zugleich aber das Potenzial des ÖPNV andeute.

Für Dunkel überhaupt der Schlüssel für die Wende: Den gigantischen Autobestand zu reduzieren, den Bürger*innen zugleich aber Alternativen anzubieten, die sie mindestens ebenso mobil halten. Und die zugleich den Anforderungen des Klimawandels und an eine klimaresiliente Stadt gerecht werden: Denn das, so meint Dunkel, schwebt über allen Bemühungen und mache den Wandel zur blanken Notwendigkeit. Es gehe um jeden Baum, der gepflanzt wird, es gehe um die Entsiegelung von Flächen und Parkplätzen.  

Metropole in Konkurrenz: Hohe Erreichbarkeit ist Wirtschaftsfaktor 

Klar ist für den Verkehrsfachmann aber auch: München muss als Metropole im internationalen Wettbewerb ein hohes Niveau an Mobilität und Erreichbarkeit sicherstellen, Personen und Güter müssen schnell von A nach B befördert werden. Und, es klingt nach Quadratur des Kreises, dennoch sollen die Straßen nicht mehr nur Durchfahrts-, sondern eben auch Aufenthaltsräume mit höherer Lebensqualität für die Anwohner*innen werden. Öffentliche Flächen seien knapp, es gelte, diese deutlich effizienter zu nutzen. Die Verkehrswende sei nur mit dem Umweltverbund möglich sowie mit geteilter, vernetzter und multimodaler Mobilität, ist Dunkel überzeugt. 

Ambitionen an der Isar: 80 Prozent emissionsfrei bis 2025

Als ohnehin schon anspruchsvolles Zwischenziel hat sich die Bayern-Metropole bis 2025 einen 80-Prozent-Anteil des Umweltverbunds gesteckt, wobei man auch die bis dahin hoffentlich deutlich zahlreicheren emissionsfreien Fahrzeuge dazuzählt. Das Zwischenziel müsse gegebenenfalls noch einmal angepasst werden, konzedierte Dunkel. "Ist das realistisch", fragte Dunkel rhetorisch. Um sich selbst die Antwort zu geben: Es ist ambitioniert, aber es muss gemacht werden. Er verwies auf das Beispiel Zürichs, wo man von 2000 bis 2015 den Anteil des MIV von einst satten 40 auf 25 Prozent gedrückt hat, zugleich den ÖPNV von damals schon guten 30 Prozent auf 41 Prozent steigerte und sogar die Radfahrquote von mauen vier auf noch immer ausbaufähige acht Prozent steigerte.

Ein Drittel Automobile Pragmatiker: Potenzial für Umstieg

Was ihm zudem Hoffnung macht, sind Befragungen unter Autobesitzern von KIT und BMW, bei denen sich ein Drittel als "Automobile Pragmatiker" ("Braucht und will keins") herauskristallisierten, an die Dunkel besonders adressieren will. Er sieht speziell hier eine große Bereitschaft, auf das (eigene) Auto zu verzichten gegenüber den ebenfalls 33 Prozent der "Überzeugten Autonutzer" (Braucht und will eins") und den "Autoaffinen Pragmatikern", die eigentlich kein Auto brauchen, aber eines wollen. Da sind die 9 Prozent "Auto Captives", die keines wollen, es aber einfach brauchen, fast zu vernachlässigen.

Sympathie für 9-Euro-Ticket, aber Gefahr für Finanzierung des Umbaus

Einen entscheidenden Baustein sieht Dunkel im Ausbau des ÖPNV, der in einem groß angelegten Nahverkehrsplan dargelegt ist, mit mehr Bus, Tram und S-Bahn. Wobei letztere gerade ins Stocken geraten ist durch die gewaltige Verzögerung und Kostenexplosion bei der zweiten Stammstrecke, ein Kapitel für sich. Dunkel hegt zwar einige Sympathie für das 9-Euro-Ticket, gibt aber zu bedenken, dass dadurch nicht die Finanzierung der dringend nötigen Ausbaumaßnahmen gefährdet werden dürfe.

Radentscheid: Wenn der Bürgerwille Druck macht

Ein weiteres wichtiges Element, das in der Isar-Metropole einen großen Schub gab und geben soll, waren die beiden Radentscheide, die mit gewaltigem Zuspruch endeten und vom Stadtrat schließlich übernommen wurden. Sie sollen die Radinfrastruktur großflächig voranbringen und das Auto auf vielen Strecken so obsolet machen. Hier führe kein Weg daran vorbei, auch Parkflächen an den Straßenrändern und Fahrspuren für den Autoverkehr abzubauen, zeigte sich Dunkel überzeugt, auch wenn das im Einzelnen oft zu Widerständen führe. Speziell für den Lieferverkehr gelte es hier, Lösungen zu finden, die für Radler wie Gewerbe akzeptabel sind. Der Mobilitätsreferent verwies auch auf den ersten Radschnellweg in der Landeshauptstadt, der jüngst am Maximiliansplatz seinen Anfang nahm und Radfahrer einmal rasch, sicher und bequem aus dem Zentrum bis nach Garching im Norden bringen soll. Dunkel verwies dabei aber auch auf die personellen Engpässe im Planungsbereich, nicht zuletzt im Landkreis. 

Wenn Auto, dann geteilt: Sharing-Offensive gestartet

Falls man aber doch mal ein Auto braucht, soll es nach dem Willen von Dunkel "geteilt" sein, weswegen man jüngst eine "Shared-Mobility"-Offensive startete, die bis 2026 bis zu 200 Mobilitätspunkte schaffen will, an denen man 1.600 Sharing-Mobile für stationäre und freie Anbieter anmieten können soll, noch besser aber auch Roller und Leihräder. Ein Carsharing-Auto kann nach dem Dafürhalten des Referats bis zu 20 private Pkw ersetzen und damit bis zu 228 Quadratmeter öffentliche Fläche freimachen. Daher zählt das Referat Sharing auch zum "erweiterten Umweltverbund". Und für all die Angebote im Umwelt- und erweiterten Umweltverbund soll es mal eine einzige digitale Plattform geben, die dann auch die sogenannten "MaaS-Angebote beinhalten soll.

„Bis zu 400.000 Fahrten mit privaten Pkw könnten in München jeden Tag eingespart und stattdessen mit dem ÖPNV und Shared-Mobility-Angeboten zurückgelegt werden. Dieses Potenzial müssen wir unbedingt nutzen", erklärte Dunkel beim Launch der einen von 19 Teilstrategien im Januar.

Im wahrsten Sinne des Wortes weitere Baustellen will Dunkel mit dem Abbau der zahlreichen Baustellen, die aktuell den Verkehr verzögern, angehen. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur steht auf der Agenda, weitere 4.000 Ladepunkte will man installieren. Und von der Bundesregierung wünscht sich Dunkel mehr Unterstützung für die Umsetzung von Tempo 30 in der Stadt, wo man sich einstweilen behilft, möglichst viele einzelne Zonen zu schaffen. Klar, dass auch eine digitale Verkehrssteuerung einen Beitrag leisten soll.

Neubauquartiere: Autofreies Leben ermöglichen

Wo man es grundlegend anders machen kann, in Neubauquartieren wie dem größen Europas, in Freiham im Münchner Westen, wird so geplant, dass ein "autoarmes oder autofreies Leben", möglich ist, mit reduziertem Stellplatzschlüssel und integriertem Mobilitätskonzept samt der vielzitierten Quartiersgaragen, die den Platz auf den "Straßen" freiräumen sollen. Zudem will Dunkel die Region stärker mit einbeziehen, denn München sei keine Insel und die Verkehrswende könne nur in Kooperation mit dem Umland erfolgreich vollzogen werden. Am Ende wolle man "mehr bewegen als nur sich selbst", wie der Slogan der Kampagne lautet.

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