Werbung
Werbung
Meinungsbeitrag

Das Verkehrs-Mysterium: Zurück in die Zukunft?

Ein Minister unterminiert sein Gesetz, will Tempo-Strafen zurückfahren und stiftet mit Verweis auf "Formfehler" Chaos. Seltsames Demokratieverständnis - und so gar nicht visionäre Verkehrspolitik.

Verständnisprobleme: VM-Redakteur Johannes Reichel wird aus der sprunghaften Verkehrspolitik nicht schlau und steigert beim E-Auto-Fahren gerne die Reichweite durch moderates Tempo. | Foto: G. Soller
Verständnisprobleme: VM-Redakteur Johannes Reichel wird aus der sprunghaften Verkehrspolitik nicht schlau und steigert beim E-Auto-Fahren gerne die Reichweite durch moderates Tempo. | Foto: G. Soller
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Es ist schon eine perfide Methode, die der rabiate Mautdebakel-Minister Scheuer da anwendet, um das von ihm zwar in einem demokratischen Prozess letztlich mitgetragene, aber nie geliebte Gesetzeswerk der StVO-Reform zu unterminieren. Und damit leider auch den Glauben der Bürger in politische Verlässlichkeit. Kaum gibt es ein paar Proteste, knickt der Minister ein, weil er ja ohnehin nie dafür war. Frei nach Gerhard Polts ironisch-böser Dada-Logik des Polit-Grantlers:

"Was heißt hier Gegenargument. Ich brauche ja gar kein Gegenargument. Ich bin ja selber dagegen".

Statt zu erklären, dass das nun mal eben so beschlossen ist und den Formfehler zu beseitigen, öffnet er Tür und Tor für Orientierungslosigkeit auf der Straße. Es droht ein "Tempo-Flickenteppich". Dabei kommt man als Raser in Deutschland immer noch billig weg, verglichen etwa mit Ländern wie der Schweiz, Frankreich oder Skandinavien. Und der Trend der Elektrifizierung gepaart mit immer höherer Automatisierung durch Fahrerassistenz spricht ebenso so für moderatere Geschwindkeiten wie der immer dringlichere Klimaschutz. Ganz zu schweigen von der Erhöhung der Verkehrssicherheit, die gerade auch innerorts einhergeht mit reduziertem Tempo. Da nützen dann auch keine ohnehin kaum zu überprüfenden Abstandsregeln für Radfahrer, das ist Symbolpolitik. Vision Zero bei den Verkehrstoten oder Klima- und Radlerschutz serviert das BMVI nur in Sonntagsreden. Ab Montag wird wieder geheizt.

Dabei bräuchte man aus genannten Gründen gegenteilige Strategie: Tempo 30 in der Stadt, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 120 auf der Autobahn, damit brächte man das Verkehrsgeschehen in Deutschland auf den Schlag in eine gute Position zur Lösung zahlreicher Folgeprobleme und läge auf Höhe der Zeit und auf Kurs Richtung Zukunft, nicht Vergangenheit.

Es hat sich immer wieder gezeigt: Nicht durch Freiwilligkeit oder durch Appelle an den "gesunden Menschenverstand", den der Minister allerdings sowieso in höheren Temposphären verortet, nein, nur durch harte Sanktionen ändert sich auch das Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Aber das dauert eben. So viel Geduld hat Scheuer offenbar nicht, will er ja auch nicht haben. Selten wurde in Deutschland derart sprunghaft Poltik gemacht wie derzeit im Verkehrsministerium, das eigentlich Verkehrs-Mysterium heißen müsste. Man fragt sich nämlich nur noch: Was soll das und wo fahren die denn hin, auf einem mysteriösen Schlingerkurs? Etwa zurück in die Zukunft?!

Werbung
Werbung