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Corona-Krise: Umweltprämie - Chance oder Bremse für Transformation?

Nach VW und BMW plädiert der niedersächsische Ministerpräsident Weil für eine "Abwrackprämie", die aber umweltfreundliche Antriebe fördern soll. Grüne sehen Prämie als Grund für Rückstand bei E-Mobilität. Politökonomin Maja Göpel fordert: Krise muss in saubere Zukunft führen, nicht Strukturen verfestigen.

An die Adresse der Politik: Immer mehr Stimmen machen sich für eine zusätzliche Förderung stark, die die Transformation Richtung E-Mobilität beschleunigen könnte. Hier sind vor allem der Bund und Kanzlerin Angela Merkel, hier beim Start der Fertigung des ID.3 im Werk Zwickau im November 2019, gefragt. | Foto: VW
An die Adresse der Politik: Immer mehr Stimmen machen sich für eine zusätzliche Förderung stark, die die Transformation Richtung E-Mobilität beschleunigen könnte. Hier sind vor allem der Bund und Kanzlerin Angela Merkel, hier beim Start der Fertigung des ID.3 im Werk Zwickau im November 2019, gefragt. | Foto: VW
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Johannes Reichel

Nach den Autoherstellern BMW und Volkswagen hat sich auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil für eine etwaige "Abwrackprämie" zur Stützung der Autoindustrie ausgesprochen. "Vor allem der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe kann damit wesentlich beschleunigt und die Automobilindustrie im Strukturwandel unterstützt werden", erklärte der SPD-Politiker der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Zuvor hatte auch schon der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder ein Automobil-Konjunkturprogramm angeregt. Für Weil spiele die Autoindustrie eine Schlüsselrolle, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die ebenfalls bereits laut gewordenen Rufe nach einer Verlangsamung der bestehenden CO2-Ziele für die Flotten der Hersteller, lehnte Weil allerdings ab.

"Umgekehrt darauf zu setzen, die Erreichung von CO2-Zielen zu strecken, dürfte auf der europäischen Ebene kaum durchzusetzen sein und würde hohe Investitionen der Unternehmen infrage stellen", befindet der Ministerpräsident.

Hier hatte sein Wirtschaftsminister von der CDU, Bernd Althusmann, gegenüber DPA für eine Verzögerung plädiert, ebenso wie einige FDP-Poltiker sowie Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) und ein LBBW-Analyst. Zuletzt schwenkte Althusmann, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, in der FAZ aber auf Weils Kurs ein:

„Ein Weg wäre, die Prämie von 6000 Euro beim Kauf eines Elektroautos befristet aufstocken oder gar Anreize für den Kauf modernster Benziner und Diesel zu setzen“, schlug der CDU-Politiker vor.

Das sei ein Konjunkturprogramm, das zugleich dem Klimaschutz dient. Der Unions-Politiker wies auf das Durchschnittsalter des Pkw-Bestandes hin, das in Deutschland bei fast zehn Jahren liege. „Bei 48 Millionen zugelassenen Fahrzeugen liegt da ein großes Potential für umweltfreundliche und innovative Antriebe, für das wir Kaufanreize setzen sollten“, erklärte er. Vorstellbar seien aber auch begrenzte Investitionshilfen für andere Branchen, wie Schiffbau und Luftfahrtindustrie. Althusmann plädierte mit Verweis auf die hohe Abhängigkeit von China beim Thema Atemschutzmasken zudem dafür, den Aufbau einer heimischen Produktion von Elektroauto-Akkus stärker voranzutreiben.
 

Dudenhöffer: Förderung insbesondere bei Ladeinfrastruktur

Auch aus Sicht des Auto-Analysten Ferdinand Dudenhöffer von der Uni St. Gallen gehe es laut einem Interview in der Zeitung Welt darum, die Nachfrage anzukurbeln und gleichzeitig den Strukturwandel in der Branche zu forcieren. Das könne in Form stärkerer staatlicher Unterstützung der E-Mobilität, insbesondere bei der Ladeinfrastruktur, geschehen. Die Hersteller könnten zudem mit neuen Geschäftsmodellen wie Auto-Abos mit geringen Laufzeiten ihr Geschäft stimulieren.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält sich mit konkreten Forderungen noch zurück und nimmt generell eher eine Zwischenposition ein, bekannte sich zwar zu den aktuell geltenden Zielen, warnte in der akuten Krisensituation aber vor der Festlegung zu strenger weiterer CO2-Vorgaben über die derzeitigen hinaus. „Wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um diese Krise in den Griff zu bekommen und die Konjunktur wieder in Gang zu setzen“, meinte VDA-Präsidentin Hildegard Müller bereits Ende März.

BMW-Chef spricht von Innovationsprämie als doppelter Chance

BMW-Vorstandschef Oliver Zipse hatte nicht von einer Abwrack-, sondern einer "Innovationsprämie" gesprochen und sie als eine "doppelte Chance" bezeichnet: Im Sinne einer Konjunkturmaßnahme und um den "Umstieg der Kunden auf klimaschonende Technologien beschleunigen." Auf diese Art könne man wirtschaftliche Erholung mit wirksamem Klimaschutz kombinieren, "anstatt beides gegeneinander auszuspielen", glaubt der BMW-Chef. Er bekannte sich im Übrigen ausdrücklich zu den geltenden CO2-Vorschriften und erklärte schon bei einer Pressekonferenz am 18. März in München:

"Das Unternehmen wird auch in diesem Jahr das vorgegebene CO2-Flottenziel seiner europäischen Neuwagenzulassungen erreichen. Dieses liegt um rund 20 Prozent unter der Vorgabe aus dem Jahr 2019". 

Aus Sicht von Volkswagen-Komponenten- und Beschaffungsvorstand Stefan Sommer reiche es nicht aus, für einen Neustart des Autogeschäfts in Deutschland und Europa allein die Autohäuser und die Zulassungsstellen wieder zu öffnen. "Es braucht Investitionen in die Industrie, und es braucht Investitionen in das Konsumverhalten", erklärte der VW-Manager gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Grüne: Abwrackprämie Grund für Rückstand bei E-Mobilität

Grünen-Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer lehnte eine derartige Prämie allerdings ab und mahnte, dass es sich dabei bestenfalls um ein Strohfeuer handle, das die Autoindustrie nicht wieder auf die Beine bringen werde. Aus seiner Sicht habe die Abwrackprämie von 2009 dafür gesorgt, dass die deutsche Autoindustrie in Sachen Elektromobilität bis heute hinterherhinke. Und aus der Wissenschaft kommen ganz andere Impulse:

"Es muss darum gehen, Mobilität neu zu denken - nicht den autobasierten Individualverkehr mit neuen Motoren auszustatten, erklärt etwa Maja Göpel, die als Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beitrats der Bundesregierung als Beraterin fungiert gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Wissenschaftliche Beirätin Göpel: Markt ist gesättigt

Aus ihrer Sicht ist klar: Eine Prämie für neue Autos würde ein bestimmtest Produkt schützen. Sie fordert, die Innovationsenergie "in die Gestaltung der zukunftsfähigen Infrastrukturen zu lenken". Sie fürchtet auch, die Gebrauchtwagen würden nur im Ausland "verklappt". Sie sieht zudem kein größeres Nachfragepotenzial. "Wir drücken uns permanent davor zu sagen: Der deutsche Markt ist gesättigt". Die Hersteller sollten sich vermehrt gedanken machen, was sie statt Automobilen fertigen könnten. Diese Art Innovation sei jetzt gefragt.

"Wir müssen jetzt darauf hinwirken, dass diese Krise uns in eine saubere Zukunft führt - und nicht bestehende Strukturen verfestigt", appellierte die Politökonomin Göpel.

Was bedeutet das?

Nicht ganz unrecht hat der Fraktionsvize der Grünen mit seiner Warnung vor einem Strohfeuer. Allerdings muss sich die schlechte Geschichte mit der Abwrackprämie nicht wiederholen, wenn man daraus lernt und die Kriterien zielgerichtet fasst. Es darf also nicht wieder so weit kommen, dass man tausende Fahrzeuge von guter Qualität, in denen ja auch immer noch jede Menge Produktionsenergie steckt, vorzeitig in den Orkus jagt. Am nachhaltigsten ist im Zweifel ein sparsames UND langlebiges Automobil. Das ist eine unfassbare Verschwendung von Ressourcen und durch ein paar Literchen weniger Sprit im Betrieb nicht aufzuholen.

Schon wahr: Die Abwrackprämie von 2009 mit ihrer differenzierungsfreien Pauschale von 2.500 Euro pro mindestens neun Jahre altem Wagen war ein verkapptes Konjunkturprogramm mit der Gieskanne und ohne Maß und Ziel.

Gerade einmal eine Million Tonnen CO2 sollen laut einer Studie des Umweltministeriums bei den zwei Millionen bewillgten Anträgen im Betrieb gespart worden sein, eine lächerliche Bilanz im Vergleich zum Aufwand und Anspruch.

Das muss jetzt anders laufen, wenn man denn auf die üppige und jüngst erhöhte Elektro-Förderung partout noch etwas oben drauf packen will. Das kann man machen, dann aber im Tausch wirklich alter Autos für dezidiert neue grüne Modelle, mit der klaren Vorgabe einer Umweltprämie, die sparsamere und klimafreundliche Antriebe und vernünftige Fahrzeuggattungen priorisiert - und man sollte erstens die Förderung der Ladeinfrastruktur und zweitens greifbarer Alternativen zum Stromer wie CNG-Fahrzeuge nicht vergessen. Dann könnte eine "Umweltprämie" wirklich der Umwelt dienen - und zugleich der Industrie. Wobei über allem die große Frage schwebt: Wer kann sich nach dieser Jahrhundert-Krise überhaupt noch ein neues Auto leisten?

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