Meinungsbeitrag

COP26-Erklärung: Das peinliche Schweigen der Autonationen

Eine wachsweiche, unverbindliche, aber symbolträchtige Erklärung zum Verbrennerausstieg bis 2035 - und die können prominente Hersteller, die sonst laut über die Transformation tönen, nicht unterschreiben? Das ist so peinlich, wie das Fehlen Deutschlands, Frankreichs und Japans. Sogar Ruanda und Indien sind dabei. Trauen sie der eigenen Innnovationskraft nicht? 2021 ist längst Schaltjahr für Kunden, die Auswahl an Stromern groß. 

Der beste Mini fährt elektrisch: Wie bei der BMW-Marke ist es eigentlich bei fast allen Herstellern im Jahr 2021 - es gibt Stromer als Alternative. Und die fahren sich auch noch klasse. So ist die Verweigerungshaltung für die rechtlich unverbindliche COP26-Erklärung für VM-Redakteur Reichel völlig unverständlich. | Foto: J. Reichel
Der beste Mini fährt elektrisch: Wie bei der BMW-Marke ist es eigentlich bei fast allen Herstellern im Jahr 2021 - es gibt Stromer als Alternative. Und die fahren sich auch noch klasse. So ist die Verweigerungshaltung für die rechtlich unverbindliche COP26-Erklärung für VM-Redakteur Reichel völlig unverständlich. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Es ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner, den man auf der insgesamt aus Sicht der Klimawissenschaft bei weitem unzureichenden COP26 in Glasgow im chronisch verspäteten Verkehrssektor noch hinbekommen hat. 2035 als Ausstiegsdatum für Verbrenner in "führenden Märkten", das erscheint nicht gerade ambitioniert und ist eigentlich schon heute "common sense". Die EU will bis 2035 die Emissionen von Neuwagen sowieso auf Null bringen, Hersteller wie Volvo, Audi, der deutsche Stellantis-Ableger Opel deutlich früher nur noch elektrische Fahrzeuge verkaufen.

Dass Deutschland sich unter seinem scheidenden und weiterhin wegen Marginalien bockigen Verkehrsminister, der mit einer realitätsfernen Minderheit an E-Fuels als Strohhalm klammert, nicht einmal dazu bekennen mag, ist nur noch peinlich - und ein vergiftetes Abschiedsgeschenk an die wacker um eine neue Koalition ringenden Ampel-Verhandler in Berlin. Es passt aber ins erschreckend visionslose Bild der Dekade der CSU-Verkehrsminister - von Ära will man hier lieber nicht sprechen.

So ergibt es in Europa und den Industrienationen fast von selbst, wenn man berücksichtigt, dass mit steigendem CO2-Preis auch das Fahren eines Verbrenners viel teurer wird und die batterielektrischen Autos schon heute mindestens Preisparität in der Anschaffung, aber erst recht in den Gesamtbetriebskosten erreichen. Bei den Gesamtemissionen über den Lebenszyklus sind sie sowieso schon meilenweit überlegen und werden immer besser, wenn endlich die Energiewende konsequent vollzogen würde.

Die Vorstellung, dass man in 15 Jahren immer noch neue Verbrenner verkaufen will, erscheint geradezu abwegig.

Und ebenso riskant die ambivalente Strategie speziell von Volkswagen und BMW. Zumal wenn man berücksichtigt, dass beide Hersteller E-Modelle im Programm haben, die ihre eigenen Verbrenner schon aktuell uralt aussehen lassen. Das wirkt fast ein wenig schizophren, in jedem Fall widersprüchlich und wenig stringent.

Da ist die Linie von Daimler- und Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius klarer: Bis 2030 soll die Marke mit dem Stern auf 100 Prozent emissionsfreie Neuwagen kommen, je schneller desto besser, gab er jetzt als Maxime des Handelns vor. Bizarr, dass sich ein Auto-Boss im Jahr 2030 für so eine Strategie rechtfertigen muss. Und sich Källenius aus diplomatischen Gründen beeilte hinzuzufügen, Verbrenner seien keine "Bad Bank".

BMW hätte die Speerspitze sein können - ein deutscher Tesla

Im Falle von BMW ist es besonders ärgerlich, wenn nicht fahrlässig, weil die Münchner in Sachen E-Mobilität meilenweit voraus waren und ein auf den avantgardistischen, aber überambitionierten i3 zeitig nachgelegter, Allzweckstromer i4, der eigentlich auch früh auf dem Zettel stand, das Aufkommen von Tesla zumindest stark eingedämmt hätte. Der heutige i4 ist ein wunderbares Auto, aber halt als (immer noch) Multiantriebsmodell "me too" neben den dedizierten, raum- und energieeffizienten Stromern von Tesla und vor allem den Koreanern von Kia und Hyundai (deren Fehlen auf der Liste in Anbetracht ihrer Elektropower rätselhaft ist). Der iX? Zu groß, zu schwer und zu teuer, um wirklich als "Weltrettungmobil" durchzugehen.

Toyota: Vom Vorreiter zum Nachzügler

Und Toyota? Mutierte vom Vorreiter zum Nachzügler, der den Einstieg in die reine E-Mobilität verpasst hat, offiziell verkündet, den Verbrenner weiter optimieren zu wollen und im Jahr 2021 mit dem Aygo X einen Kleinwagen ausschließlich mit Verbrenner und 5,4 l/100 km Verbrauch vorstellt. Immerhin: Auch in Tokyo drückt man auf's Strompedal und launcht im nächsten Jahr den nach dem Lexus UX300e ersten reinen Stromer bz4x, ok, neben den Stellantis-Leihgaben Proace und Proace City Electric im Van-Segment.

Aber ganz ehrlich: Wer heute in Deutschland denn noch den Kauf eines eigenen Pkw-Neuwagens erwägt und den durchschnittlichen Preis von laut Statistik 36.300 Euro auszugeben bereit ist, der muss nun wirklich keinen Verbrenner mehr kaufen, sondern hat eine durchaus vielfältige und mittlerweile große Auswahl an vollelektrischen Allzweck- und Alltags-Mobilen fast jeder Couleur - vom Kleinwagen bis zum Kleinbus. Die Erklärung von Glasgow hinkt der technologischen Realität hinterher. Mancher Hersteller auch - sogar seiner eigenen.