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Conference Days 2022 - THINK TANK: Was es für eine echte Wende braucht

Der VISION mobility THINK TANK bei den Conference Days fokussierte die Frage: Antriebswende oder Mobilitätswende? Warum es mehr braucht als den Wechsel von Fossil auf Elektro. Fazit: Nicht meckern, machen!

Klar machen zur (echten) Wende: Warum die Elektrifizierung alleine nicht reichen wird, debattierte VM-Redakteur Johannes Reichel mit kundigen Pionieren der neuen Mobilität. | Foto: HUSS-VERLAG/Screenshot
Klar machen zur (echten) Wende: Warum die Elektrifizierung alleine nicht reichen wird, debattierte VM-Redakteur Johannes Reichel mit kundigen Pionieren der neuen Mobilität. | Foto: HUSS-VERLAG/Screenshot
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Johannes Reichel

Ein Leben ohne eigenes Auto, das ist für viele nach wie vor nicht vorstellbar. Gleich zu Beginn des VISION mobility THINK TANKS "Antriebswende oder Mobilitätswende. Warum es mehr braucht als den Wechsel von Fossil auf Elektro" stellte Moderator und stellvertretender VM-Chefredakteur Johannes Reichel dem virtuell versammelten Publikum die Gretchenfrage. Und: 49 Prozent der Teilnehmenden der Talk-Runde mögen trotz Sharing, Pedeles und E-Scooter noch immer nicht von den eigenen "vier Rädern" trennen.

Aber doch vielleicht vom Zweitwagen, wie Speaker Matthias Groher vom Institut Neue Mobilität in Berlin den Faden aufnahm. In der Stadt sei das weniger ein Problem, am Land schon eher: In der City gehe es um "zu viel Mobililtät", Dutzende konkurrierende Angebote und die "Zehn-Minuten-Stadt". Am Land herrsche dagegen eher Mobilitätsarmut. Wobei sich hier vieles vernetzen ließe, findet Groher, statt "Schwarz-weiß" zu malen und zu sagen "ÖPNV ist schlecht, daher brauche ich ein Auto". Groher führte als Beispiel etwa das Thema "Kombi-Bus" an.

Downsizing tut Not!

Generell gilt es aus Sicht des Mobilitätsspezialisten, sich nicht in einzelnen Technik- und Modelldebatten zu verzetteln, sondern systemisch an Lösungen zu arbeiten, die in Stadt und Land zu den Menschen passten. Groher sprach sich zudem für kleinere und leichtere E-Fahrzeuge aus und warb für die Initiative Smart Urban Logistics, die sich dem "Downsizing" in der Stadtlogistik verschrieben hat. Vor allem plädierte Groher dafür, statt nur zu "denken" endlich zu "handeln". Es gelte vernetzt zwischen den Verkehrsträgern zu denken, inklusiv vorzugehen und die Anreize und das "Schöne" vor etwaigen Verboten oder Einschränkungen zu priorisieren.

Politik der kleinen Schritte

Das findet auch Ronald Bankowsky, 2012 früher Gründer und Visionär von mein.dienstrad.de, heute geschäftsführender Gesellschafter bei Fast2Work, ein Konzept, das auf dem Sprung in den "Mainstream" in den Dienstfuhrparks ist. Er plädierte für eine "Politik der kleinen Schritte" und die Veränderungen im eigenen Mikrokosmos. Jeder könne jeden Tag neu entscheiden, wie er seine eigene Mobiltät gestalte, so der Pedelec-Fan.

Ganz nüchtern betrachtet sei etwa das Fahrrad auf Relationen von fünf bis sechs Kilometer das schnellste Verkehrsmittel. Es gebe 81 Millionen Räder in Deutschland, aber nur zehn Prozent davon würden genutzt. Das Aktivieren dieses gewaltigen Potenzials, das müsse das Ziel sein. Auch über das "Transportmittel" Pedelec könnten viele den Einstieg finden, das müsse "erfahrbar" gemacht werden. Und apropos: "Wir müssen ins Machen kommen", appellierte Bankowsky.

Emissionen vermeiden: Elektrifizierung alleine reicht nicht

"Und nicht nur machen, sondern mehr machen", plädierte Klaus Böckers, Vice President Nordic & Eastern Europe beim Telematikspezialisten Geotab. Nach seinem Dafürhalten wird die "Elektrifizierung" allein nicht genügen. Es gehe im ersten Schritt darum, Emissionen generell zu vermeiden. Für eine echte Mobilitätswende müsse Mobilität komplett neu gedacht werden. Für die Analyse könnten die umfangreichen Telematikdaten eine Basis bieten, um ganzheitlich neu anzusetzen. Er sprach sich ebenfalls für die "Politik der kleinen Schritte" aus, die von niederschwelligen Angeboten ermöglicht werden müsse. Man müsse ja eine Flotte nicht gleich auf 100 Prozent EV bringen, sondern können mit einzelnen Fahrzeugen anfangen. Und eben genau das: Anfangen - statt "Bedenken first" zu stellen. Das sei eine Herangehensweise, die man wiederum von den USA lernen könne.

Vorreiter: Community Car Sharing in den Niederlanden

Was man von den Niederlanden lernen kann, legte dann exemplarisch für den Bereich Car Sharing Willem Schonewille, Geschäftsführer bei WeGo dar: Hier gebe es bereits eine sehr vitale Bewegung des Community Car Sharings, bei der die neue Technologie der Sharing-App den Nutzer*innen helfe, ihr vorhandenes Auto mit anderen zu teilen. Auch für Wohnungsgemeinschaften und Gesellschaften sei das Modell ideal.

Es gebe einfach nach wie vor einen großen Bestand an privaten Autos, da sei es naheliegend noch vor dem öffentlichen Carsharing die privaten Potenziale zu erschließen statt gleich noch mehr Autos auf die überfüllten Straßen zu bringen. Das Ziel: Eine 24-Stunden-Mobilität ohne eigenes Auto. Und das gelte sogar im ländlichen Raum, wo das sogenannte "Dorf-Auto"-Konzept mit einem eingegrenzten Kreis kommunaler Nutzer immer mehr Verbreitung findet. Idealerweise, wie Schonewille findet, dann gleich elektrisch.

Einig war sich die Runde auch darin, dass man nicht mehr auf die möglicherweise anderen Mobilitätsgewohnheiten der nächsten Generation warten könne. Jeder einzelne sei in der Lage, bereits heute etwas anzufangen. So lässt sich am Ende vielleicht das Ziel erreichen, mehr Mobilität bei weniger Verkehr zu realisieren.

Hintergrund: Die Ampel-Koalition hat sich 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zum Ziel gesetzt und will Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen. Zugleich steigen die Zulassungszahlen weiter, bald sind 49 Millionen Fahrzeuge registriert, auf 1.000 Einwohner kommen 585 Pkw. Ungelöst bleibt dabei das Platzproblem. Auch der Strombedarf, die Gesamtökobilanz und die Ressourcenkonflikte werfen Fragen auf, ob der MIV in dieser Form zukunftsfähig ist, fossil oder elektrisch.

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