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compan-e-Projekt: Warum Dienstflotten Treiber der Transformation sind

Firmenflotten sind entscheidend für die Erreichung der Klimaziele: In einem Projekt zur Betriebsmobilität untersuchten Öko-Institut, Agora Verkehrswende und Stiftung KlimaWirtschaft die Bedingungen, unter denen sich die Elektrifizierung in den Fuhrparks beschleunigen lässt. Beteiligt waren Deutsche Bahn, EnBW, Gegenbauer Facility Management, R+V Versicherung, Telekom Mobility Solutions.

Damit etwas weitergeht: Das Projekt compan-e untersuchte mit fünf Unternehmen, wie sich die Transformation in den Flotten beschleunigen lässt. | Foto: Screenshot
Damit etwas weitergeht: Das Projekt compan-e untersuchte mit fünf Unternehmen, wie sich die Transformation in den Flotten beschleunigen lässt. | Foto: Screenshot
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Johannes Reichel

Noch immer steckt die Elektrifizierung in den Unternehmensflotten in den Anfängen, es gibt zahlreiche administrative, aber auch angebotsseitige Hemmnisse, die einen schnelleren Hochlauf in den Fuhrparks verhindern und speziell die Quote an reinen BEV ist noch immer niedrig. Zugleich wäre die gewerbliche E-Mobililtät als Speerspitze und Treiber der Elektrifizierung und wichtiger Pilotmarkt entscheidend für die Erreichung der Klimaziele und des 15-Millionen-E-Fahrzeug-Ziels bis 2030, 64 Prozent der Pkw-Neuzulassungen sind gewerblich. Das ist das grobe Fazit des dreijährigen Projekts compan-e, das das Öko-Institut gemeinsam mit dem Berliner Think Tank  Agora Verkehrswende und der Stiftung 2° durchgeführt und mit acht ausführlichen Publikationen begleitet haben. Führende Unternehmen seien hier weiter als die Politik, zog Agora-Verkehrswende-Direktor Christian Hochfeld Bilanz. Es brauche deutlich mehr Tempo in der Breite, sonst seien die Klimaziele nicht zu erreichen.

Steigende Fahrleistungen und Spritmengen

Einleitend verwies Markus Becker, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, auf die wenig ermutigenden Zahlen zum Verkehr, wo es nach dem Ende der Pandemie wieder eine starke Aufwärtstendenz gebe. Trotz der Rekorde bei den Spritpreisen sei kein Rückgang der verkauften Spritmengen und Fahrleistungen zu verzeichnen, im dritten Quartal eher wieder ein Anstieg. Das 9-Euro-Ticket habe nur kurzfristige und keine nachhaltige Wirkung gehabt, die ÖPNV-Nutzung gehe eher wieder zurück. Auch die jüngste Verabschiedung von CO2-Grenzwerten gebe bei den Pkw nicht den entscheidenden Impuls, der zur Erreichung der Ziele im Sektor nötig und wünschenswert gewesen wäre, so Becker. Die Werte für Lkw stünden dabei noch aus. Umso dringlicher seien nationale Maßnahmen und eine Priorisierung der Transformation in den Flotten. Diese seien wichtig für die "Demokratisierung" der E-Mobilität, insbesondere im Hinblick auf ein hinreichendes Angebot am Gebrauchtmarkt. Dienstwagen werden im Schnitt drei Jahre gehalten, Privat-Pkw neun Jahre, so die Feststellung.

"Die Transformation braucht mehr Tempo. Und sie braucht Vorreiterfirmen", appellierte Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft (vormals Stiftung 2°) in Berlin.

Sie appellierte auch, die Mitarbeitenden in den Unternehmen stärker einzubinden und zu informieren, die anfangs vorhandenen Bedenken zu zertreien. Ziel der Initiative und des Projekts sei es gewesen, Vorreiterfirmen zusammenzubringen. Im Laufe des Projekts habe sich herausgestellt, dass es noch immer sehr kompliziert sei, in Deutschland den Fuhrpark auf umweltfreundlich umzustellen. Insbesondere bei der Einrichtung von Ladeinfrastruktur gebe es hohe bürokratische Hürden. Nallinger erwähnte das Beispiel einer Firma, die für einen einzigen Ladepunkt 84 einzelne Prozessschritte gezählt hatte.

"Die Bürokratisierung führt hier klar zu einer Verlangsamung der Transformation", stellte Nallinger fest.

Aktuell stagniert die Transformation sogar

Florian Hacker vom Öko-Institut stellte fest, dass es eine unerwartete Stagnation in der Transformation gebe, wenngleich sich über die drei Jahre auch gezeigt habe, wie staatliche Maßnahmen einen Schub verleihen könnten, etwa die E-Mobilitätsförderung. Noch immer sei die Transformation aber nicht Mainstream, sondern in den Unternehmen abhängig von einzelnen und engagierten Persönlichkeiten. Hacker monierte auch das mangelnde Angebot an typischen Flottenwagen wie Kombis, Kompaktwagen oder auch im gewerblichen Einsatz Lieferwagen. Es habe sich aber auch gezeigt, dass es Kipppunkte in der E-Mobilisierung gebe und die Gesellschaft bei harten Einschnitten fähig sei, schnell zu handeln. Hacker forderte aber eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Immer wieder: Problemfaktor Ladeinfrastruktur

Vor allem das Thema Ladeinfrastruktur machte während des Projekts große Probleme, hier seien viele Details noch ungeklärt. Bei jedem vierten Ladepunkt fielen Kosten von mehr als 5.000 Euro an. Auch beim Thema Laden am Wohnort gebe es Schwierigkeiten, etwa bei der Abrechnung, und eher wieder einen gegenläufigen Trend. Und 20 Prozent der im Projekt Befragten sind auch auf öffentliches Laden angewiesen. Hier wurde vor allem moniert, dass es keine Reservierbarkeit und Sicherheit der Verfügbarkeit und über die Preise gebe. Die anfangs stark gefragten Plug-in-Hybride hätten sich in der Praxis nicht bewährt und werden sukzessive wieder ausgeflottet, wie etwa Hannes Davieds von der beteiligten R+V-Versicherung berichtete. Hier setzt man allerdings auch generell auf eine ganzheitliche Betrachtung, generell weg vom Auto, etwa indem man auch Dienstrad-Pedelec-Konzepte anbiete. Die Reichweite der E-Fahrzeuge habe sich im Übrigen als weniger kritischer Punkt erwiesen, BEV-Nutzer hätten schnell festgestellt, dass mit einem ruhigen Fahrstil auch die Reichweite steigt.

Ungebrochen attraktiv: Der Dienstwagen

Projektleiter Lukuas Minnich vom Öko-Institut verwies auf die ungebrochene Attraktivität von Dienstwagen, die vor allem durch die Steuervorteile und Tankkartenverfügbarkeit bedingt seien. Hier gebe es auch einen klaren Trend zu Mittel- und Oberklassefahrzeugen, speziell auch der SUV-Klasse, die deutlich überrepräsentiert sind. Das unbegrenzte Tanken sorge auch dafür, dass etwa ein Drittel der Befragten mit dem Dienst-Pkw 10.000 Privatkilometer absolvierten, kritisierte Minnich. Der PHEV-Trend, der anfangs den Diesel verdrängte, werde zunehmend von car policy der Firmen unterbunden, der ökologische Nutzen stehe in keinem Verhältnis. Generell gebe es durch die Dienstwagenregelung eine ungewollte Verteilungswirkung von unten nach oben.

Alternative zum Auto: Mobilitätsbudget

Sylvia Lier von TAF mobile ist in Sachen Dienstwagen schon einen Schritt weiter, in ihrem Unternehmen gibt es bereits als Alternative ein Mobilitätsbudget, für das sie diverse Vorteile sieht. Zum einen ließen sich die Kosten reduzieren und die Planung der Mobilität flexibilisieren. Man könne zudem auf kleinere Fahrzeuge setzen und zusätzlich etwa ein Pedelec zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt zahle das Mobilitätsbudget mit dem Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel auf die betriebliche Gesundheitsvorsorge ein. Darüber hinaus werde es ab 2023 Pflicht, über den CO2-Ausstoß der betrieblichen Mobiliät berichtzuerstatten. Hier sei das Konzept des Mobillitätsbudgets ebenfalls sehr hilfreich. Lier appellierte zudem, der Switch weg vom Auto müsse sich für die Umsteigenden auch lohnen und rechnen, man brauche eine Motivation zur Veränderung.

Pedelec und Kleinwagen tut's auch

Alexander Eckhardt von SAP unterstrich, dass das Gesamtpaket stimmen müsse. Auch bei SAP gibt es längst ein Dienstrad-Konzept und ein Mobilitätsbudget, das man aber auch entsprechend offensiv kommunizieren müsse, wie alle Veränderungsmaßnahmen. Er kritisierte die Fokussierung der Industrie auf Premium-Fahrzeug der Mittel- und Oberklasse im BEV-Bereich und die schlechte Verfügbarkeit der Fahrzeuge generell.

Olga Nevska von der Telekom sieht in ihrem Unternehmen einen starken Trend in Richtung reiner BEV-Modelle, die aktuell schon von 45 Prozent der Dienstwagennutzenden geordert werden, bevorzugt mit großem Kofferraum. Der Start mit PHEV-Modellen habe sich nicht bewährt, man habe sie aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes, der bei der Telekom direkt gemessen wird, schnell wieder ausgeflottet. Die angebotene Ersatzmobilität etwa für den Urlaub sei übrigens kaum gefragt gewesen. Nevska forderte einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur. Und verwies im übrigen auch auf die Chancen von Homeofficemodellen: Denn Zero Emission Mobility sei immer noch "Mobility".

Deutschland ganz schlecht im Verursacherprinzip

Frederike Piper von der Umwelt-NGO Transport & Environment kritisierte, Deutschland sei generell sehr schlecht aufgestellt bei der Anwendung des Verursacherprinzips in der Mobilität. So würden die Käufer*innen und Nutzer*innen von Verbrennerfahrzeugen noch immer stark incentiviert. Im Gewerbe stocke dagegen die Elektrifizierung der Flotten. Das zeige schon die Zahl von 20 Prozent BEV-Anteil bei Privatkäufen und nur 10 Prozent in den Flotten.

Piper verwies beim Thema Besteuerung auf andere Länder, wo etwa in Belgien nur noch BEV abschreibungsfähig seien. Die Kfz-Steuer müsse dringend ökologischer ausgerichtet werden, es müsse Anreize zum Kauf kleinerer Autos geben. Die Zulassungssteuer sei marginal in Deutschland, wo andere Länder 10.000 Euro für schwere SUV-Verbrenner erheben. Darunter würden alle Beteiligten leiden, weil so auch kein Gebrauchtmarkt für erschwingliche Elektroautos entstehe. Piper kritisierte auch die 1-Prozent-Regelung, deren Abschaffung eigentlich im Koalitionsvertrag versprochen worden sei. Nicht zuletzt stelle die aktuelle Förderkulisse eine Privilegierung der oberen Schichten dar. 

 

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