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Meinungsbeitrag

CO2-Emissionen: Das Klima braucht den Dauer-Lockdown

Um sieben Prozent brachen die CO2-Emissionen 2020 ein. Wissenschaftler befürchten nach der Pandemie Rebound-Effekte und fordern, die Weichen auf "grün" zu stellen. Zu viel Hoffnung auf E-Fuels & Co sollten wir dabei nicht setzen. CO2-Abscheidung wird gebraucht, aber nicht, um Wasserstoff zu produzieren.

Mit dem Rad durch die Stadt, mit dem Stromer auf's Land: VM-Redakteur Johannes Reichel ist gerne unterwegs, plädiert aber für clevere und emissionsfreie Mobilität und hat sich privat ein Jahr lang "Fossil-Fasten" verordnet. | Foto: G. Soller
Mit dem Rad durch die Stadt, mit dem Stromer auf's Land: VM-Redakteur Johannes Reichel ist gerne unterwegs, plädiert aber für clevere und emissionsfreie Mobilität und hat sich privat ein Jahr lang "Fossil-Fasten" verordnet. | Foto: G. Soller
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Johannes Reichel

Es mutet an wie ein neuer Streich von den Bürgern aus Schilda: Für die Produktion von angeblich "grünem" Wasserstoff Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, das man zuvor im fossilen Kraftwerk emittiert hat, um hernach mit Pseudo-Öko-Sprit den fossilen Irrsinn mit anderen Mitteln fortsetzen zu können. Wenn wir schon so weit gekommen sind, dass wir die Klimakrise, wie es der IPCC leider bestätigt, nur noch durch Negativemissionen, sprich Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre, irgendwie in den Griff bekommen, weil wir es seit den frühen Warnungen in den 70er-Jahren leider verpennt oder bewusst aus kurzsichtigen Erwägungen heraus verzögert haben, nicht zuletzt unsere Mobilität CO2-ärmer zu gestalten, dann muss dieses entzogene Kohlendioxid auch entzogen bleiben, so gut und so lange es geht. Es in großem Stil für die Produktion von E-Fuels zu verwenden, ist an Absurdität kaum zu überbieten.

Es beißt die Maus keinen Faden ab: Wir müssen runter von der fossilen Droge, so schnell und so weit es geht.

Jeder Verbrenner, der im Jahr 2021 noch auf den Markt kommt, ist einer zu viel, wenn man überlegt, dass "langdrehende" Produkte wie ein Automobil zehn bis 15 Jahre in der Welt bleiben und Abgase emittieren. Dann ist man auf der Zeitleiste schon Mitte der 30er-Jahre, wenn viele Hersteller und Länder keine Verbrenner mehr neu zulassen wollen. Wie konstatierten Wissenschaftler des Global Carbon Project und der East Anglia sowie Stanford-Universität jüngst: Wir bräuchten CO2-Einsparungen in der Größenordnung des Corona-Knicks 2020 (Minus sieben Prozent) in Permanenz, um den Klimawandel noch irgendwie einzudämmen.

"Die Emissionen lagen 2020 niedriger, weil die fossile Infrastruktur nicht genutzt wurde, nicht, weil sie stillgelegt wurde", erklärte Mitautor Glen Peters einer Studie zum überaus mangelhaften Umsetzungsstand des Pariser Abkommens fünf Jahre später.

Er sieht ganz klar die Gefahr eines Rebound-Effekts der Emissionen, wie in die Klimawissenschaft, aber auch Soziologen oft in der Gesellschaft beobachtet haben. Man kennt das auch als "Jojo-Effekt" nach einer Diät. Nur dass es hier nicht um nachgeholte Nahrungsaufnahme, sondern Spritkonsum geht. Ähnlich zeigte sich das verheerenderweise auch nach der Finanzkrise 2009.

So groß die Sehnsucht nach der "alten Normalität" sein mag, es wäre besser, wir kehrten nie mehr dahin zurück, in eine Welt voller sinnloser Dienstreisen und abstrus billiger Kreuzfahrten und uninspirierter Fernflugtrips.

Wie schon zuvor die EU-Kommission und insbesondere Vize- und Klimaschutzkommissar Frans Timmermans feststellte, sollte die Überwindung der Corona-Krise für eine Weichenstellung auf emissonsfreie Technologien oder Mobilitätsformen genutzt werden, gerne mit den Hebeln und Instrumenten der Marktwirtschaft, wie einem ehrlich die externen Kosten abbildenden CO2-Preis.

Mit Planwirtschaft hat das übrigens nichts zu tun, nur weil man einen Plan hat, und einen Klimaschutzplan erfüllen will - nein, muss.

Die Forscher halten den Moment für günstig, die Städte fuß- und fahrradfreundlich umzugestalten, E-Mobilität und regionalen Tourismus zu fördern - und sie sehen auch eine Chance in den jetzt so gründlich eingeübten digitalen Kommunikationsformen.

Und den "Champagner" unter den Kraftstoffen, "grünen Wasserstoff", sollten wir den Fällen vorbehalten, für die es wirklich keine andere Lösung gibt.

Mit anderen Worten: Hört auf mit dem Quatsch und der Illusion, man könne einen Verbrenner grün machen und wir steigen jetzt einfach von Benzin auf Methan und Wasserstoff um. Das funktioniert in einem gewissen Rahmen, wenn etwa Biomethan aus Reststoffen für den Antrieb verwendet wird und birgt auch noch längst nicht konsequent genutzte Potenziale. Fünf Millionen Fahrzeuge ließen sich alleine mit Biomethan aus Strohresten ein Jahr lang betreiben, hat ein Biomethanhersteller vorgerechnet. Und das geht schon jetzt und ohne komplizierte CO2-Abscheidung und H2-Produktion. Und für schwere Lkw ist Biomethan als LNG schon heute eine fast klimaneutrale Alternative, für Pkw mit Erdgasantrieb als Bio-CNG übrigens auch, im aktuellen Strommix sogar noch grüner als ein Stromer. Wie auch immer:

Der erste Schritt beim Klimaschutz ist immer: Vermeiden! Der zweite Reduzieren. Und dann vielleicht und weil's nicht mehr anders geht, das Reparieren.

Der mit Abstand aufwändigste Schritt, der seinerseits wieder viel Energieeinsatz erfordert. Womit sich, um im tierischen Bilde zu bleiben, die Katze in den Schwanz beißt. Denn Energie, mag sie noch so grün sein, muss produziert werden. Dass die Kalkulation fürs Klima aufgeht, können nur Technologiegläubige annehmen. Die Erde schickt keine Rechnung, aber irgendwann die Quittung.

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