CMCC Parsdorf: BMW startet Batteriezell-Fertigung und will Know-How bündeln
Keine eigene Großserienfertigung, aber tief in die Schlüsseltechnologie Batterie eindringen, das ist das Ziel: Der Münchner Automobilhersteller BMW hat in Parsdorf im Osten der Landeshauptsstadt wie mehrfach avisiert sein Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung in Betrieb genommen und will damit auch seine Ansprüche im Bezug auf die Schlüsselkomponente des Elektroautozeitalters untermauern. Die Investition von 170 Millionen Euro in den letzten zweieinhalb Jahren seit dem Beschluss des Vorhabens soll sich durch die Gewinnung wertvollen Know-Hows, das direkt in die Produktverbesserung einfließt, schnell amortisieren, so ein Verantwortlicher gegenüber VM. Schon die bisherige Zellforschung und Entwicklung am Stammsitz in München habe wichtige Erkenntnisse für die Optimierung der Batteriezellen der Generation 5 geliefert.
Es wird keine "Parsdorfer Akkus" in den Fahrzeugen geben
Die an dem Standort gefertigten sogenannten Batteriezellmuster sind 95 Millimeter hoch, zylinderförmig und verfügen über einen Durchmesser von 46 Millimetern. Akkus in diesem Format sollen ab 2025 in den Modellen der zur IAA erstmals als Konzept gezeigten, sogenannten "Neuen Klasse" zum Einsatz kommen. Allerdings in keinem Fall aus "Parsdorfer Fertigung", die sich auf etwa 1.000 bis 2.000 Akkus oder eine Million Zellen (0,1 gWh) beläuft, sondern vom jeweiligen Lieferanten, die gerade festgelegt werden.
Bisher waren es CATL-Zellen, die der Hersteller verwendete. Das "Cell Manufacturing Competence Center" (CMCC) in Parsdorf soll insofern keine Serienfertigung darstellen, sondern den Hersteller fit machen für den Hochlauf der Elektromobilität, man reklamiert nicht weniger als eine "führende Rolle in der Batteriezelltechnologie" für den Konzern. Auf Basis der Erkentnisse in der Fertigung soll ein "Lastenheft" für den Lieferanten entstehen, mit dem in enger Kooperation das neue Akkudesign gestaltet und gebaut wird, auf einer eigenen und separaten Linie, wie die Münchner betonten.
„Mit dem Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung stärken wir die Innovationskraft in Deutschland. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für den technologischen Weitsprung der Neuen Klasse", erklärt Milan Nedeljković, Produktionsvorstand der BMW AG.
Er forderte in dem Kontext einen verlässlichen Rechtsrahmen und Bürokratieabbau, eine Verbesserung der Infrastruktur in Sachen Digitalisierung und nachhaltiger Energie sowie als Basis ein dichtes Netzwerk aus Bildung und Forschung. Gerade bei der HV-Batterietechnik seien große Sprünge zu erwarten, die rasch in die Industrialisierung überführt werden müsse. Die Batterie spiele eine Schlüsselrolle für die Mobilität der Zukunft. Das Zusammenspiel zwischen Forschung, Politik und Unternehmen funktioniere speziell in Deutschland sehr gut, weswegen man auch an diesem Standort investiere.
Deutschland hat die Zukunft nicht hinter sich
Deutschland und Europa habe die Zukunft nicht hinter sich, sondern müsse seine Stärken im globalen Wettbewerb wieder deutlicher herausstellen. BMW liege auf Platz 3 der Patentanmeldungen im Bereich Batterien, die man in Parsdorf nun bündeln wolle. Es gehe um einen "technologischen Weitsprung", so Nedeljković. Man wolle zwar bewusst nicht in die Großserie einsteigen, allerdings tief in die Technik eindringen, im Zusammenspiel der Entwicklung in München und der Zellfertigung in Parsdorf.
Die neue Musterfertigung von Batteriezellen in Parsdorf markiere den nächsten logischen Schritt in unserer Batteriezellstrategie, befindet Frank Weber, Entwicklungsvorstand der BMW AG. Das Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung sei die perfekte Ergänzung zu unserem bereits bestehenden Kompetenzzentrum Batteriezelle im Münchner Norden.
"Während dort die Entwicklung stattfindet, skalieren wir in Parsdorf dann das beste Produkt in Richtung Serienprozess. Dank der ressortübergreifenden Zusammenarbeit verknüpfen wir Produkt und Prozess", skizziert Weber weiter.
Das Parsdorfer CMCC ermöglicht es der BMW Group, die Wertschöpfungsprozesse der Zelle vollständig darzustellen. Von 100 Parametern und 3.000 Wirkzusammenhängen in einer Zelle sprechen die Verantwortlichen, um den Grad der Komplexität zu verdeutlichen. Durch dieses Knowhow will das Unternehmen Benchmarks in Produktion, Qualität, Leistung, Kosten und Ökologie setzen, die sie in enger Zusammenarbeit mit ihren Partnern für die Serienproduktion der Batteriezellen realisiert. Unterstützt werden soll der Hochlauf der, wie man stolz betont bereits sechsten Generation der BMW Elektroantriebe sowie die Entwicklung von Feststoffbatterien (All-Solid-State-Batteries, ASSB).
Etwa 80 Mitarbeitende sind im 15.000 Quadratmeter umfassenden CMCC beschäftigt. Die Investitionen in das Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung betragen rund 170 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium und das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie unterstützen das Vorhaben im Rahmen des europäischen Förderprozesses IPCEI (Important Projects of Common European Interest).
Recycling im CMCC: Materialien im Kreislauf halten
Rohstoffe zählen zu den signifikanten Kostenfaktoren in der Zellfertigung, weshalb man sich einem "effiziente und verantwortungsvollen Umgang mit Ausgangs- und Trägermaterialien" verschriben hat, typisch für die Münchner sollen sich hier ökologischer und ökonomischer Nutzen paaren. An dem Standort will man nun in allen Prozessen Erfahrungen sammeln, um den Ressourceneinsatz zu optimieren. So werden die während des Produktionsprozesses anfallenden Reststoffe gesammelt, sortiert und erneut dem Kreislauf einer Zellfertigung zugeführt. Neben der Herstellung spielt eben die Wiederverwendung von Materialien und Komponenten der gesamten Batterie nach dem ersten Einsatz im Fahrzeug eine große Rolle.
Im Münchener Kompetenzzentrum Batteriezelle (Battery Cell Competence Center, BCCC) wurden erste Batteriezellen aus 100% recyceltem bzw. sekundärem Kathodenmaterial (battery grade) hergestellt und mit modernsten Charakterisierungsmethoden geprüft, wie man nicht minder stolz verweist. Darüber hinaus lieferten die Zellhersteller bereits heute Batteriezellen mit Anteilen von Sekundärrohstoffen (etwa Nickel), die aus verschieden Altbatterie-Quellen (u.a. Produktionsabfällen) stammen. Langfristiges Ziel der ist der umfassende Wiedereinsatz der verwendeten Rohstoffe in kreislauffähigen Hochvoltbatterien.
Weg zur Zelle: Produktion in der Musterfertigung
Die Zellfertigung beginnt mit der Elektrodenproduktion. Hier wird das Grundmaterial, unter anderem bestehend aus Graphit für die Anode und Nickeloxiden für die Kathode, mit Bindern und Lösemittel in einem exakt bemessenen Verhältnis zueinander dosiert und gemischt. Dabei entsteht das sogenannte „Slurry“. Damit werden hauchdünne Metallfolien beschichtet und nach der Trocknung verdichtet. Im Fachjargon spricht man vom Kalandrieren. Dabei geht es um höchste Präzision, wie der Hersteller skizziert: Die Folie ist nur wenige Mikrometer dick, also dünner als die Fäden eines Spinnennetzes. Die Beschichtung bewegt sich im Mikrometer-Bereich. In der Zellmontage werden die beschichteten Folien, in der Fachsprache als kalandrierte Elektroden bezeichnet, mit dem Separator zu sogenannten „Jelly Rolls“ gewickelt und in das Zellgehäuse eingesetzt. Die Zellen werden nun mit Elektrolyt befüllt, dann erstmals geladen und abschließend auf ihre Funktion und Qualität geprüft.
CMCC Parsdorf: Gebäude mit Fokus auf Ökologie
Auch das Gebäude des CMCC soll hohe ökologische Standards erfüllen, etwa auf den Immissionsschutzi, bei dem man alle Anforderungen und Vorgaben erfülle. Darüber wird das Areal "fossilfrei" über regenerativ erzeugten Strom betrieben, unter anderem mithilfe von Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach. Das Gebäude wird zudem mit regenerativer Wärme versorgt, die mit Grundwasser- und Luftwärmepumpen gewonnen werden.
Die sechste Generation: neues Zellformat, weiterentwickelte Zellchemie
Die Batteriezelle ist für zentrale Eigenschaften von E-Fahrzeugen verantwortlich: Reichweite, Fahrleistung und Ladezeit, wie der Hersteller verweist. Mit der neuen, eigens auf die E-Architektur der Modelle der Neuen Klasse ausgerichteten BMW-Rundzelle soll es möglich sein, im reichweitenstärksten Modell die Reichweite deutlich um bis zu 30 Prozent (nach WLTP) zu erhöhen. Die neuen Rundzellen haben einen einheitlichen Durchmesser von 46 Millimetern und zwei verschiedene Höhen von 95 Millimetern und 120 Millimetern. Bezogen auf die prismatischen Zellen der fünften Batteriezellgeneration wird in den Rundzellen der sechsten Generation kathodenseitig der Nickelgehalt erhöht sowie gleichzeitig der Kobaltanteil reduziert, wie man präzisiert. Anodenseitig wird der Siliziumanteil erhöht.
Im Ergebnis steigt die volumetrische Energiedichte in der Zelle um mehr als 20 Prozent. Energiespeicher, Antrieb und Ladetechnologie der Neuen Klasse werden über eine auf 800 Volt erhöhte Spannung verfügen, so die Ankündigung. Unter anderem wird so das Einspeisen von Energie an Gleichstrom-Schnellladestationen optimiert. Dort lasse sich bei einer Stromstärke von bis zu 500 Ampere eine deutlich gesteigerte Ladeleistung erzielen, so dass sich der erforderliche Zeitaufwand für das Aufladen von zehn auf 80 Prozent um bis zu 30 Prozent reduziert, versprechen die Münchner.
Reduktion des CO2-Footprints in Batteriezellfertigung um 60 Prozent
Speziellen Fokus will man aber auch auf die Lieferkette legen, um bereits hier den CO2-Footprint und Verbrauch an Ressourcen für die Herstellung so niedrig wie möglich zu halten. Für die Serienproduktion der Batteriezellen werde die beauftragten Zellhersteller Kobalt, Lithium und Nickel einsetzen, das anteilig aus Sekundärmaterial besteht. Zusammen mit der Verpflichtung wiederum ihrer Zelllieferanten, für die Produktion ausschließlich Grünstrom aus erneuerbaren Energien zu verwenden, wollen die Münchner den CO2-Footprint in der Batteriezellproduktion um bis zu 60 Prozent gegenüber der aktuellen Generation von Batteriezellen reduzieren.
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