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Meinungsbeitrag

Chinas Tech-Offensive: Wettbewerb oder Wirtschaftskrieg?

Wenn der britische Geheimdienst Alarm schlägt, sollten westliche Demokratien aufhorchen, die Wirtschaft nicht naiv sein: China drängt mit Macht auf den Markt, launcht E-Autos, Smartphones, Funktechnik und gar Flugzeuge. Und klarer Absicht, technische Dominanz in politische Hegemonie umzumünzen.

Neue Horizonte, auch für das Regime? Höchst doppeldeutig ist das Key-Visual des neuen Anbieters aus dem Reich der Mitte, der nicht nur Berlin ins Visier nimmt. Ist das noch Wettbewerb oder Teil einer strategischen Aggression? | Foto: NIO
Neue Horizonte, auch für das Regime? Höchst doppeldeutig ist das Key-Visual des neuen Anbieters aus dem Reich der Mitte, der nicht nur Berlin ins Visier nimmt. Ist das noch Wettbewerb oder Teil einer strategischen Aggression? | Foto: NIO
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Johannes Reichel

Der britische Geheimdienstchef Sir Jeremy Fleming hat in einer programmatischen Rede vor dem zunehmenden Einfluss Chinas in der Welt gewarnt: Die chinesische Führung setze "technische Dominanz zunehmend für politische Zwecke ein", mahnte der Chef des Government Communications Headquarters (GCHQ). China arbeite "gezielt und geduldig an dem strategischen Vorteil", den sie bekomme, indem sie das "technologische Ökosystem der Welt" forme, äußerte Fleming weiter. Ziel sei nicht Wettbewerb, sondern Kontrolle der "Märkte, ihrer Einflusssphären und ihrer eigenen Bürger", warnte Fleming weiter. Einhergehend mit dem Ausbau der wirtschaftlichen Stärke habe die Führung in Peking "drakonische Sicherheitsgesetze und eine Überwachungskultur eingeführt.

Zur Expansion nutze man digitale Währungen ebenso wie Satellitensysteme und technologische Produkte. Jüngst gab China sogar den Start des ersten vollständig in China entwickelten Passagierjets Comac C919 bekannt. Die Technologie werde, so Fleming, zum "Schlachtfeld" im Kampf um Kontrolle, Einfluss und Werte, so die nüchterne Analyse. Fleming warnte Staaten davor, sich auf prekäre Deals mit China einzulassen, welche mit der Übernahme vermeintlich günstiger und vorteilhafter Technologie einhergehe, die "versteckte Kosten" bergen würden. China werde sein "technisches Monopol" in künftigen Krisen nutzen, um international Gefolgschaft zu fordern. Der Westen brauche eigene, praktikable und bezahlbare Angebote.

Fleming mahnte, dies sei ein "Schlüsselmoment der Geschichte" und machte zugleich Hoffnung: Denn der Westen habe diverse Vorteile auf seiner Seite, wie Rechtsstaat, starke Institutionen, den Willen zur Kooperation. Es müsse aber gehandelt werden, indem man die eigene technologische Entwicklung stärke und China klar mache, dass deren Rolle als Störfaktor einen Preis haben werde.

"Peking nutzt all seine Hebel, um den internationalen Nachkriegskonsens zu Wirtschaft und Technik in Frage zu stellen. Und es will die Regeln der internationalen Sicherheit neu schreiben, ... auf eine Art, wie wir sie nie gesehen haben".

Vor diesem Hintergrund und bei aller Technik-Euphorie über den Launch der Marke Nio in Berlin, der mit allem Pomp und Getöse zelebriert wurde, wie man es sonst von deutschen Marken wie Daimler kennt: Uneingeschränkt zu begrüßen und gar unkritisch zu bejubeln ist der Markteintritt der China-Premium-Brand ebenso wenig wie der von MG, Maxus, BYD, die weiteren Geely-Brands LEVC oder Lynk & Co oder ja, auch den sympathischen Volvo-Schweden, hinter denen niemand anderes steckt als der Geely-Konzern mit seinem Automogul Li Shufu. Nicht nur über seinem, unternehmerisch ohne Zweifel bewundernswertem und strategisch weitsichtigen Handeln schwebt die Frage: Wie unabhängig vom Regime und der Kommunistischen Partei kann ein Unternehmer im Reich der Mitte wirklich sein?

Und das einzig wirklich erschwingliche Elektroauto auf dem hiesigen Markt, trägt ein Dacia-Logo im Grill und stammt, als modifizierter Renault EZ aus, natürlich: Aus China.

 

Größter Einzelaktionär bei Mercedes-Benz: Der Pekinger Autokonzern BAIC. Knapp zweitgrößter: Geely, beide mit je zehn Prozent. Und der neue Smart wird gleich mit Geely in China gebaut, das Design kommt noch aus Stuttgart. Nicht anders BMW: Der nächste Mini wird kaum noch ein Brite sein, sondern vor allem ein Chinese, der dort gefertigt natürlich auch den Markt erschließen soll. Ein zweischneidiges Schwert ist auch, wenn ein urdeutsches Unternehmen wie Sixt 100.000 Fahrzeuge bei BYD bestellt, die dann in Vermiet- und Sharingdiensten in ganz Europa, ja, nicht zuletzt Daten sammeln.

Denn nichts anderes als gigantische Datensauger sind moderne und vernetzte Fahrzeuge. Und den Beteuerungen, die Daten blieben ja bei den Firmen, will man ebenso wenig Glauben schenken, wie die einstigen Beteuerungen Funktechnologie von Huawei sei einfach neutrale, preisgünstige und leistungsfähige Digitaltechnik.

Es ist eine Wanderung auf sehr schmalem Grat, die die deutsche Autoindustrie und die deutsche Politik da zu bewältigen hat: Schließlich sind Marken wie BMW, Audi, VW oder Daimler in höchstem Maße abhängig vom Export in den chinesischen Markt, machen hier ihre Stückzahlen, während der europäische Markt gesättigt ist und kaum noch die wie ein heiliger Gral gehüteten Wachstumsraten verspricht, an die man sich über die Jahre gewöhnt hat. 

Das Handeln der westlichen Unternehmen mag seine betriebswirtschaftliche Bewandnis und Begründung haben. Schließlich klotzen die China-Marken - mal abgesehen von der Premium-Marke Nio - mit verlockend günstigen Preisen, wenn man an Maxus Vans oder die MG Pkw denkt.

Überhaupt halten diese beiden Marken den hiesigen Herstellern stellvertretend den Spiegel ihrer Versäumnisse vor: Einen erschwinglichen und reichweitenstarken E-Transporter wie den eDeliver3 oder eDeliver9 westlicher Provenienz gibt es bis heute nicht. Und einen erschwinglichen und reichweitenstarken Elektro-Kombi für die Familie wie den MG5 erst recht nicht. Bei den Koreanern dagegen wird man ja durchaus fündig, in Sachen erschwinglicher E-Mobilität und auch der Stellantis-Konzern kommt allmählich aus dem Quark mit nicht nur wie bisher schon erschwinglichen, sondern auch noch reichweitenstarken und effizienten Elektro-Modellen.

Denn siehe Flemings Mahnung: Die verheißungsvollen und zweifellos anders als vor zehn Jahren höchst "konkurrenzfähigen" Produkte aus China haben möglicherweise einen Preis, der nicht auf dem Preisschild vermerkt ist und der sich auch nicht sofort bemerkbar macht. Umgekehrt kauft man dann einen Ford E-Van aus britisch-türkischer Produktion oder einen Volkswagen aus Wolfsburg, Zwickau oder Hannover mit dem guten Gefühl, nicht indirekt und langfristig die Pläne einer menschenverachtenden Diktatur zu unterstützen, so schwer (oder auch wieder nicht) die Kausalkette herzuleiten sein mag.   

Es hilft nichts, die Augen zu verschließen: Der Autokauf wird zunehmend politisch - und das ist eine Entwicklung, die uns von China aufgezwungen wird. Doch in Anbetracht eines immer aggressiver und nicht etwa freundschaftlich-kompetetiv auftretenden, strikt autokratisch geführten chinesischen Staates, kann und darf man den politischen Hintergrund bei alledem nicht ausblenden, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz bald zum ersten Auslandsbesuch eines westlichen Staatschefs seit drei Jahren ins Reich der Mitte aufbricht. Das grausame und mittlerweile erdrückend evidente Schicksal der Uiguren schon gleich gar nicht, die zu hundertausenden in euphemistisch "Umerziehungslager" genannte Zentren gesperrt werden, um ihre Kultur schlicht zu tilgen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen und rechtfertigt auch nicht, weiterhin "politisches Appeasment um der Wirtschaft Willen" zu betreiben, wie es die Ära Merkel prägte, die diese ungute Entwicklung überhaupt erst zugelassen hat.

Es mag schwierig sein, aber China zwingt uns zu dieser Entscheidung. Es braucht nicht nur eine "feministische", sondern auch eine "humanistische Außenpolitik", in die sich die Wirtschaftspolitik einzubetten hat. Wirtschaft ohne Politik und ohne Moral, das geht diesem China gegenüber nicht mehr.

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