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„Champagner-Motor“ von Obrist: Zweizylinder mit mehr Laufruhe als Zwölfzylinder

„Läuft so vibrationsfrei, dass ein gefülltes Champagner-Glas darauf völlig ruhig steht.“

Obrist demonstriert den „Zero Vibration Generator“ (ZVG) genannten Minimotor gerne mit einem darauf stehenden gefüllten Champagnerglas, weil man der edlen Flüssigkeit darin zu keinem Zeitpunkt durch eine wie auch immer geartete Bewegung ansieht, wenn der Zweizylinder läuft. (Foto: Obrist)
Obrist demonstriert den „Zero Vibration Generator“ (ZVG) genannten Minimotor gerne mit einem darauf stehenden gefüllten Champagnerglas, weil man der edlen Flüssigkeit darin zu keinem Zeitpunkt durch eine wie auch immer geartete Bewegung ansieht, wenn der Zweizylinder läuft. (Foto: Obrist)
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Ein kompakter Zweizylindermotor im Auto, der vibrationsfreier läuft als ein Zwölfzylinder, dem Maßstab für Laufruhe bei Verbrennungsmotoren: Mit dieser Erfindung wartet die deutsch-österreichische Industriegruppe Obrist auf. Das Unternehmen demonstriert den „Zero Vibration Generator“ (ZVG) genannten Minimotor gerne mit einem darauf stehenden gefüllten Champagnerglas, weil man der edlen Flüssigkeit darin zu keinem Zeitpunkt durch eine wie auch immer geartete Bewegung ansieht, wenn der Zweizylinder läuft. Der „Champagner-Motor“ kommt in dem von der Gruppe forcierten Hyper-Hybrid-Konzept zum Einsatz.

Minimotor als Stromquelle

Der „Trick“ dabei: Der Minimotor wird gar nicht mit dem Antriebsstrang des Wagens verbunden, sondern dient ausschließlich der Stromerzeugung und speist über eine kompakte Pufferbatterie einen Elektromotor, der das Fahrzeug antreibt.

„Hyper-Hybrid verbindet die Vorteile der Elektromobilität mit der Einfachheit des gewohnten Tankvorgangs und löst damit die mit E-Autos zwangsläufig verbundene Frage nach der Reichweite“, erklärt Frank Obrist, der das Hyper-Hybrid-Konzept gemeinsam mit seinem Team seit 2011 entwickelt hat.

Denn der Wagen fährt mit herkömmlichem Sprit (Benzin oder E-Fuels) von jeder Tankstelle. Der Verbrauch liegt nach eigenen Angaben mit rund 1,5 l/100 km sehr niedrig, die Reichweite ohne Nachtanken oder Laden beträgt mehr als 1.000 km. Es wird also bei dieser hybriden im Unterschied zur bloßen Elektromobilität keine neue Ladeinfrastruktur benötigt. Zudem entfallen die bei E‑Autos ansonsten notwendigen großen und schweren Batterieblöcke.

Zero-Vibration-Generator und Pufferbatterie als Herzstücke

Da der 45 kW starke und 110 kg leichte „Champagner-Motor“ lediglich dazu dient, die Pufferbatterie des Wagens bei Bedarf zu laden und – wenn nötig – die Klimaanlage mit Strom zu versorgen, muss er nicht hochdrehen wie ein konventioneller Automotor, sondern läuft sofern überhaupt stets im optimalen Drehzahlbereich. Das Konstruktionsprinzip des Motors ist bewusst einfach: Technisch handelt es sich um einen Saugmotor mit Mehrkanaleinspritzung mit 1 l Hubraum. Die bei Antriebsmotoren übliche variable Ventilsteuerung entfällt.

Die beiden Kurbelwellen arbeiten gegenläufig, so dass sich jedwede Vibration eliminiert. Ein gummigedämpftes Getriebe auf der zweiten Kurbelwelle minimiert die vom Getriebe erzeugten Geräusche. Ein integriertes Schwungrad kompensiert alle Trägheiten der rotierenden Teile, und zwar auch der externen Kräfte außerhalb des Motors einschließlich des Ölsystems mit der Ölpumpe. Dadurch und durch eine vollständige Kapselung in einer Schalldämmungsbox etwa von der Größe eines Schuhkartons arbeitet der Motor praktisch geräuschlos und vibrationsfrei.

Neben dem „Champagner-Motor“ stellt die Pufferbatterie ein zweites Herzstück des Hyper-Hybrid-Konzepts dar. Das kompakte Batteriepaket besteht aus zwei Schichten übereinander angeordneter Rundzellen in einem Vakuum, das mit einer in der Batterie integrierten Pumpe aufrechterhalten wird. Eine 2 cm dicke Isolierschicht sorgt für günstige Temperaturverhältnisse. Die gesamte Minibatterie wiegt lediglich 98 kg, rund 85 % weniger als der Batterieblock etwa in einem Tesla Model Y. Dennoch verschafft sie dem Hyper-Hybrid mit 17,3 kWh eine rein elektrische Reichweite von über 80 km; genug für 90 % aller Fahrten im Alltag.

Klimapositiver Ansatz

Die Obrist Group bezeichnet ihr Konzept als serienreif und stuft es als eine Alternative zur rein batterieelektrischen E‑Mobilität ein. Der im Wagen verbaute Champagner-Motor erzeugt zwar – wenn er mit Benzin betrieben wird – Kohlendioxid, aber angesichts des geringen Verbrauchs sehr wenig. Im Gegenzug entfällt der sogenannte CO2-Rucksack herkömmlicher E‑Autos bei der Herstellung der großen Batterieblöcke beim Hyper-Hybrid beinahe vollständig. Wird das Triebwerk mit nachhaltig erzeugten E‑Fuels betrieben, kehrt sich die CO2-Bilanz sogar um: Bei der Produktion des synthetischen Kraftstoffs kann der Atmosphäre mehr Kohlendioxid entzogen werden, als bei der späteren Verbrennung im Minimotor freigesetzt wird. Die Obrist Group spricht von einem „CO2-negativen“ bzw. „klimapositiven“ Ansatz.

E‑Fuels als Perspektive

Das Hyper-Hybrid-Konzept hat nach Ansicht der Entwicklungsschmiede gute Aussichten auf einen Einsatz in Europa, sofern das für 2035 geplante Zulassungsverbot für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor eine Ausnahme vorsieht für Wagen, die mit E‑Fuels fahren. In Deutschland ist der Anteil der an E-Autos Interessierten in den letzten zwei Jahren von 34 auf 29 % zurückgegangen, hat eine aktuelle Umfrage von McKinsey ergeben. Demnach bereut knapp ein Viertel aller E-Auto-Fahrer den Umstieg auf Elektromobilität. Ein kritischer Faktor ist offenbar die E-Infrastruktur: Nur 7 % halten das bestehende Ladenetz für ausreichend – ein Hemmnis, das mit dem Hyper-Hybrid keine Rolle mehr spielen würde. Losgelöst davon bleibt das Obrist-Konzept für den Rest der Welt interessant: Nur ein gutes Fünftel aller Fahrzeuge rund um den Globus fährt auf europäischen Straßen. 

Mehr zum Champagner-Motor im Einsatz im verlinkten Video.

Was bedeutet das?

Das Hyper-Hybrid-Konzept könnte durchaus eine Übergangslösung darstellen. Auf Dauer hilft jedoch nur die vollständige Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe weiter beim Kampf gegen die Erderwärmung. Denn auch der Champagner-Motor emittiert weiterhin CO2, wenn er mit herkömmlichem Benzin betrieben wird, und geringfügig Schadstoffe wie Partikel und NOx, sofern er mit E-Fuels läuft. Letztere dürften mindestens in den nächsten zehn Jahren nicht wirtschaftlich verfügbar sein. Bis dahin sind E-Autos aber bereits günstiger herzustellen als Verbrenner. Zudem schrumpft der CO2-Rucksack der Batterieherstellung für E-Autos von Jahr zu Jahr. Hersteller, die bereits heute massiv erneuerbare Energien für die Akkuproduktion herstellen, sprechen aktuell von einer Mehrbelastung gegenüber Antriebssträngen auf Verbrennerbasis von nur noch 8.000 km Fahrkilometern. Schon bei durchschnittlichen Fahrleistungen hat sich diese Mehrbelastung in sechs bis acht Monaten amortisiert, so dass das E-Auto anschließend nahezu CO2-frei unterwegs ist im Vergleich zum Verbrenner.

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