Wenn Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Car-Universität Duisburg-Essen zum Car-Symposium lädt, garantiert das in der Regel hochwertige Beiträge, die meist genau die Balance zwischen hochdetaillierter Information und allgemeiner Verständlichkeit finden. Das galt auch diesmal, als mit Matthias Zengraf der Präsident von CATL Europe die erste Rede hielt und stolz verkünden konnte, dass das Werk Erfurt deutlich schneller deutlich stärker ausgebaut wird als ursprünglich geplant. Womit er als Hersteller von Zellen auch gleich die Basis für die folgenden Beiträge legte. Ihm folgte Akari Yoshino, Honorary Fellow bei der Ashai Kasei Group, die die Pkw-Studie Akxy mitbrachte. Die vereint diverse Geschäftszweige und Produktlinien in sich, zumal die Japaner auch im chemischen Bereich große Kompetenzen aufweisen können. Womit Dr. Yoshino gleich den Boden bereitet hat für die dann folgenden Beiträge, die teils sehr tief in die Chemie einstiegen und hier nicht selten die Anoden- und Kathodenbeschichtung zum Inhalt hatten.
Fehlerquote niedriger als bei Tabletten
So auch bei Andreas Hintennach, der bei Daimler für die Forschung der Elektrochemie zuständig ist und gleich mal erklärte, dass die Fehlerquote der Zellchemie bei Akkus nochmal niedriger läge als bei Tabletten. Hier bewegt man sich also in sicheren Gewässern, so lange man das Ganze nicht weiterentwickeln möchte. Und genau das steht immer wieder an, weshalb er die Zellforschung für immens wichtig hält, auch wenn man selbst gar keine Zellen fertige. Er warnt allerdings vor einseitigen Entwicklungen nur in Richtung Energiedichte oder Preis. Vielmehr müsse eine Zelle im Fahrzeugakku mehrere Punkte erfüllen und da sei es auch eine Möglichkeit, mit mehr Dichte Gewicht und Volumen zu sparen, um wiederum die Crashsicherheit zu erhöhen oder diese weniger massiv gestalten zu müssen. Und weil auch jedes Brennstoffzellenfahrzeug über einen Akku verfügt, lohne sich die Zellforschung in gleichem Maße für die Wasserstoffmobilität.
Next Generation: Von wegen schlechte Umweltbilanz!
Auch die Vorurteile, dass Akkus in der Ökobilanz extrem schlecht seien, beendet der Daimler-Akku-Forscher. Denn die nächste Generation, die aktuell entwickelt würde, weise eine doppelt so gute Umweltbilanz auf wie die letzte Generation. Und auch die Gesamtbilanz in einem Fahrzeugleben sei mittlerweile deutlich besser: Rechnet man die Fahrzeuge über zehn Jahre und 200.000 Kilometer, könne ein batterieelektrisches Auto heute um eine bis zu 29 Prozent bessere Umweltbilanz aufweisen als ein vergleichbarer Benziner. Tatsächlich habe man beim Recycling und Ressourcenmanagement große Fortschritte erzielen können. Darüber hinaus gäbe es noch viele Varianten der Lithium-Ionen-Akkus und für die Zukunft sieht er beispielsweise Lithium-Schwefel- oder Lithium-Luft-Kombinationen. Es gäbe noch so viele Varianten im Akkubereich und das sei das Schöne an der Forschung: „Dass es so viele Möglichkeiten zum Forschen gibt!“
Lithium-Ionen-Technik: Potenzial für weitere 30 Jahre
Für eine Zellforschung plädiert auch Martin Winter von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, denn: Die mache zwar nur 25 Prozent des Gesamtsystems Batterie aus, doch wenn einem die fehlen, könne einem schnell das Verständnis für neue Gesamtsysteme abhanden kommen. Außerdem sei die Lithium-Ionen-Technik so gut, dass sie noch Potenzial für weitere 20 bis 30 Jahre böte:
„Die Leute fragen immer nach der Super-Batterie – dabei haben wir sie schon!“
Die Begrifflichkeit kommt übrigens von Sony, wo sich der damalige CEO Isao Tozawa um Namen und Produkt verdient gemacht hat. Trotzdem fragt ihn der Gastgeber Dudenhöffer, welches Potenzial die Lithium-Ionen-Akkus noch hätten. Und hier würde Winter bis 2025 je nach Technik und Entwicklung nochmal bis zu 50 Prozent Reichweite draufpacken.
Rohstoffproblematik: Geschlossene Materialkreisläufe schaffen
Ihm folgt Paul Spurk, Manager Applied Technology von Umicore. Dort forscht man unter anderem an den Kathodenmaterialien und aktuell sei der Trend dahingehend, dass man den Kobaltanteil reduzieren und den Nickelgehalt erhöhen wolle. Er plädiert aber auch für eine differenziertere Herangehensweise, die Akkus nach Bedarfen weiterzuentwickeln. Und, für den Recycler Umicore ganz wichtig: Geschlossene Materialkreisläufe zu schaffen, um die Nachfrage nach Rohstoffen zu entschärfen. Auch hier hakt der Gastgeber wieder nach: Wenn Umicore 175.000 Tonnen Schrott recycelt, wie viele Gigawattstunden könne man daraus erzeugen? Spurk antwortet, das seien rund 85 GWh und weist nochmal ausdrücklich darauf hin, dass allein sein Unternehmen in den kommenden Jahren rund eine Milliarde Euro in die diversen Akkuthematiken investieren würde.
Damit die Chemie stimmt: Keramische Festkörperakkus
Noch tiefer steigt Dina Fattakova-Rohlfing ins Thema ein, die sich im Forschungszentrum Jülich mit der Akkuforschung im Elektrochemiebereich beschäftigt. Dort forscht man vor allem an keramischen Festkörperakkus. Ein großes Problem sei dabei die hohe Sintertemperatur zwischen 800 und 1000 Grad Celsius: Hier mehrere Materialien zusammenzusintern sei noch eine Kunst für sich, die es zu entwickeln gilt. Auch die Teilchengröße könne noch optimiert werden. Außerdem sei das Kathodenmaterial ein Knackpunkt. Den ihr Nachredner, Andreas Fischer von der BASF gern aufnimmt. Denn genau damit beschäftige man sich. Denn die Kathode respektive deren Beschichtung hat die BASF als Möglichkeit zur Differenzierung ausgemacht. Und aktuell gehe die Reise klar in Richtung „High Nickel“, sprich, eine Erhöhung des Nickelanteils. Aber auch hier gibt es noch Probleme, zum Beispiel mit der Brüchigkeit und Phasenumwandlung. Auch er plädiert zudem für eine Differenzierung je nach Einsatz: Für günstigere Fahrzeuge könne man statt Nickel auch Mangan verwenden, das sei wohlfeil und mache keine Probleme, bringe aber eben nicht ganz die Energiedichte oder Schnellladefähigkeit, die man bei teureren Modellen erwarte. Intensiv beschäftige man sich auch mit dem Gasphasencoating, das eine feine geschlossene Beschichtung um die Kathode legt, in dem man Aluminiumoxyd aufbringt. Das verringert auch den Alterungsprozess und erhöht die Qualität.
BMW-Experte: Entwicklungssprünge werden kleiner
Auch Ralph Marquardt von Evonik erklärt, dass man sich intensiv mit neuen Beschichtungen, darunter neuen Siliziumhochleistungspulvern. Denn wenn man den Siliziumanteil um 10 Prozent erhöht, verdoppelt sich die kapazität. Das Problem ist dabei nur, dass die Siliziumcompounds im Laufe des Alterungsprozessess um bis zu 300 Prozent wachsen können, was wiederum chemisch eingedämmt werden muss. Das führte letztlich zu einem amorphen Anodensubstrat.
Und langsam wird einem klar, dass das mit der Energiedichtenerhöhung so einfach nicht mehr ist, wie auch Schlussredner Peter Lamp, Head of Research Battery Technology bei BMW erklärt. Tatsächlich hätte man seit 2013 die Kosten fast halbieren und die Leistungsfähigkeit fast verdoppeln können. Bei den neuen Generationen stehe man jedoch an einem Scheideweg. Und es könnte durchaus sein, dass sich die Akkuweiterentwicklung hier eines Tages auch nach Modellen aufsplittet. Günstige Autos erhalten Batterien, die Richtung Preis optimiert werden, Sportwagen dagegen könnten noch schneller ladbare, leichtere Akkus erhalten. Weshalb auch Lamp wichtig ist, den kompletten Akku inklusive Zellchemie zu kennen, den dann CATL wiederum „customized“ für einzelne Hersteller oder Modellreihen fertigen kann. Womit der Kreis des Half Day Special aufs eleganteste geschlossen wurde.
Was bedeutet das?
Auch die Akkuentwicklung erreicht erste Grenzen. Und die tauchen vor allem bei Anode, Kathode sowie den Grenzschichten auf. Und fordern vor allem die Chemiker und Beschichtungstechniker, hier neue Lösungen zu erarbeiten. Genau deshalb ist die Akkuentwicklung bis hinein in die Zelle so wichtig. Klare gemeinsame Meinung aller Beteiligten: Man muss nicht Alles unbedingt selbst fertigen, aber man sollte Alles selbst verstehen.
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