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Bykstar: Zwischen E-Bike und Enduro - der Easy-Rider vom Westend

Mit einem ultraleichten E-Bike, das das Beste von Fahrrad und Enduro vereint, will ein Münchener Start-up in den Markt. Nur einen Partner für Industrialisierung und Vertrieb sucht man noch. Wir fuhren Probe.

"Keep it simple": Leicht kann ganz schön schwer sein, aber das war der Anspruch für Christian Kugele bei seiner "smarten Fahrmaschine" Bykstar, die er an der Wiege des Start-ups im Münchener Westend präsentierte. | Foto: J. Reichel
"Keep it simple": Leicht kann ganz schön schwer sein, aber das war der Anspruch für Christian Kugele bei seiner "smarten Fahrmaschine" Bykstar, die er an der Wiege des Start-ups im Münchener Westend präsentierte. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Das Coolste am Bykstar ist dieser Sound: Als wäre es eine echte Enduro, nur halt etliche Dezibel gedimmt, sägt die E-Enduro im Stand vor sich hin, sobald man am Gas-, respektive Stromgriff dreht. Nur zu weit sollte man nicht drehen. Denn dann geht das ultraleichte E-Bike ab wie die berühmte "Schmidts Katze". Man saust wie an einem unsichtbaren Nylonfaden gezogen auf und davon, begleitet vom immer höher frequenten Sägesound, lenkt locker und leicht wie auf einem Mountainbike ein und hat überhaupt sehr schnell ein sehr sicheres Fahrgefühl.

Aber: Woher kommt nur diese Kraft, fragt man sich spontan, denn man sieht hier nicht etwa einen großformatigen "Ein-Topf" wie bei einer KTM oder Aprilia. Sondern nur eine winzige schwarze Spule, etwa faustgroß, die sozusagen das Herzstück dieses feinen Beispiels oberbayerischer Maschinenbaukunst ist und auf die Gründer und "Spiritus Rector" der E-Bike-Schmiede Bykstar aus München mit fast kindlicher Freude weist.

Motor aus dem Transport-Drohnen-Bereich

Zwölf Kilowatt Maximalleistung und sechs kW Dauerleistung bietet dieses kleine, und nur 2,3 Kilo leichte Elektro-Biest auf, das auch in Transport-Drohnen Dienst versieht und nichts mit den "üblichen Verdächtigen" im E-Scooter-Bereich von Bosch&Co zu tun hat. Die wiegen locker ein Vielfaches. Die Leistung des bis 100 km/h schnellen Gefährts kann man in mehreren Stufen bis zum Leistungsgipfel "Race" modulieren kann. Der Eco-Modus tut es für den Stadtverkehr völlig, auch so kommt man schneller als jeder Stadtgeländewagen aus den Puschen und setzt sich von der Ampel an die Spitze, als Scooter-Fahrer auch eine Art Sicherheitsaspekt.

Leichtigkeit des Seins: Basis für Fahrdynamik

Dass man so schnell aus den Blöcken kommt, hat mit dem Kugeles Leitprinzip bei der Konstruktion zu tun: Leicht muss es sein! "Keep it simple" oder "reduce to the max", war das Motto bei der Entwicklung, die hier im Münchener Westend im Gewerbehof ihren Anfang nahm. Also zum Beispiel: Wozu eine Abdeckung für den Akku. Das Bike besteht aus nur 117 unterschiedlichen Bauteilen, und zwar mit möglichst lokalen Lieferketten, wie Kugele stolz vermeldet. Der leidenschaftliche Mountainbiker, Enduro-Fahrer, Taekwondo-Schulen-Betreiber und Wirtschaftsingenieur Kugele, früher mal Werksstudent bei BMW, wollte das Beste aus den beiden Welten Fahrrad und Motorrad kreuzen.

Leichte Enduros wie die 125er-KTM Freeride wiegen trotzdem über 100 Kilogramm, auch eine eSchwalbe von Govecs mit Bosch-Antrieb kommt auf 120 Kilo, selbst reine Trial-Maschinen wiegen über 60 Kilogramm. Damit hat Sportsfreund Kugele nichts am Hut. Die Bykstar wiegt gerade mal 47 Kilogramm, bringt es damit auf ein Leistungsgewicht von 3,92 kg/kW und Kugele fällt es wahrlich nicht schwer, sein E-Bike kurz mal "scheuen" zu lassen, als sei es ein wilder Mustang.

Alu-Rahmen: Aus dem Vollen gefräst

Neben dem Motor bildet der CNC-gefräßte, sprich ohne jegliche Schweißnaht vearbeitete, höchst torsionssteife Alu-Rahmen die Basis für die "Leichtigkeit des Seins" beim Bykstar. Auf den ist der Ingenieur besonders stolz: Denn die zweiteilige und modular aufgebaute Konstruktion schafft maximalen Platz für einen eigenentwickelten Lithium-Ionen-Akku aus Basis von Sony-Rundzellen, der exakt im Rahmendreieck sitzt und über 2,65 kWh Kapazität verfügt. Für 70 bis 85 Kilometer Reichweite soll das genügen, locker eine Pendlerdistanz.

Mit Schnellladung binnen einer Stunde oder Standard in zweieinhalb Stunden ist der aber auch leicht wechselbare Speicher wieder mit Energie versorgt. Angedacht ist neben dem Hochleistungsakku auch eine schlichtere Version mit günstigeren Kosten. Die Ladestrategie hat Kugele so gewählt, dass die größtmögliche Lebensdauer für die Batterie gewährleistet ist, also nie unter die letzten zehn, möglichst nicht auf die letzten zehn Prozent. Sprich, hinterlegt ist ein ausgeklügeltes Energie- und Lademanagement. Nachhaltigkeit und Effizienz sind dem Ingenieur extrem wichtig.

Auch eine L1e-Version oder einen Cargo könnte es geben

Der modulare und mit zwei Patenten gesicherte Aufbau des Rahmens ermöglicht neben leichterer Reparatur und dank der Hinterradschwinge immer gleichen Kettenspannung - positiv für den Verschleiß - auch diverse Variationen. So könnte aus einer einspurigen Enduro auch ein Trike mit Box, etwa für den Lastentransport werden, visioniert Kugele. Fest vorgesehen hat er jedenfalls neben der Sportversion eine urbane L1e-Variante mit 45 km/h-Limit und Straßenzulassung sowie eine Cargovariante, bei der das Sattelmodul kurzerhand mittels eines Gepäckträgerelement verlängert werden kann. "Die Bauteile verändern hier den Charakter des Bikes", wirbt Kugele für die Wandlungsfähigkeit des Konzepts.

Mix aus Bike- und Motorradkomponenten

Man hat das Bike auch schnell mal eine Treppe hochgewuchtet oder ums Eck gehoben, wie ein kritischer Selbstversuch ergibt. Der Arbeitstitel seines Bikes ist Programm: "Easy". Außerdem fährt es sich so einfach wie kein Motorrad, sondern eben eher wie ein hochwertiges Freeride-Mountainbike, freilich mit einer Art "Bonanza"-Sattel. Vom MTB stammt etwa auch der leichte Rädersatz (vorn 26, hinten 24") mit Heavy-Duty-Speichen und Stollenbereifung, der Lenker, die 200-mm-Downhillfedergabel, das zentrale Dämpferelement (Rock Shox) oder die Magura-Bremsen, eine der wenigen, die aufgrund der Verwendung bei Pedelecs über eine elektronische Anbindung verfügen.

Und die braucht Kugele für seine Zwecke. Schließlich bremsen die Scheibenstopper nicht nur, das Bike verfügt auch über eine Rekuperation. Wobei der gelernte Ingenieur weiß: Rollen lassen ist im Zweifel die effizienteste Art der Energienutzung. "Ein-Griff-Fahren" ist so also eher nicht vorgesehen. Wenn man bremsen will, betätigt man eben den Griff und im ersten Hub wird Energie gewonnen. Wobei auch der Motor auf Vortrieb ausgelegt ist und nicht auf eine Generatorfunktion, wie Kugele anmerkt. Nicht jeder gute E-Motor sei auch ein guter Generator, betont er. Daher "greift" die Rekuperation auch erst ab einem Tempo von 17 km/h.

Kugeles Traum von der "smarten Fahrmaschine"

Geregelt wird übrigens vieles an Bord dieses so spartanisch anmutenden Bikes mit moderner Elektronik. Zwar ist das Fahrsystem mit dem im frühen Computer-Look neon-grün monochromen und robusten Display mit den wichtigsten Fahrdaten wie Reichweite, Ladezustand, Temperatur der Akkus komplett getrennt vom "Smart System", wie Christian Kugele betont. Aber per CAN-Bus wird das E-Bike voll vernetzt. Man könne also auch ein Smartphone verbinden, eine Bykstar-App implementieren oder später mal neue Software aufspielen, wenn gewünscht. Kugele verweist hier auf das "Prinzip Tesla" und meint trotz allem Purismus lakonisch: "Es gibt heutzutage nun mal Leute, die das wollen. Dann machen wir das". So könnte man etwa auch die Radius-Anzeige nach Art des kalifornischen E-Pioniers realisieren, das Bike orten oder es in Sharing-Systeme integrieren. 

Henne-Ein-Problem: Industrialisierung braucht Geld

Und, wie soll die "smarte Fahrmaschine" jetzt Realität werden? Kugele sieht sich im klassischen "Henne-Ei-Dilemma": Für eine Industrialisierung und den Aufbau eines Vertriebs braucht es viel Geld. Das hat er als Start-up natürlich nicht. Also sucht er einen Partner für den weiteren Weg in die Serie. Denn sein Bike ist soweit einmal fertig, wie er es sich vorstellt. "Mehr Geld zu investieren, macht an dieser Weggabelung erst einmal keinen Sinn", meint er. Weil er ja nicht weiß, in welche Richtung man das Konzept mit einem potenziellen Investor drehen will. Klar ist nur eines:

"Das ist kein Dumping-Scooter, sondern absoluter High-End-Bereich - und das soll auch so bleiben".

Dennoch hat Kugele hochgerechnet, dass dank all seiner "Reduzierungsmaßnahmen" und dem modularen Aufbau das Bike zwischen 7.000 und 8.000 Euro realisierbar sein sollte. "Wir stehen am Anfang der Entwicklung", meint der Elektro-Enthusiast. Zum Abschied will man das Bykstar nochmal leise "Servus" sägen lassen. Aber da hat Kugele schon den Aus-Knopf gedrückt. Zur Sicherheit. Schnurrt schließlich nicht nur, sondern geht ab wie „Schmidts Katze“. Und hoffentlich auch die Industrialisierung dieses spannenden LEV-Konzepts vom "Easy-Rider" aus dem Westend.

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