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Bosch: Halbleiterfabrik in Dresden soll Engpässe beseitigen

Um einige Monate früher als ursprünglich geplant, startet der Autozulieferer die Produktion von Chips für seine Elektrowerkzeuge sowie für die Automobilindustrie. Man kombiniert moderne Fertigungstechnologie mit künstlicher Intelligenz und will die Abhängigkeit von Fernost reduzieren.

Feierliche Eröffnung des 300-Millimeter-Halbleiterwerks am 7. Juni 2021 in Dresden (v.l.n.r.): Harald Kröger, Geschäftsführer Robert Bosch GmbH, Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Foto: Bosch.
Feierliche Eröffnung des 300-Millimeter-Halbleiterwerks am 7. Juni 2021 in Dresden (v.l.n.r.): Harald Kröger, Geschäftsführer Robert Bosch GmbH, Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Foto: Bosch.
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Johannes Reichel
von Claudia Leistritz

In einer virtuellen Veranstaltung mit Zuschaltung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Vizepräsidentin der EU-Kommission Margarethe Vestager und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wurde am 7. Juni eine der eigenen Aussagen zufolge modernsten Chipfabriken der Welt offiziell eröffnet. Es handele sich bei der Produktionsstätte um einen Vorreiter auf dem Gebiet von Industrie 4.0 und die erste auf einer Kombination von Künstlicher Intelligenz und der Datengrundlage des Internet of Things (AIoT, Artificial Intelligence of Things) basierende Herstellungsmethode des Unternehmens. „Hochautomatisierte, voll vernetzte und sich selbst optimierende“ Maschinen sollen dort mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Chips herstellen, so der Hersteller. Mit Juli ein halbes Jahr früher als geplant soll die Produktion mit der Fertigung von Halbleitern für Bosch-Elektrowerkzeuge starten. Im September und somit drei Monate früher als ursprünglich vorgesehen will man dann Chips für die Automobilindustrie herstellen.

Sparte Mikroelektronik ausgebaut

„Die neue Halbleiterfabrik von Bosch stärkt unsere Kapazitäten im Bereich der Mikroelektronik. Mikroelektronik ist Grundlage für nahezu jede zukunftsträchtige Technologie, für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, für Quantencomputing oder für autonomes und vernetztes Fahren – was ja auch die Spezialität von Bosch ist“, so Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Die neue Produktionsstätte, beeindruckend in ihrer Größe und den zusätzlich geschaffenen Produktionskapazitäten, stelle die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte dar und sei mit ihrer modernsten Technologie der „datengesteuerten, kontinuierlichen Produktionsverbesserung“ als intelligente Fabrik zu bezeichnen. „Hier gehen natürliche und künstliche Intelligenz mit dem Internet der Dinge eine produktive Symbiose ein.“

Innovationsstandort Europa gestärkt

Auch die Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margarethe Vestager, stellte die Modernität der Halbleiterfabrik heraus, betonte aber auch das gemeinsame Handeln von Industrie und „öffentlicher Hand“, die das Projekt möglich gemacht und damit einen wesentlichen Beitrag zur „Wettbewerbsfähigkeit Europas als Wiege für Spitzeninnovationen“ geleistet hätten: „Halbleiter werden zur Entwicklung von Branchen wie Transport, Produktion, Energie und Gesundheitswesen beitragen – in denen Europa Herausragendes leistet.“

Hohe Investitionen in modernste Technologien

Dass Bosch Halbleiter als „Kerntechnologie“ selbst entwickelt und auch produziert, sei für den Konzern taktisch gesehen von hoher Bedeutung. Denn der Einsatz von künstlicher Intelligenz stelle einen entscheidenden Fortschritt in der Halbleiterfertigung dar, meint Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. So sei die für das Unternehmen erste AIoT-Fabrik in Dresden von Anfang an als voll vernetztes, datengesteuertes und selbstoptimierend arbeitendes Werk geplant gewesen. Mit einem finanziellen Aufwand von rund einer Milliarde Euro für die hochmoderne Anlage am Standort in Dresden habe man die bisher höchste Investition in der über 130-jährigen Geschichte des Unternehmens getätigt.

Starke Position ausgebaut

Die neue Fabrik festige den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Gebiet der Halbleiterproduktion, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Mit diesen positiven Auswirkungen für Europa, Deutschland und Sachsen durch eine stark im Wachsen begriffenen Technologie seien zudem auch viele Arbeitsplätze verbunden. „Die Milliardeninvestition stärkt Silicon Saxony und die gesamte europäische Halbleiterindustrie.“

Produktionsstätte im Wachsen

Derzeit arbeiten laut Bericht in Dresden etwa 250 Angestellte auf einer Fläche von 72.000 Quadratmetern. Bis zum Ende der Bauphase soll die Anzahl der Mitarbeiter auf 700 anwachsen. Seit den 1950er Jahren ist Bosch auf dem Gebiet der Mikroelektronik intensiv tätig, eigenen Aussagen zufolge als einziger Automobilzulieferer. Bereits seit 1958 werden Halbleiter selbst hergestellt, seit 1970 im Reutlinger Werk Spezialbauelemente. Weitere hohe Investitionen seit der Einführung der 200-Millimeter-Technologie im Jahr 2010 brachte Bosch für seine Halbleiterfertigungen in Reutlingen und Dresden sowie für die Weiterentwicklung der Mikroelektronik auf. „Diese Kompetenz ist der Schlüssel für zahlreiche überlegene Systemlösungen von Bosch“, sagt Denner.

KI für Produktionsoptimierung

Mit einem der modernsten Halbleiterwerke der Welt in Dresden habe sich das Unternehmen auch einen Vorsprung bei der Industrie 4.0 erarbeitet. Das AIoT ermögliche zudem eine kontinuierliche Optimierung der Produktion. Grundlage sind die in einem zentralen Datenspeicher gesammelten Informationen von Anlagen, Sensoren und Produkten der Fabrik. Laut Bosch laufen im Werk je Sekunde Produktionsdaten in einem Umfang von 500 Textseiten auf, somit pro Tag 42 Millionen beschriebene Blätter. Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) werden diese dann ausgewertet.

Bei dem Vorgang werden selbstoptimierende Algorithmen zur Echtzeit-Analyse von Fertigungs- und Wartungsvorgängen darauf trainiert, aus den gesammelten Daten Vorhersagen abzuleiten. Kleinste Abweichungen an den Produkten könne ein AI-Algorithmus anhand von spezifischen Fehlerbildern oder Signaturen identifizieren. Die Fehler würden sofort analysiert und durch Korrektur eine fehlerhafte Produktion verhindert. So könne man einen hohen Grad an Prozessstabilität erreichen, meint Denner.

Auf diese Weise werde zudem der Serienstart von Halbleiterprodukten beschleunigt, da die sonst beispielsweise in der Automobilindustrie üblichen, aufwendigen Probeläufe bis zur Freigabe einer neuen Fertigung entfallen. Auch Wartungsarbeiten profitierten vom Einsatz der Künstlichen Intelligenz, da sie genaue Vorhersagen erlaube und Nachjustierungen oder Korrekturen nicht nach einem starren Plan abliefen sondern nach Bedarf und noch bevor es zu Schäden kommen könne.

Werk in Doppelausführung als „digitaler Zwilling“

Die Produktionsstätte existiert in allen seinen Teilen und relevanten Bauwerksdaten nicht nur real, sondern auch digital. Dazu wurden alle Daten bereits während der Bauphase digital erfasst und dreidimensional dargestellt anhand von etwa einer halben Million 3D-Objekten, zu denen die Gebäude und die gesamte Infrastruktur mit beispielsweise Ver- und Entsorgungsanlagen oder Lüftungssystemen gehört, aber auch die Maschinen und Fertigungsanlagen.

Auch damit seien Prozessoptimierungen möglich, aber auch Umbauarbeiten durch vorherige Simulation ohne Produktionsstopp leichter umzusetzen. Und per Datenbrille und Augmented Reality könnten die Maschinen auch aus weiter Entfernung über Kontinente hinweg und in Echtzeit gewartet werden. Nur durch diese Technologie sei während der coronabedingten Reisebeschränkungen eine Inbetriebnahme der Maschinen möglich gewesen, so Bosch.

Chips heute bereits unverzichtbar                                                                 

Halbleiter stellen heute praktisch in jedem technischen Gerät eine Grundkomponente dar, ob bei Smartphones, in der Unterhaltungs- oder Fitnessindustrie. Im Automobilsektor fahre bereits heute und erst recht in Zukunft kein Auto mehr ohne Halbleiter. So enthielt 2016 bereits weltweit jedes Neufahrzeug durchschnittlich mehr als neun Chips von Bosch, so der Konzern. Diese sitzen beispielsweise im Airbagsteuergerät, im Brems- oder Fahrassistenzsystem. Für letztere prognostiziert das Unternehmen die stärksten Zuwächse, ebenso aber auch für das Infotainment sowie die Elektrifizierung des Antriebs. Mit dem neuen Werk in Dresden habe man auf die gestiegene Nachfrage bei Halbleitern reagiert.

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