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Quo vadis, BMW? Zipse muss den Konzern auf Kurs Richtung Zukunft bringen

Produktionsvorstand Oliver Zipse tritt die Nachfolge von Harald Krüger an. Es bleibt die Frage: Wohin steuert der Konzern, der nach dem visionären Vorstoß mit dem i3 den Faden verloren hat. BMW hätte "der bessere Tesla" werden können. Jetzt schwimmt man "bestenfalls im Hauptfeld" mit.

Zipse galt als Favorit des Aufsichtsrates und übernimmt ab 16.8. als neuer BMW-CEO die Geschäfte. | Foto: BMW
Zipse galt als Favorit des Aufsichtsrates und übernimmt ab 16.8. als neuer BMW-CEO die Geschäfte. | Foto: BMW
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Johannes Reichel

Einmal mehr hat es ein Produktionsvorstand bei BMW nach ganz oben geschafft: Oliver Zipse wird am 16. August 2019 das Amt des Vorsitzenden des Vorstands der BMW AG übernehmen. Das hat der Aufsichtsrat des Unternehmens in seiner Sitzung in Spartanburg (USA) entschieden. Krüger wird im beiderseitigen Einvernehmen am 15. August 2019 sein Amt als Vorstandsvorsitzender niederlegen und aus dem Vorstand ausscheiden. Der designierte Vorstandsvorsitzende Zipse ist seit 2015 Mitglied des Vorstands der BMW AG und dort für das Ressort Produktion verantwortlich. Er begann seine berufliche Laufbahn im Unternehmen 1991 als Trainee und war seitdem in verschiedenen leitenden Funktionen tätig, unter anderem als Leiter des Werks Oxford sowie Leiter Konzernplanung und Produktstrategie.

Was bedeutet das?

Neuer Chef, neues Glück?! Wenn das mal zutrifft für BMW. Krüger und Zipse sind sich vom Stil - zurückhaltend, konsensorientiert, analytisch - sehr ähnlich. Ob der bisherige Produktionsvorstand den aus dem Konzern immer öfter erschallenden Ruf nach "mehr Führung" erhört und dann umsetzen kann, ist fraglich. Zu hoffen wäre es, dass er die orientierungslos im kaum zu vereinenden Spannungsfeld zwischen dem visionären i3 und dem anachronistischen X7 umherirrenden Motorenwerke wieder auf eine konsistente Linie Richtung Zukunft bringt.

Denn die Münchener haben heillos den Faden verloren, nachdem ausgerechnet der Ex-Entwicklungschef und heutige VW-Zampano Herbert Diess mit dem avantgardistischen i3 vor sechs Jahren einen unerhört futuristischen, mobilistisch visionären Akzent gesetzt hatte.

Nie zuvor war ein Automobil von der "Wiege bis zur Wiege", sprich "from Cradle to Cradle", "durchengineered" worden, inklusive CO2-neutraler Produktion, der Verwendung von Naturmaterialen, der fast vollständigen Recyclierbarkeit und dem superleichtem Carbon-Konzept. So hätte es weitergehen können, vielleicht nicht ganz so aufwändig, aber ein elektrischer Mini mit Stahlkarosserie zum erschwinglichen Preis, das wäre - jede Wette - ein Blockbuster geworden. Stattdessen kommt jetzt ein e-Mini gegenüber Wettbewerbern wie Renault gnadenlos zu spät, zumal der britische Stromer auf einem konventionellen Fahrzeug basiert, mit all den faden Kompromissen. Gegenüber dem noch mal verbesserten Zoe sieht der E-Mini jedenfalls alt aus, wo er noch nicht mal das Licht des Marktes erblickt hat.

Überhaupt: Mini als die Marke elektrischer, hybrider, erdgasgetriebener und nachhaltiger Kompakt-Mobile mit viel Platz auf wenig Raum aufzubauen, ganz im Sinne des Mini-Epigonen Alec Issigonis, das wäre ja auch mal eine Idee gewesen. Diesen mit konsistenter Konsequenz gestalteten Elektro-Wagen, den baut jetzt der im Zwist geschiedene Diess für VW in Wolfsburg. Was für ein strategischer Totalschaden! 

Den hat auch der frühere BMW-Boss Norbert Reithofer, als Aufsichtsratschef der "Schatten-Kanzler" im Hintergrund, zu verantworten. Stattdessen hat man sich im Vierzylinder am Mittleren Ring viel zu lange am süßen Gift konventionell angetriebener Sportlimousinen, gerne noch aus der margenträchtigen M-Schmiede, sowie am ebenso gewaltigen wie irrsinnigen Boom der SUV gelabt - lief ja prächtig im Vertrieb und läuft noch, siehe Rekordverkäufe beim X3! Vernünftig oder gar nachhaltig und zukunftszugewandt war das natürlich nicht. Zuletzt suchte man sein Heil in Plug-In-Hybriden, die aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein können, weil sie zu viele Kompromiss erfordern und die Autos auch nicht leichter machen. Das alles blieb weit hinter dem Technologie-Leuchtturm i3 zurück, dem bei den Leichtfahrzeugen noch der Elektro-Roller C Evolution zur Seite steht, auch ein wahrhaft visionärer Ansatz, den es eigentlich schon beim C1 damals hätte geben sollen. Aber da hat man sich auch schon nicht getraut.

Zerquatscht und zerredet wurde der eingeschlagene Kurs, die retardierenden Kräfte im Konzern müssen gigantisch gewesen sein, der Propeller drehte sich munter rückwärts statt vorwärts. Sodass, wie Jürgen Pieper, Auto-Analyst des Bankhauses Metzler feststellt, man einen Vorsprung gegenüber allen anderen verspielt hat und heute "bestenfalls noch im Hauptfeld" mitschwimmt.

Wie bitte: IM HAUPTFELD! BMW?! Geht ja gar nicht, für die stets mit breiter Brust auftretenden bajuwarischen Motorenbauer, die man sich über erfolgsverwöhnte Jahrzehnte der "Freude am Fahren" zugelegt hatte. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Wie schade um die Chance, der bessere Tesla zu werden, nämlich mit klugen, coolen, vergnüglichen und wirklich nachhaltigen Elektro-Autos.

Denn dass Tesla vernüftige und umweltfreundliche Autos baut mit ihren viel zu schweren, zu großen und mit tonnenschweren Akkus überfrachteten Vehikeln für Öko-Hedonisten in Kalifornien und dem Rest der Welt, das werden wohl bestenfalls eingefleischte Fans behaupten. 

BMW kann Produktion und Logistik – entsprechend haben Vorstände aus diesem Bereich immer gute Karten um den Vorstandsvorsitz. Doch auf Zipse wartet vor allem strategische Arbeit. Denn auch BMW befindet sich im Umbruch vom reinen Fahrzeug- zum Mobilitätsanbieter – und da könnte es künftig weniger Produktion, aber deutlich mehr Programmierung brauchen – entsprechend darf man auf Zipses „Umprogrammierung“ des Konzerns gespannt sein. Vorerst heißt es jedenfalls auch für die zwischen Krisenmodus und Modelloffensive, zwischen Gewinnwarnung und Absatzplus verunsicherte Belegschaft: "Wenig Freude am Sparen". (gs/jr)

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