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BMW-Chef Zipse: "Wir sind Marktführer bei elektrifizierten Fahrzeugen!"

Vorstandsvorsitzender des Münchener Herstellers verteidigt SUV-Modelle, den PHEV-Antrieb und spricht sich gegen ein Tempolimit aus, aber für die Idee "autofreier Innenstädte". Bis 2030 soll die Hälfte der Fahrzeugpalette elektrifiziert sein.

Vorreiter mit begrenztem Wirkkreis: E-Autos wie den BMW i3 sieht Oliver Zipse vor allem in urbanen Räumen im Vorteil, auf Langstrecken dagegen PHEV oder Diesel. | Foto: BMW
Vorreiter mit begrenztem Wirkkreis: E-Autos wie den BMW i3 sieht Oliver Zipse vor allem in urbanen Räumen im Vorteil, auf Langstrecken dagegen PHEV oder Diesel. | Foto: BMW
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Johannes Reichel

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat der neue BMW-Chef Oliver Zipse die Debatte über SUV als Panikmache bezeichnet und will weiter auf Plug-in-Hybrid-Technologie setzen. Mit deren Hilfe soll bis 2030 die Hälfte der Fahrzeuge elektrifiziert sein. Er sieht den Hersteller weiterhin als Marktführer bei elektrifizierten Fahrzeugen und verweist auf zwölf Fahrzeuge mit reinem oder zusätzlichem E-Antrieb, die das breiteste Angebot im Wettbewerb bilden würden.

Vor allem der BMW i3 habe Pionierarbeit geleistet, sei immer mehr nachgefragt und als Modellreihe zudem profitabel, sonst hätte man ihn nicht realisiert. Von dem Modell wurden seit 2013 165.000 Exemplare gebaut, jüngst hatte man die Produktion bis auf weiteres bis 2024 verlängert und eine positive "Sechs-Jahres-Bilanz" über die Praxis mit dem E-Auto gezogen. Allerdings schränkte Zipse ein, Elektromobilität sei zwar eine technologische Selbstverständlichkeit, aber "eben auch nicht die einzige Antriebstechnologie". Er wolle den Kunden die Wahl lassen, die eben auch den effizienten Diesel-Motor umfasse, mit dem man bei zügiger Fahrt mit weniger als 4 l/100 km unterwegs sein könnte.

Missbrauch von PHEV: BMW-Fahrer sind regelmäßige "Lader"

Reine Batterieautos deckten bestimmte Segmente ab, seien aber für viele nicht geeignet und machten einen zweiten Wagen erforderlich. Den Vorwurf, dass viele Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge nur als "Steuersparmodelle" genutzt würden und nicht zur Verbrauchsreduzierung beitrügen, konterte Zipse mit dem Hinweis, dass die meisten PHEV-Fahrer der Marke regelmäßig ihre Betriebsbatterien laden würden, in zunehmendem Maße mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der PHEV sei der "perfekte Allrounder". Und man biete als derzeit einziger Hersteller Kommunen die Möglichkeit, in Umweltzonen den Betrieb über die Steuerung des Navigationssystems automatisch auf rein elektrischen Antrieb umzuschalten. 

Umweltbilanz: SUV besser als ein "15 Jahre alter Kombi"

Die Diskussion um SUV und deren erhöhten Verbrauch habe nichts mit der Realität zu tun. In den hochgesetzten Fahrzeuge säßen "ganz normale Leute, die damit zum Beispiel ihre Kinder zum Sport bringen wollen". Aus Zipses Sicht sei ein "15 Jahre alter Kombi da doch der viel größere Klimasünder", weil zusätzliche große Mengen Feinstaub und Stickoxid ausgestoßen würden. Außerdem sei etwa ein BMW X6 in seinem Segment das nachhaltigste Auto, das man kaufen könne. Außerdem verwies Zipse darauf, dass die Diskussion, die man kommen sehen habe, weltweit sehr unterschiedlich geführt werde. Es sei Teil der deutschen Kultur, hier besonders kritisch zu sein.

Der BMW-Chef mahnte an, man müsse bei der CO2-Diskussion die ökologischen Auswirkungen ebenso bedenken wie die ökonomische Leistungskraft des Umfelds und die sozialen Auswirkungen. Die CO2-Reduktion müsse ein europäisches Projekt werden, bei dem "ein ganzer Kontinent an einem Strang" zieht.

Kontra Tempolimit: Zipse sieht wirksamere Maßnahmen für Klimaschutz

Zipse sprach sich zudem gegen ein Tempolimit auf Autobahnen aus. Die meisten Unfälle passierten nicht durch Hochgeschwindigkeit, sondern durch Ablenkung der Fahrer sowie auf der Landstraße. Ein Autobahnlimit brächte prozentual nur wenig. Es gebe wirksamere Maßnahmen zum Klimaschutz, befand er.

"Autofreie Innenstädte sind erstrebenswert"

Er ließ in dem Kontext auch Sympathie für die Idee von autofreien Innenstädten erkennen, die man schon 1991 in München angeregt habe. Diese Vision sei erstrebenswert. Heute gebe es aber dank der Digitalisierung modernere Instrumente als ein pauschales Einfahrverbot. Man könne unterschiedliche Mobilitätsformen je nach ihrer Stärke kombinieren. Er mahnte aber an, in der öffentlichen Verwaltung müsse für die Umsetzung mehr passieren. Etwa müssten die Daten zugänglich gemacht werden, die es zu einer intelligenten und vernetzten Verkehrsplanung brauche.

Generell sieht der BMW-Chef das Autofahren weiter als zentralen Bestandteil der Mobiliät. Es sei die einzige Form, "in der Menschen privat sein könnten". Das mit den gesellschaftlichen Erwartung zu "verheiraten" sei das Ziel und die Zukunft des Automobils. Mit dem müsse man je nach Situation teilautomatisiert oder selbst fahren können.

Was bedeutet das?

Mag ja alles aus der Nabelschau eines Autoherstellers betrachtet plausibel sein, was der neue BMW-Chef Oliver Zipse so darlegt. Aber für einen Technik-Pionier vom Format der Münchener ist der Anspruch dann doch zu wenig und ungewöhnlich bescheiden. Klar war der i3 eine technische Pioniertat sondergleichen, doch dem aufwändigst konstruierten und primär für die Stadt gedachten Wagen hätte schon längst eine volkstümliche und universell taugliche Untermauerung in Form eines elektrischen 1er-BMW folgen müssen. Die Stückzahlen, auf die man jetzt stolz verweist, macht Tesla mittlerweile in einem halben Jahr vom Model 3.

Überhaupt: BMW könnte und müsste längst ein bayerischer, ein besserer Tesla sein, mit von Anfang an nachhaltig organisierter Wertschöpfungskette.

So wie das beim i-Projekt ja vorbildlich und wegweisend aufgesetzt war - von der klimaneutralen Produktion bis hin zu fast vollständigem Recycling. Und dass SUV nun eine "normale" Fahrzeuggattung sein sollen, will man in Zeiten der Klimakrise auch nicht als "Normalität" akzeptieren. Nur, weil es jetzt alle machen, ist das noch lange nicht gut. Das kann der einstige Erfinder des "Efficient Dynamics", ebenso agiler wie sparsamer Limousinen, eigentlich auch nicht wirklich ernsthaft meinen. Sportlich wird ein mehrere Tonnen schweres "Sports-Utility"-Vehikel wie X5, X6 oder X7 nimmer mehr, sparsam schon gleich gar nicht und ein plausibler "Kita-Express" auch nicht. 

Da ist dann auch nicht ausgemacht, ob nicht ein 15 Jahre alter 5er-Kombi mit 6 l/100 km Verbrauch das umweltfreundlichere Auto ist in der "Cradle-to-Cradle"-Lebenszyklus-Betrachtung. Dass Zipse auch noch das von der schieren Vernunft gebotene Tempolimit strikt ablehnt, spricht nicht gerade für ein echtes Umdenken im Obergeschoss des Vierzylinders am Mittleren Ring. In der Summe hat sich BMW, auch mit den übermotorisierten und in Anbetracht der Klimadebatte heillos anachronistischen Modellen der M-Reihe, sehr weit von seinem einstigen Markenkern entfernt, der Dynamik eben mit Effizienz paarte. In diese Richtung sollten die Münchener wieder steuern. Denn im Moment fehlt nicht nur die Stringenz im äußerst widersprüchlichen Portfolio, sondern auch die automobile Vision, Margen hin oder her. Das Geld für die Zukunft sollte man als vorausschauendes Unternehmen in der Vergangenheit verdient haben, nicht erst in der Gegenwart.

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