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Bertelsmann-Studie: Warum der Abbau fossiler Subventionen stockt

Dienstwagen-Paradox: Wie es sein kann, dass trotz Klimakrise 65 Milliarden Euro fossiler Subventionen fließen, untersucht eine Studie. Der Abbau sei zwar Plan der Ampel, die Umsetzung scheitere aber an Klientelpolitik und Definitionsfragen, so das ernüchternde Ergebnis.

Der Verkehr tritt auf der Stelle: Erst jüngst bescheinigte der Expertenrat der Bundesregierung dem Sektor eine gewaltige Klimaschutzlücke. Auch überkommene Fossil-Subventionen tragen dazu ihren Teil bei. | Foto: Audi
Der Verkehr tritt auf der Stelle: Erst jüngst bescheinigte der Expertenrat der Bundesregierung dem Sektor eine gewaltige Klimaschutzlücke. Auch überkommene Fossil-Subventionen tragen dazu ihren Teil bei. | Foto: Audi
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Johannes Reichel

In einer neuen Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) untersucht, weshalb trotz der Koalitionspläne zum Abbau klimaschädlicher Subventionen weiterhin große Summen in Incentivierungen fossiler Energien fließen. Darüber berichtet die Süddeutsche Zeitung vorab. Dazu zählt etwa das Diesel- und Dienstwagen- sowie Kerosinprivileg oder die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. In Summe fließen 65 Milliarden Euro in solche Förderungen, wie das Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2021 errechnet hatte.  Der Abbau "überflüssiger, unwirksamer und klima- und umweltschädlicher Subventionen" sei zwar Teil des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP.

"Doch die Vorzeichen für die Umsetzung stehen nicht nur aus klientelpolitischen Gründen denkbar schlecht. Denn schon bei der Frage, was genau unter diesen Adjektiven zu verstehen ist, gibt es innerhalb der Ampelkoalition auch nach zwei Jahren noch kein gemeinsames Verständnis. Sogar die Frage, was überhaupt eine Subvention ist, wird von verschiedenen Akteuren ganz unterschiedlich beantwortet", so das ernüchternde Fazit der Bertelsmann-Analysten laut SZ. 

Es herrsche heilloses Durcheinander, schon bei der Definition, was überhaupt eine Subvention ist, monierte Bertelsmann-Ökonomin Sara Holzmann laut SZ. Es brauche erst mal einen "gemeinsamen Nenner".

UBA zählt 35 Subventionen, die Regierung nur 14

Das wird etwa auch aus dem zweijährlichen und für Mittwoch wieder anstehenden Subventionsbericht der Bundesregierung klar. Das UBA listet beispielsweise 35 Steuervergünstigungen auf, die die Anwendung fossiler Energien unterstützten und damit eine wirksamere Klimaschutzpolitik konterkarierten. Im Bericht der Regierung schrumpft das auf 14 Maßnahmen zusammen, weil etwa die Kerosinsteuerbefreiung oder die pauschale Dienstwagenbesteuerung definitionsgemäß nicht darunter fallen.

Lindner übernimmt nahtlos von Scholz

Der letzte Bericht fiel just in die Verantwortung des damaligen Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), dessen Nachfolger Christian Lindner (FDP) die Subventionsdefinition nahtlos übernahm. Und sogar noch die Steuervorzüge für Dienstwagen für gerechtfertigt hält. Schließlich sei der meistgenutzte Dienstwagen ein Passat, keine S-Klasse oder Bentley, führte Lindner vor kurzem dazu aus.

"Das sind die Dienstwagen der pendelnden Mitte Deutschlands", gab der Liberale zu Protokoll.

Von wegen "pendelnde Mitte": Nur fünf Prozent mit Dienstwagen

Die Fakten liegen laut UBA anders, wie die SZ weiter klarstellt: Demnach würden nur fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland vom Arbeitgeber ein Dienstmobil gestellt bekommen, meist Männer. Diese zahlten weniger Einkommenssteuer als eine Kollegin ohne Dienstwagen. Darüber hinaus seien die Geschäftswagen meist überdurchschnittlich motorisiert und emissionsintensiv. Die Steuerzahlergemeinschaft kostet das Privileg über drei Milliarden Euro.

Erst im Juni hatte das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in einer Kurzstudie die Dienstwagenregeleung auseinandergenommen. Rund zwei Drittel aller Neuwagen würden gewerblich zugelassen, womit Firmen- und Dienstwagen also maßgeblich das Tempo der Antriebswende bestimmen würden. Sie seien "zentraler Hebel für den Klimaschutz im Verkehr".

"Vor allem das Dienstwagenprivileg fördert den Absatz neuer Autos und wirkt wie eine Auto-Flatrate. Es werden dabei aber weiterhin viele CO2- intensive Autos gekauft, die dann für viele Jahre auf den Straßen bleiben und das Erreichen der Klimaziele erschweren. Auch kommt die Subvention ganz überwiegend den einkommensstärksten 1 bis 10 % der Bevölkerung zu, was sie sozial ungerecht macht", konstatierten die FÖS-Wissenschaftler.

Dabei könne die Besteuerung von Dienstwagen gerechter und umweltfreundlicher ausgestaltet werden und gleichzeitig einen Beitrag zum Hochlauf der Elektromobilität leisten, wie die Wissenschaftler anregen. Viele Stellschrauben können den Status quo deutlich verbessern. Zentral sieht man eine CO2-abhängige Besteuerung: Sie würde bewirken, dass sich klimaschädliche Verbrenner als Dienstwagen nicht mehr lohnen und stattdessen kleine und günstigere E-Autos stärker gefördert werden. Dies begünstigt auch einen Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos, macht die Besteuerung sozialer und die Breite der Gesellschaft profitiert schneller von der Elektrifizierung.

„Eine gute Klimapolitik ist eine sozial-gerechte Politik und gerade aus dieser Perspektive, ist eine Reform der Dienstwagenbesteuerung unausweichlich", resümierte Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes damals.

Eigentlich hätten alle drei ein Interesse

Umso bizzarrer mutet die fortgesetzte Fossilsubvention an, als alle Ampelpartner ein Interesse haben sollten: Die SPD aus sozialen Gründen, die Grünen aus Klimaschutzgründen und die FDP könnte ihr Dogma, ohne Steuererhöhungen Spielräume im Haushhalt zu schaffen, so realisieren. Die Liberalen halten stattdessen laut der Analyse an den von 1968 stammenden Kriterien des Stabilitätsgesetzes fest. Das sei aus der Zeit gefallen, urteilen die Bertelsmann-Forscher.

Von 1990 stammt etwa das Diesel-Privileg, das zu der Zeit mit der Begründung eingeführt worden war, man müsse den Güterverkehr vor der neuen Konkurrenz aus Mittel- und Osteuropal schützen. Heute ist das Argument obsolet, die Subvention noch immer da, mit 8,2 Milliarden Euro jährlich. Die Entfernungspauschale habe vielleicht noch eine sozialpolitische Komponente, müsse aber so modifiziert werden, dass sie dem Klima nicht mehr schade.

"Viele Subventionen haben ihre Legitimation verloren und sollten komplett gestrichen werden. Davor scheuen die Parteien aber zurück", kritisiert der Bertelsmann-Experte Marcus Wortmann.

Zudem solle bei der Einführung neuer Subventionen, wie sie gerade im Hinblick auf die klimagerechte Transformation debattiert werden, darauf geachtet werden, dass die Hilfen befristet sind, regelmäßig überprüft werden und sukzessive wieder zurückgeführt würden, so Wortmann weiter.

Was bedeutet das?

Nicht dass es einen verwundert, was die Bertelsmann-Forscher hier noch einmal schwarz auf weiß präsentieren: Ein Christian Lindner macht sich die Welt ja schon lange, wie sie ihm gefällt. Die "pendelnde Mitte Deutschlands" hat sicher keinen schicken neuen Dienstwagen, sondern ist männlich und fünf Prozent stark, bezahlt von uns allen. Und da wird von Lindner & Co halt dann munter darauf losdefiniert, was überhaupt eine Subvention ist. Fast fühlt man sich am Trumps unselige "alternative facts" erinnert, wenn man das Treiben der Regierung, vom rot gewandeten Geistes-Liberalen Olaf Scholz gedeckt, ansieht.

Im Endeffekt ist das dem Klima und der Atmosphäre wurst, wie die FDP oder der SPD-Kanzler eine Subvention definieren - wichtig ist, was an CO2 rauskommt. Und da besteht kein Zweifel, dass die wie auch immer bezeichnete Förderung fossiler Kraftstoffe und Systeme schlecht für das Klima ist - und sämtliche Klimaschutzpläne konterkariert. Milliardensummen stehen im Raum, die die Förderung der E-Mobilität, der Ladeinfrastruktur oder der Ausbau des öffentlichen Nah- und des Rad- und Fußverkehr dringend brauchen könnten. Es treibt einen wirklich zur Verzweiflung: Alle Instrumente wären vorhanden. Aber bei der Anwendung scheitert die Ampel. Glaubt man der Klimawissenschaft, ist das aber die wirklich letzte Chance, das Ruder herumzureißen. Macht mal hinne, möchte man ihnen zurufen. Oder mal wieder frustriert Shakespeare zitieren: "Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode"...

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