Meinungsbeitrag

Bayerns Breitseite gegen BEV: Wo bleibt "Batterie und Brezn"?!

Begeisterung für E-Mobilität klingt anders: Nach dem EU-Verbrenner-Aus fällt bayerischen Politikern nichts besseres ein, als "kubanische Verhältnisse" im Freistaat zu prophezeihen. Wo bleibt der Innovations-Spirit, für den man sich an Isar und Main stets rühmt? "Technologie-offen" ist nicht, am Verbrenner zu klammern. So gewinnt man heute Stammtische, aber nicht morgen Arbeitsplätze - und Lebensplätze.

BEV-geistert: VM-Redakteur Johannes Reichel findet, wenn Auto, dann (gerne leichter und kleiner wie das TUM-Mobil) vollelektrisch, weil zu Verbrenner und Wasserstoff unschlagbar effizient. Nach Garching war er allerdings noch effizienter angereist, mit Synapsenstrom und Fahrrad ... | Foto: J. Reichel
BEV-geistert: VM-Redakteur Johannes Reichel findet, wenn Auto, dann (gerne leichter und kleiner wie das TUM-Mobil) vollelektrisch, weil zu Verbrenner und Wasserstoff unschlagbar effizient. Nach Garching war er allerdings noch effizienter angereist, mit Synapsenstrom und Fahrrad ... | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Begeisterung für BEVs ist etwas anderes: Just vor dem Besuch der beeindruckenden EV-Roadshow an der landeseigenen Exzellenzuniversität TU München ließ Bayerns Verkehrsminister eine Breitseite gegen den batterieelektrischen Antrieb vom Stapel, die alle Fachleute vor Ort zusammenzucken ließ und jetzt auch kein Musterbeispiel der politischen Motivationskunst für die hochengagierten Forscher sein dürfte. Ist das "nur Wahlkampf" oder "echte Überzeugung"? Hausen da BEV-Banausen unter der Bavaria?

Letzteres kann eigentlich nicht sein, Bernreiter gilt als besonnener,  nüchterner und pragmatischer Typ, zumal als just an der TUM studierter Maschinenbauingenieur. Dennoch hatte er just am Tag zuvor das gerade final beschlossene EU-Votum zum Verbrennerausstieg harsch kritisiert und "Technologieoffenheit gefordert", womit die CSU aber offenbar das Festhalten an einem Auslaufmodell meint.

"Die Autofahrer werden sich nicht alle in Elektroautos zwingen lassen", polterte der CSU-Politiker. Und warnte drastisch: "Man wird erleben, dass die meisten von ihnen so lange wie möglich an gebrauchten Autos mit Verbrennungsmotoren festhalten".

Kubanische Verhältnisse in Bayern?

Ab 2035 werden die Autos auf unseren Straßen nach und nach aussehen wie auf Kuba", prophezeihte Bernreiter düster und schürte damit eher apokalyptische Auto-Ängste statt sie den Bürgern zu nehmen. Weiter: Gerade im ländlichen Raum seien die Menschen auf das Auto angewiesen. Nicht jeder könne sich ein teures Elektroauto leisten, habe eine heimische Lademöglichkeit oder komme mit einer Akkuladung über den Tag. Diese Probleme habe die EU aus "ideologischen Gründen" ausgeblendet. Und sein Chef Markus Söder, übrigens Bayerischer Ministerpräsident und nicht irgendein Rechtsoppositionshallodri, legte gleich noch ein paar fossile Briketts für den Stammtisch nach:

"Das generelle Verbrennerverbot der EU ab 2035 schadet dem Industriestandort Bayern und den Beschäftigten der Autobranche. Fossile Kraftstoffe zu reduzieren, ist richtig, aber neben der Elektromobilität bieten auch E-Fuels und Wasserstoff große Potenziale für klimaneutrale Mobilität", befand Söder.

Der völlig ausblendet, dass es eben das viel zu lange Festhalten am Verbrenner ist, das jetzt ganz konkret die Arbeitsplätze in Gefahr bringt, ganz zu schweigen von den viel zu oft vergessenen "Lebensplätzen" auf dem Planeten. Viele Technologien und Patente, sei es nun zu Batterie, E-Motoren oder Brennstoffzellen, wurden einst in Deutschland entwickelt.

Nur lief ja die "Wertschöpfungsmaschine Verbrenner" so lange so dermaßen gut, dass man sich nicht veranlasst sah, die Weichen Richtung "fossilfreier Antrieb", sprich E-Mobilität zu lenken. Ein Fall für jede Vorlesung Grundstudium Volkswirtschafslehre an der Uni, als Musterbeispiel dafür, wie man Trends verpennt - und Gefahr läuft "gekodaked" zu werden, wie die Amis in Anspielung auf das Festhalten des Farbfilmpioniers in der aufkeimenden Digitalfotografie formulieren.

Den Vogel abgeschossen hat dann aber wie im Land von "Labtop und Lederhosen" mittlerweile gewohnt, der wandelnde "Einmann-Stammtisch" Hubert Aiwanger von den Freien Wählern ("Hubsi der Woche"), den es nicht schert, dass er eigentlich als Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident staatstragender auftreten müsste und froh sein sollte, solche Exzellenzforschung an der E-Mobilität wie sie an der TU München und vielen anderen Orten im Freistaat geschieht, unter seinen Fittichen zu haben. Stattdessen bedient er die CSU noch rechts überholend üble Klischees und schwadroniert wie ein Musterpopulist aus Ungarn oder von der sogenannten, aber lieber keinesfalls guten "Alternative für Deutschland" gegen die EU-Institutionen:

"Das Verbrennerverbot ab 2035 hat in Wahrheit nicht das Ziel, den Verkehr zu dekarbonisieren. Es geht den Ideologen darum, das Auto abzuschaffen und individuelle Mobilität zu verhindern. Anders ist es nicht zu erklären, dass sauberen Verbrennungsmotoren der Zukunft, die mit Biosprit oder Synfuels angetrieben werden, der Garaus gemacht werden soll und Wasserstoff in der Mobilität von den Grünen in der Bundesregierung blockiert wird".

Das reine Elektroauto werde nicht ausreichen, um die über 40 Millionen Autos in Deutschland in Gang zu halten. Abgesehen von der völligen Ausblendung der Klimaziele, die sich auch Bayern gesetzt hat, das bereits 2040 klimaneutral sein will und der Tatsache, dass es bis 2040 eher darum geht, das Leben auf dem Planeten erträglich und nicht nur lauter Autos am Laufen zu halten: Dem bayerischen Wirtschaftsminister scheint der Gedanke einer Mobilitätswende völlig fremd. In der es eben nicht darum geht, nur eine Antriebswende zu vollziehen und alle fahren weiter Auto. Sondern eben auch darum, die Menschen für den Umweltverbund zu begeistern und zum Umstieg zu bewegen, gerade und auch am stets als ultimatives Totschlagargument gegen jeden Wandel herbeizitierten "Land".

Auch am Land, so ergaben nicht zuletzt die Forschungen der TUM lassen sich die meisten Fahranwendungen des Alltags per E-Auto abdecken, warum auch nicht. Zumal sich Kopplungen mit einer eigenen Photovoltaik nebst Pufferspeicher und Wallbox in Einfamilienhäusern am Land viel leichter realisieren lassen als in der Stadt. Dann wäre das nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch. Sagt uns doch nicht, dass es nicht geht, um mal wieder die unvergessliche SPD-Politikerin Regine Hildebrandt zu zitieren.

Und es wäre ja genau am Wirtschaftsminister, mit einem entschlossenen Ausbau des ÖPNV und von Sharing- und On-Demand-Services eine Alternative zum (eigenen) Auto zu erschließen. Aber es ist halt Landtagswahlkampf in Bayern, da darf man nicht weiter denken (oder zumindest reden) als bis  zum nächsten Stammtisch. Zukunftsfit macht man das stolze Land zwischen Main und Isar damit nicht. Und "Lust an der Innovation" weckt man damit auch nicht.

Diskretes Kopfschütteln unter Fachleuten

An der TU München lässt man das an diesem Tag der "Leistungsschau BEV" mit diskretem Kopfschütteln glatt abtropfen. Der Zug sei abgefahren, die Weichen in der Industrie längst gestellt und die Technologieoffenheit habe es doch lange gegeben, hört man in Gesprächen bei der Roadshow. Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik wird in seiner Rede noch deutlicher: Gerade für Pkw sei der batterieelektrische Antrieb eindeutig die effizienteste Option, nur bei Lkw werde es noch eine Weile eine größere "Technologieoffenheit" brauchen, auch Lösungen wie LNG oder vielleicht Wasserstoffverbrenner.

Vielleicht verstehen es bayerische Politiker, die sich ja immer auch gerne katholisch gerieren, so besser: Die Messe für den Verbrenner ist gelesen. Wie wäre es mal mit einer Begeisterungsoffensive der "BEV-Batzis aus Bayern" und dem neuen Slogan "Batterie & Brezn" statt "Bolzen gegen BEV"? Wie gesagt, Begeisterung sieht anders aus. Verantwortungsvolle, zukunftsgerichtete Politik auch.