Bauma und Paris: Die Messe ist tot, lang lebe die Messe!
Wir waren erstaunt: In Paris erwarteten wir am Presse- und ersten Messetag leere Hallen mit wenigen Menschen. Klar, die ganz langen Schlangen wie einst gab es nicht mehr – allenfalls eine halb lange Schlange am ersten Besuchstag und ja, es waren nur drei Hallen mit Pkw (zwei mit Zulieferern und Werkstatt), doch die waren voll. Ebenso wie der „Gipfel“ im „Dome“ des Workspace Expo mit hochkarätigen Speakern – wobei die tatsächlich sehr französisch-lastig waren.
Und tatsächlich sind die Zeiten der ganz großen Messen als Hauptinfoquelle für Neues vorbei – zumal immer mehr neue und regionale Veranstaltungen ihr Glück mit anderen – immer splittrigeren Ziel- und Untergruppen suchen – viele davon streichen nach zwei bis drei Versuchen wieder die Segel, ohne je wahrgenommen worden zu sein. Was ein klarer Vorteil der etablierten Veranstaltungen ist. Die wie Paris oder die Bauma weiter ziehen – auch junges Publikum.
Vorteil Messe: Alle können fühlen, ausprobieren, sich austauschen
Alle Autos in Paris waren gut besucht und besetzt und nach wie vor kletterten die Besucher halb in die Kofferräume und verschwanden unter den Motorhauben oder in den Frunks – Autos kann man digital anschauen – und bestellen – Letzteres aber ehr nur dann, wenn man sie nur als Mittel zum Zweck sieht. Ansonsten sind wir bei Renault-CEO Luca de Meo, der messeseitig immer gern „all in“ geht und in Paris gefühlt so rund ein Viertel der Gesamtfläche belegte.
Ähnlich war es auf der Bauma: Trotz strömendem Regen waren die Gänge und Gassen voller Besucher – und hier gilt noch mehr: Praktiker wollen Kipper kippen sehen, Bordwandverschlüsse selbst anfassen oder selbst probebaggern. Hier zählt das „Anfassen“ und „Ausprobieren“ noch mehr – nicht nur beim eigenen oder bevorzugten Produkt, sondern auch bei den Marktbegleitern.
Womit wir bei den „Streugewinnen“ wären: Denn wenn auf einer Bauma Volvo Construction und Lkw absagt, ich aber beides im Fuhrpark habe – vielleicht neben Daimler-Lkw und Cat-Maschinen – dann werde ich unterschwellig diese beiden Marken, die mich empfangen, bevorzugen. Und vielleicht auch noch bei Daf und Komatsu oder Liebherr vorbeischauen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es muss nicht jeder mit tausenden Quadratmetern Standfläche klotzen – es geht vielmehr um prinzipielle Präsenz für alle, die das Thema interessiert.
Neuer Trend: Trittbrettfahren mit eigenen exklusiven Veranstaltungen
Ähnlich in Frankreich, wo sich Stellantis tatsächlich auf DS, Jeep und Peugeot beschränkte – wo Citroen gerade ein Neuheitenfeuerwerk gezündet hat, das dann im stillen Kämmerlein stattfindet. Genauso wie man bei Mercedes-Benz lieber Trittbrett fuhr und einen Tag vorher den EQE SUV im Museum Rodin einem ausgewählten Publikum zeigte und damit nach oben und in die Kunst strebt – aber eben auch nur die ausgewählte Mercedes-Blase erreicht. Und sich so auch jene „Streuverluste“ spart, die auf der Messe gern im EQE SUC sitzen würden, ohne ihn sich je leisten zu können oder ihn kaufen zu wollen. Trotzdem ging Ola Källenius dann aufs Messegelände, um zu sehen, ob er richtig lag.
Wir würden sagen: Nein, lag er nicht - denn eine Messe ist immer auch ein demokratisches und soziales Event und wer sich das spart, obwohl seine Finanzen es hergäben, handelt asozial. Und verschwindet in „seiner“ Blase – die künftig auch zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen könnte, wenn sie nur noch elitären Kreisen offensteht.
Was bedeutet das?
Die Bauma und der Mondial de l`Auto in Paris zeigten, dass die Lust an der Messe vielleicht etwas schwächer - aber dennoch ungebrochen ist. Aus unserer Sicht hat das gute Gründe: Die Bündelung von Kontakten bekommt man nirgends in so kurzer Zeit und so effizient geboten. Insofern dienen Messen auch der Effizienzsteigerung und der Mobilitätsoptimierung: Statt vieler kleiner Einzelevents lieber eine große Schau. Es ist wie in der Logistik: Die gebündelte Lieferung von Sendungen ist unterm Strich effizienter als wenn jeder einzeln in den Shop fährt. Die Messe ist tot, lang lebe die Messe!
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