Bahn & Bike-Trend: Mit dem 49-Euro-Ticket zurück ins Chaos?
Die Not macht erfinderisch: wegen der coronabedingten Reisebeschränkungen haben viele Menschen die eigene Region als Reiseziel entdeckt und ganz klimafreundlich und sportlich auf dem Fahrrad erkundet. Viele Tagesausflügler sind zum Ziel geradelt und haben die Bahn für den Rückweg genutzt. Samt Rad. Doch dann kann kam das 9-Euro-Ticket und es gab einen Run auf Nahverkehrszüge. Dieses Ticket war ein echter Stresstest für den Schienenverkehr. „Lassen Sie das Rad zu Hause“, warnten die Medien bahnfahrende Ausflügler. Häufig mussten Radler einen oder mehrere Züge auslassen, weil sie nicht mehr in den Zug kamen. Dabei ist die Mitnahme des Fahrrads in Nah- und Regionalverkehrszügen für 60 Prozent der Verkehrsteilnehmer sehr wichtig. Das ergab eine aktuelle Studie des Sinus-Instituts. Dass es mit dem 49-Euro-Ticket einen ähnlichen Andrang geben wird wie beim 9-Euro-Ticket, bleibt abzuwarten. Vor allem im Januar wird es für Rad-Ausflüge noch zu kalt sein, doch der Druck auf die Regionalbahnen wächst.
Bahn muss das Angebot für Radreisende verbessern
Mobilitätspionier Ronald Bankowsky, der bereits mehrere Unternehmen rund ums Rad gegründet und zum Erfolg geführt hat, hat sich vorgenommen, bis 2030 vier Millionen Menschen in Deutschland zusätzlich auf das Rad zu bringen. Mit der Kampagne SteigUm.de und einer extra für Radfahrer entwickelten App, dem Biketour.Guide, soll dies gelingen. Der Unternehmer hat bereits mit mein-dienstrad.de sein Gespür für Trends bewiesen. Als er mein-dienstrad.de gründete, wusste noch kaum jemand, was Dienstradleasing überhaupt ist. Mit seinem neuen Unternehmen fast2work hat er jetzt den Radtourismus ins Visier genommen. Hierbei geht es nicht um Fernreisen, sondern um Radtouren in die nähere Umgebung. Übrigens ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, und die Bahn spielt dabei eine wichtige Rolle.
„Ich bin gerne mit der Bahn unterwegs, aber wenn es um die Kombination Bike und Bahn geht, dann hören wir nur von Parkhäusern für Räder und von Mietoptionen am Bahnhof. Das ist viel zu kurz gedacht und geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei“, erklärt der Oldenburger, „denn Leihräder, wie sie an den Bahnhöfen stehen, sind für kurze Wege okay, aber für lange Touren nicht geeignet. In anderen Ländern wie der Schweiz klappt das deutlich besser. Die Leute hierzulande haben inzwischen sehr gute und teure Räder, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Das günstige Fahrrad aus dem Supermarkt ist für viele keine Option mehr, dafür gibt es immer mehr High-End-Räder, E-Bikes und Exoten auf deutschen Straßen.“
Zwei Drittel nutzen das Rad als Alltagsverkehrsmittel
Die Fahrradbranche boomt, und nach wie vor hat das Fahrrad das größte Wachstumspotenzial im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln, der Fahrrad-Monitor des Sinus-Instituts liefert eindeutige Zahlen. 67 Prozent der Leute nutzen das Rad als Verkehrsmittel und für alltägliche Erledigungen, und 75 Prozent nutzen das Rad vor allem in der Freizeit. 62 Millionen Bürger unternehmen mit ihrem Fahrrad mehrmals im Jahr Ausflüge oder sogar Urlaube, sie fahren in Naherholungsgebiete und nehmen es mit, um auf Wandertouren eine Abwechslung zu haben. Für die meisten Menschen ist das Fahrrad sowohl im Alltag als auch in der Freizeit nicht mehr wegzudenken. Rund 5,3 Millionen Menschen haben 2021 laut ADFC den Nahverkehr der Bahn für Radreisen und Tagesausflüge mit dem Rad genutzt.
Wenn Deutschland Fahrradland werden soll, muss sich mehr tun
Bis 2030 soll Deutschland nach dem Willen der Bundesregierung zum Fahrradland werden. Kommunen fördern dies nach Kräften mit Radwegen und einer Verbesserung der Infrastruktur. Bankowsky versteht nicht, warum die Bahn noch immer auf Parkhäuser fixiert ist und zu wenig für die Mitnahme von Rädern tut. „Eine Kombination der klimafreundlichsten Verkehrsmittel, also Rad und Zug, wäre optimal. Es ist höchste Zeit, dass sich die Bahn auf den Verkehr der Zukunft vorbereitet und mehr auf die Wünsche der Fahrgäste eingeht.“, fordert Bankowsky.
Status quo und Zukunft
65 Prozent der Züge stattet die Bahn bis 2025 im Fernverkehr mit Fahrradstellplätzen aus. Doch nicht freiwillig, sondern durch die überarbeitete europäische Fahrgastrechtverordnung. Pläne für den Regionalverkehr in diese Richtung gibt es im Moment nicht, erklärt Dennis Fiedel, Pressesprecher beim Schleswig-Holsteinischen Verkehrsverbund NAH.SH: „Das P im ÖPNV steht für Personen, und darauf hat die Bahn ihren Fokus gelegt. Und auch technisch wird es schwierig“, erklärt der Kieler. Anfang der Zweitausender Jahre habe es einmal an je einem Zug einen Extrawaggon für Räder auf der Strecke Hamburg-Sylt und der Strecke Hamburg-Travemünde gegeben, berichtet er, sogar mit extra Radschaffner, der half, die Zweiräder zügig in die Bahn zu bugsieren. „Das Angebot wurde aber nicht immer gut angenommen, jedenfalls nicht bei Schietwetter. Das Experiment war sehr teuer und hat sich finanziell überhaupt nicht getragen, daher haben wir es dann wieder eingestellt.“
Erhöhung der Taktzahl für mehr Radmitnahme?
Bahnsteige haben ohnehin nur eine begrenzte Länge und gerade im Regionalverkehr setzten sich durchgängige Triebzüge mit einer festen Länge durch, so Fiedel. „Einfach einen Waggon anhängen, das geht also nicht. Der einzige Weg, um mehr Räder mitnehmen zu können ohne andere Plätze zu verlieren, wäre die Erhöhung der Taktzahl bei unseren Bahnen, dazu bräuchten wir aber auch deutlich mehr Geld. Wir verfolgen momentan vor allem die Verbesserung der Abstellmöglichkeiten für Räder an den Bahnhöfen. Aus unserer Sicht ist hier der Bedarf – und die Chance, viel zu erreichen. Und nicht bei der Mitnahme von Fahrrädern in der Bahn.“ Etwa 10.000 Fahrradstellplätze gibt es heute, 50.000 sind noch geplant. 675 Kommunen unterstützen dieses Vorhaben. Für Ronald Bankowsky ist dies gut, aber nicht genug.
„Fahrräder sind längst nicht mehr einfache Fortbewegungsmittel, sondern Lifestyleprodukte, Fitnessgeräte und Gefährt in einem. Wer lässt das schon gern am Bahnhof stehen und leiht sich am Ankunftsort ein 08-15-Bike, um damit einen großen Ausflug zu machen. Nein, das ist kein Zukunftskonzept. Ich hoffe, dass die Bahn diesen Trend erkennt. Ich bin gespannt, wie sie sich mit dem 49-Euro-Ticket entwickeln. Gerade, wenn wir CO2 einsparen wollen, sollte die Bahn ihre Angebote für Radfahrer diversifizieren, attraktiver machen und vor allem nicht an den Bedürfnissen der Fahrgäste vorbeiplanen. Bisher ist es eine einseitige Liebe ohne größeren Dialog. Es wäre toll, wenn die Radfahrer mehr in den Fokus der Bahn rückten und beide gemeinsam neue Konzepte entwickeln könnten“, meint der Bike&Bahn-Verfechter.
Über die fast2work GmbH
Die Oldenburger fast2work GmbH wurde 2021 von Ronald Bankowsky und Michael Ross gegründet. Das Unternehmen betreibt die Webseite SteigUm.de, mit der mögliche Kosteneinsparungen zwischen Fahrrad und Auto visualisiert werden. Zum Portfolio gehört auch die Biketour.Guide-App, die individuelle Fahrradrouten ausarbeitet und Points of Interest an der Strecke anzeigt und erklärt. Die App bietet Unternehmen die Möglichkeit, die Kundenbindung zu stärken. Die fast2work GmbH möchte damit mehr Menschen motivieren, ihr Fahrverhalten für eine nachhaltige Zukunft zu ändern. Dafür benutzt das Unternehmen den Claim „Because it’s the right thing to do“.
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