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Autos werden immer größer - jetzt sollen die Parkplätze mitwachsen

Forscher aus den USA weisen auf die Gefahr tödlicher Unfälle und den hohen Ressourcenverbrauch durch die immer höheren Fahrzeuggewichte und -maße hin, die speziell durch die Elektrifizierung noch weiter getrieben werden. Und: Die FGSV will den weiter wachsenden Maßen jetzt durch breitere Parkplätze Rechnung tragen. Das sorgt für Kritik.

Überhang-Mandat: Die Hersteller bedienen und beflügeln die Nachfrage nach immer größeren und schwereren Fahrzeugen und SUV, die speziell durch die Elektrifizierung noch weiter beflügtelt wird. | Foto: J. Reichel
Überhang-Mandat: Die Hersteller bedienen und beflügeln die Nachfrage nach immer größeren und schwereren Fahrzeugen und SUV, die speziell durch die Elektrifizierung noch weiter beflügtelt wird. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Die auch im Zuge der Elektrifizierung immer weiter steigenden Fahrzeuggewichte stoßen auf Kritik in der Wissenschaft. Wie Forscher der University of Calgary in Kanada jetzt im Fachblatt Nature schreiben, sorgten die schweren Elektrowagen zum einen für eine erhöhte Gefahrt tödlicher Unfälle, zum anderen wiesen sie durch hohen Ressourcenverbrauch eine schlechtere Umweltbilanz auf. Darüber hatte Spiegel Online berichtet. Auch im US-Verkehrssicherheitsausschuss sind die wachsenden Gewichte der Stromboliden ein Thema. So zeigte sich etwa die Sprecherin des Nationalen Verkehrssicherheitsausschusses Jennifer Homendy besorgt über das höhere Verletzungsrisiko durch schwere Fahrzeuge, inklusive Elektroautos. Sie verwies als Beispiel auf den elektrischen BMC Hummer, der vier Tonnen leer wiegt, wovon allein die Batterie 1,3 Tonnen ausmacht. Man unterstütze des Ausbau der E-Mobilität, müsse aber aufpassen, dass man keine unbeabsichtigten Nebeneffekte verursache, wie einen Anstieg der Totenzahlen im Verkehr.

E-Hummer wiegt vier Tonnen leer, der EQS-SUV geht bis 3,5 Tonnen

Auch Fahrzeuge wie der zum Verbrenner nochmals 700 Kilo schwerere E-Pick-up Ford FT150 Lightning stoßen auf große Nachfrage, Ford habe die Produktionsplanung aufgrund der Bestellungen verdoppeln müssen, so der Spiegel. Jüngst vermeldete auch der VW-Konzern massiv steigende Nachfrage nach den Elektro-SUV ID.4 und ID.5 sowie dem ID.Buzz und wies für 2022 ohnehin einen SUV-Anteil von 45 Prozent an den Gesamtverkäufen aus, fast jeder zweite VW ist ein Geländewagen, in den USA sind es sogar 80 Prozent der Verkäufe. Bei Mercedes-Benz sorgte die Meldung für Aufsehen, dass der schwere Oberklasse-E-SUV EQS beladen fast an die 3,5 Tonnen-Marke heranreicht und gerade noch mit Standardführerschein gefahren werden darf. Bei den Gesamtzulassungen in Deutschland waren 2022 satte 41 Prozent SUV.

Höhere Wahrscheinlichkeit für tödlichen Unfallverlauf

Die Gefahr, die von den hohen Gewichten ausgeht, ist messsbar und real: So verweist der Spiegel auf Studien, die eine um zwölf Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für den tödlichen Verlauf eines Unfalls nachweisen, wenn das Fahrzeug nur um 500 Kilo schwerer ist. Das dürfte bei den meisten E-Autos gegenüber  konventionellen Pendants durch die Batterie der mindestens Fall sein. Es gibt sogar eine Studie aus den USA, die hochrechnet, dass durch die Diskrepanz zwischen schweren E-SUV und alten Kleinwagen auf den Straßen, gut tausend Fußgänger noch leben könnten, wenn der Trend in den vergangenen 20 Jahren eher zu kleinen und leichen Wagen gegangen wäre. Lösungen wären leicht denkbar, wie die Studienautoren darlegen. So könnten schwere Autos höher besteuert werden, die Batterien könnten leichter gebaut werden und die Karosserien mit Alu und Magnesium statt Stahl abspecken.

"Wenn wir leichter, sicherer, sauberer und weniger fahren, können wir eine bessere Zukunft für alle sichern", appelliert der kanadische Wissenschaftler Blake Shaffer aus Calgary.

Dem Trend nach: FGSV will Normstellplätze verbreitern

Wie es scheint, dürfte das vorerst allerdings ein frommer Wunsch bleiben. Aus Deutschland kam jüngst die Meldung über Spiegel Online, dass die Verkehrsnorminstanz FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen) die Normen für den Standardparkplatz an den Trend des immerwährenden Fahrzeugwachstums anpassen will: Um 15 Zentimeter sollen Stellplätze künftig breiter werden. Speziell für Tiefgaragen und Parkhäuser sei die Empfehlung gedacht, so die Urheberin der Empfehlung Petra Schäfer von der Frankfurt University of Applied Sciences. Am Straßenrand sollten die Parkplätze dagegen weiterhin auf zwei Meter Breite begrenzt bleiben. Nur, wo der Raum vorhanden sei, sollten sie breiter bauen dürfen. Oder es müssten eben die Fahrspuren geschmälert werden. Das Normmodell der FGSV, das sogenannte Bemessungsfahrzeug, ist mittlerweile auf 1,89 Meter Breite und 4,88 Meter Länge angewachsen. Es bildet den Durchschnitt der neu zugelassenen Pkw ab, 85 Prozent sollten entweder genauso groß und breit oder kleiner und schmaler sein. Auf der Fläche von 26 VW Golf hätten heute nurmehr 23 dieser Modelle Platz, rechnet Spiegel Online vor. 

"Wir wollen, dass die Autos kleiner werden", bekräftigt Schäfer gegenüber dem Medium.

Man könne allerdings nicht der Industrie vorschreiben, was für Autos sie zu bauen hätten. Und die Hersteller ihrerseits verweisen darauf, dass die großen und schweren Fahrzeugen eben entsprechend nachgefragt würden. Hintergrund sind aber auch die höheren Margen, die sich mit schwereren und größeren Wagen erzielen lassen, wie der frühere VW- und Daimler- und heute Lastenraddesigner Murat Günak gegenüber dem Spiegel anmerkt. Dazu kämen bei den Kunden objektive Vorzüge, wie die höhere Sitzposition oder subjektive wie das bessere Sicherheitsgefühl. Der Trend zu großen Rädern mit dynamischen Silhouetten sei ungebremst, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Platzbedarf.

Dem Trend entgegenstemmen: Feinmobilität nach Maß

Auch auf die Normung in Baustellen hat das gestiegene Maß Einfluss: So werde die Breite der linken Spur mittlerweile statt 2,5 Meter auf 2,6 oder 2,7 Meter angehoben. Die Tendenz zu mehr Breite sei ungebrochen, konstatiert Günak. Einzige Grenze könnte die Normbreite für Lkw sein, die auf 2,5 Meter ausgelegt ist. Damit es nicht so weit kommt, halten andere Verkehrsplaner dagegen. Man müsse grundsätzlich weniger Stellplätze im Straßenraum anbieten, meint etwa Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik. Sie hält es für verheerend, ein Angebot für etwas zu schaffen, was man eigentlich nicht mehr dulden wolle.

"Wir sollten handeln und uns nicht vom Markt die Größe unserer Parkplätze diktieren lassen", appelliert auch Konrad Otto-Zimmermann, Ex-Generalsekretär des Weltstädteverbandes gegenüber dem Spiegel. Mit größeren Parkplätzen setze man indirekt sogar einen Anreiz zum Kauf größerer Wagen und unterminiere die Klimaziele und die Mobilitätswende.

Zimmermann hat einen komplett anderen Ansatz entwickelt, der unter der Überschrift "Feinmobilität" eine zum Zweck angepasste Fortbewegung empfiehlt. Sein Freiburger Studie "The Urban Idea" hält dem statischen Konzept der FGSV vom Bemessungsfahrzeug eine Kategorisierung der Fahrzeugklassen nach Textilklassifizierung von XXS bis XXL vor, vom Rollschuh bis zum Geländewagen, wie es heißt. Dabei solle ein spezieller Fokus auf die Elektroleichtfahrzeuge mit bis zu 120 km/h Höchstgeschwindigkeit und 100 Kilometer Reichweite gelegt werden, die ein breites Spektrum von Pendler-, Freizeit- und Dienstfahrten abdecken könnten. Zimmermann dreht die Logik um:

"Wenn es mehr kleinere als große Parkplätze im Wohngebiet oder in Tiefgaragen gibt, überlegen sich die Menschen, welches Fahrzeug sie kaufen und nutzen", schlägt er vor.

Auch für FGSV-Wissenschaftlerin Schäfer ist klar, dass man solche Ideen debattieren müsse. Und letztlich ohnehin den Autoverkehr um ein Drittel reduzieren müsse, um die Klimaziele zu erreichen. Es brauche passgenaue Konzepte, mahnt auch sie. Uta Bauer verweist zudem auf das Konzept der Quartiersgaragen, mit dem sich das Parken im öffentlichen Raum generell reduzieren lasse, so wie es etwa Amsterdam vorexerziert. Hier kann man ab 160 Euro pro Monat einen Stellplatz mieten. Konsequentes Parkraummanagement sei eine entscheidene Stellschraube, wie es Städte wie Freiburg ansatzweise versuchten, mit deutlich erhöhten Anwohnerparkgebühren. Allerdings müssen Kommunen bisher für etwaige Maßnahmen nachweisen, dass der Parkdruck hoch genug ist.

"Die Bundesregierung muss den Kommunen mehr Handlungsspielraum geben, damit sie Bewohnerparken flächendeckend ausrollen können", fordert Bauer.

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