Auf E-Mission: Winterfahrt ans Nordkap
Riesige Schneeflocken, Streufahrzeuge, extrem widrige Bedingungen: Als wir in Oslo von der Fähre fahren, sind wir mitten im Schneesturm. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns die nächsten zwei Wochen erwartet – und genau, was wir gesucht haben. Denn wir wollen unter Extrembedingungen erfahren, wie fortgeschritten die E-Mobilität ist. Mit knapp 20 Teams fahren wir im tiefsten Winter ans Nordkap.
Mich persönlich reizen dabei nicht nur das Abenteuer oder die Aussicht auf Nordlichter und wildlebende Elche. Norwegen gilt als Musterland der E-Mobilität. Mehr als zwei Drittel der neu zugelassenen Fahrzeuge sind rein elektrisch, öffentliche Ladepunkte stehen quasi überall zur Verfügung. Als langjähriger E-Autofahrer und als Unternehmer bin ich überzeugt, dass gerade dieser letzte Punkt zum Nadelöhr der Verkehrswende wird. Können wir von Norwegen lernen?
Der Winter treibt die Verbräuche – aber trotzdem ist man immer effizienter als jeder Verbrenner
Jedes Team fährt ein anderes Modell, ideale Bedingungen für einen praxisnahen Marktüberblick. Bei jeder Gelegenheit wird ausführlich über Batterietemperaturen und Ladekurven gefachsimpelt. Schnell wird klar: E-Autos sind inzwischen auch unter widrigen Bedingungen praxistauglich. Immerhin ist auf unserer Tour vom Schneesturm bis zum Eisregen alles mit dabei. Die Straßen sind quasi durchgängig zugeschneit, die tiefste gemessene Temperatur lag bei -18,5 Grad.
Nicht nur die Premiumhersteller haben es offensichtlich geschafft, ihre technische Exzellenz auf batteriebetriebene Fahrzeuge zu übertragen. Auch im Newcomer Aiways U5, den mein Mitfahrer Manuel und ich steuern, fühlen wir uns zu jedem Zeitpunkt sicher und wohl. Und selbst ein Kleinwagen wie die Zoe von Renault kann problemlos mithalten. Schön ist auch, dass mit dem Mercedes EQV und dem Citroën ë-SpaceTourer zwei rundum familientaugliche Modelle dabei sind. Wer sich heute ein modernes E-Auto kauft, kann sicher sein, damit selbst einen Ort wie das Nordkap zu erreichen.
Natürlich machen sich die Bedingungen beim Verbrauch bemerkbar. Durch erhöhten Heizbedarf und Rollwiderstand liegt dieser bei uns mitunter bei über 25 kWh / 100 km. Das ist dennoch effizienter als bei Verbrennern. Zusätzlicher Pluspunkt: Da der Motor nicht erst warm werden muss, funktioniert die Heizung vom Start weg sowie bei Ladepausen, und sie ist emissionsfrei.
Ein Manko bleibt die Vortemperierung der Batterien bei Kälte. Die Ladeleistungen liegen meist deutlich niedriger als erwartet. Dennoch: Kein Ladestopp (10 bis 90 % SoC) dauerte länger als eine Stunde. Dass wir nicht mehr als 500 Kilometer pro Tag fuhren, lag in erster Linie an den Straßenverhältnissen.
Die Ladeinfrastruktur: Selbst in Norwegen noch durchwachsen
Wer Tesla fährt, hat keine Ladesorgen mehr. Innerhalb des eigenen Ökosystems hat der kalifornische Hersteller dieses Thema bereits erfolgreich gelöst. Für alle anderen bleibt es eine Herausforderung – überraschenderweise auch in Norwegen. Obwohl dort pro Kopf auf dem Papier mehr als viermal so viele Ladepunkte zur Verfügung stehen, ist das in der Praxis kaum zu spüren, insbesondere außerhalb der großen Städte.
Besonders erstaunlich: Destination Charging ist in Norwegen genauso unterentwickelt wie hierzulande. Keine Frage, Schnellladen ist wichtig für die Langstrecke oder Sonderfälle wie Rettungsdienste, und hier hat sich durchaus etwas getan. Der eigentliche Schlüssel für die Verkehrswende liegt aber in günstigen, netzdienlichen Normalladern, die überall verfügbar sind, wo Autos stehen, vom Einkaufszentrum bis zum Hotel.
Nur damit lässt sich eine flächendeckende Versorgung mit klimafreundlich erzeugtem Strom sicherstellen. Genau diese Versorgungslücke wollen wir mit Lade schließen. Es braucht günstige, skalierbare und einfach zu bedienende Ladeinfrastruktur in der Fläche, damit etwa Hotelgäste über Nacht und Angestellte während der Arbeitszeit entspannt laden können. Selbst im elektromobilen Pionierland gibt es in dieser Hinsicht noch einiges zu tun.
Und das gilt leider auch für sämtliche Prozesse rund um das Laden. Allein für die Routen- und Ladeplanung brauchten wir drei verschiedene Apps. Während der eine das Fahrzeug lenkte, war der andere fast konstant damit beschäftigt, die Route an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
Noch schlimmer ist es bei der Abrechnung. Wir mussten zehn Apps installieren und uns jedes Mal neu registrieren, um die Ladepunkte unterschiedlicher Betreiber nutzen zu können. Die Funktionalität unterscheidet sich dabei teils enorm. Es gibt eindeutig angenehmere Beschäftigungen, als bei Minustemperaturen mit Handschuhen und Harndrang in einer norwegischen App ohne Übersetzung eine zwölfstellige Kreditkartennummer einzugeben. Dieser Aspekt unserer Reise war ernüchternd.
Was bedeutet das?
Vernetzung, Integration und digitale Abwicklung von Ladevorgängen bleiben zentrale Herausforderungen für Hersteller und Betreiber von Ladeinfrastruktur. Wer nicht Tesla fährt, muss auch 2022 noch immer viele Unannehmlichkeiten ertragen. Mein elektromobiles Herz macht das traurig. Als Unternehmer weiß ich aber jetzt, dass wir mit Lade auf dem richtigen Weg sind.
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