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Audi legt den Elektrifizierungs-Turbo ein

Dem e-tron sollen weitere Derivate folgen: Der ebenfalls konventionell basierte e-tron Sportback, der MEB-Stromer Q4 e-tron sowie der e-tron GT. Shanghai und Frankfurt dürften weitere Spielarten der schönen neuen Audi-Elektro-Welt bringen. Das große Ziel: Vorsprung durch Elektro-Technik.

Spät kommt er, doch er kommt: Audi bläst zur Offensive und will bis 2025 zwölf Stromer auflegen. | Foto: Audi
Spät kommt er, doch er kommt: Audi bläst zur Offensive und will bis 2025 zwölf Stromer auflegen. | Foto: Audi
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Johannes Reichel

Angriff ist die beste Verteidigung, so denkt man es sich wohl in Ingolstadt. Da platzte die schlechte Kunde vor der Jahrespressekonferenz herein, dass laut BR-Recherchen Audi-Ingenieure 2009 wohl versucht haben, auch andere Prüfzyklen wie den des ADAC und des Umweltbundesamts per Software zu detektieren und die Abgasregelung darauf abzustimmen. Und die "Herren der Ringe"? Luden zum Blick in die Zukunft statt in die Abgründe der Vergangenheit. Bis 2025 sollen zwei Drittel der Baureihen elektrifiziert sein und ein Drittel der Fahrzeuge vollelektrisch verkauft werden, so die Ansage von Audi-Chef Bram Schot. Der würdigte bei der Jahres-Pressekonferenz ausdrücklich die Verdienste seines Vorgängers Rupert Stadler für diese Weichenstellung und Produktoffensive. Die Elektrifizierung ist dabei vor allem auch eine Notwendigkeit, die der traditionell für Audi wichtige chinesische Markt diktiert, noch immer der größte Einzelmarkt. Und natürlich die drohenden strengeren Flottengrenzwerte in Europa, bei denen die Stromer dank ihrer vom Gesetz zugestandenen "Super-Credits" größte Bedeutung als Bilanzaufheller haben.

Die leidige Vergangenheit will man da wie gesagt endlich hinter sich lassen, auch wenn, wie es Entwicklungschef Hans-Joachim Rothenpieler leicht süffisant und schwer doppeldeutig formuliert, der "Verbrennungsmotor uns noch eine Weile verfolgen" wird. Er meint damit zwar die Paralellexistenz aus Verbrennermodellen und E-Fahrzeugen sowie den Mischwesen der Hybride, die man auch bei Audi seit Genf 2019 forciert. Aber er gibt damit auch einen kleinen, seufzenden Einblick in sein Seelenleben. Egal: Vor der "Standortbestimmung" mit der Presse will man unbedingt den Blick der Öffentlichkeit nach vorne justieren, nicht in den Rückspiegel.

Rückspiegel war gestern. Heute zählt Aerodynamik

Apropos Rückspiegel: Den braucht man in der Zukunft vielleicht gar nicht mehr, weil Kamerasysteme den Job übernehmen und zudem die Aerodynamik noch weiter verbessern, bei der man ganz in der Audi-Tradition mit dem anbrechenden Elektrozeitalter wieder Maßstäbe setzen will wie einst ein Audi 100. Erstmals weggelassen hat man sie bei dem in Genf bereits in Tarn-Camouflage gezeigten e-tron Sportback, den man jetzt beim Sneak Preview ohne Beklebung und in voller Pracht präsentierte - freilich noch ohne offizielle Bilder. Aber auch so wird deutlich, dass das fünftürige Coupè das elektrische SUV-Pendant zum Audi A7 werden soll, dessen Dachpartie das Fahrzeug erbt - für alle, denen der e-tron zu gewöhnlich ist. Mehr Leistung soll er auch haben, mit breiterer Spur satter dastehen und mit dem Flachdach einen noch besseren Cw-Wert bieten, wenn er denn noch in diesem Jahr anrollt.

Den Single-Frame ins E-Zeitalter retten

Noch ausgeprägter als beim e-tron ist der sogenannte "invertierte Single Frame"-Grill, den Chefdesigner Marc Lichte unbedingt in die neue Elektrozeit retten will als Audi USP.

"Wir haben das erfunden, warum sollten wir das jetzt preisgeben. Auch ein E-Audi soll sofort als Audi erkennbar sein", verkündet er angriffslustig.

Man müsse den Grill nur eben für E-Fahrzeuge neu interpretieren. Und weil der ursprüngliche Zweck, dem Verbrennungsmotor mehr Luft zu verschaffen, jetzt nicht mehr gegeben ist, wird der Grill eben invertiert. Will heißen, silbern statt schwarz und geschlossen, um die zahlreichen Sensoren sicher zu beherbergen. Denn bei den Ingolstädter Designern heißt es immer noch "form follows function".

Naja, nicht so ganz, denn auch der von Audi kreiierte "LED-Winker" hat neben tatsächlichen Sicherheitsaspekten, die schließlich auch der TÜV anerkannte, vor allem auch gestalterische "Signatur"-Gründe. Das wollen Lichte und sein Team jetzt noch weiter treiben. Beim offenbar leicht im Verzug befindlichen e-tron GT, ebenfalls in Genf als seriennahes Konzept gezeigt und auf der gemeinsamen, Premium-Elektro-Plattform PPE mit Porsche konzipiert, soll sich die Gestaltung des LED-Tagfahrlichts aus 70 Einzel-LEDs individuell anpassen lassen. Der Hauptscheinwerfer sitzt "unbehelligt" von dem effektvollen Treiben darüber eine Etage tiefer.

Elektrisch muss nicht SUV sein: Beweis mit GT&Co

Apropos Etage tiefer: "Mit dem e-tron GT wollen wir auch zeigen, dass Elektrifizierung nicht zwingend SUV heißt", meint Lichte. Die lägen zwar schwer im Trend, aber das "Premium Electric" der Zukunft, befindet der Chef-Ästhet, seien ultraflache Fahrzeuge mit auf die Art höherer Reichweite, die trotzdem noch über einen üppigen Akku verfügten. Mehr als 400 WLTP-Kilometer sollen es beim e-tron GT sein, in Anbetracht von 590 PS Leistung ein akzeptabler Wert. Fünf Zentimeter flacher baue ein e-tron GT im Vergleich zu einem A7, das sei ebenso wichtig für eine bessere Reichweite wie der Diffusor. Der sei hier eben nicht nur ein optisches Element, führt Lichte weiter aus.

Und noch ein Designelement will man mit den schon im Stadium des "Design-Freeze", also seriennahen E-Modellen pointieren:

"Nicht mehr der Motor ist das Herz des Fahrzeugs, sondern die Batterie. Dem wollen wir Rechnung tragen", meint Lichte

und verweist auf die nach außen modellierten "e-tron"-Schweller an den Flanken zum Fahrzeugboden, die künftig die Audi-E-Modelle unterscheiden sollen. Aalglatt sollen die Akkus zudem im Unterboden montiert sein, Lichte spricht vom "Floating body" und verspricht "Best-in-Class"-Aerodynamik, sieht oben.

So muss Elektro: Weniger Länge, trotzdem mehr Platz

Besonders beim ersten MEB-basierten Audi, dem Q4 e-tron fällt im Vergleich zum auf der Verbrennerplattform basierenden e-tron Sportback auf: Die Frontpartie baut deutlich kürzer, der Radstand misst länger, der Innenraum ist deutlich größer. Der Elektro-Q4 soll damit auch Platz wie ein Q5 bieten auf den Maßen eines Q3. Nebenbei ist die E-Technik dem "Original e-tron" überlegen: 450 km im WLTP mit 82 kWh-Akkus statt 400 km aus 90 kWh, und das zum fast halben Preis der um die 40.000 Euro liegen soll. Die A-Säule des Q4 e-tron nimmt einen steileren Winkel, was die Darstellung eines "Augmented Head-Up-Displays" ermöglichen soll, das relevante Informationen deutlich besser und breiter zeigen soll, als wäre es weit vor das Fahrzeug projiziert.

Das alles soll nur der Anfang sein: Wie es weiter geht, auch in volkstümlicheren Klassen, das wollen die Ingolstädter Spät-Elektrifizierer in Shanghai und Frankfurt zeigen, in verschiedenen Spielarten. Dass unter den zwölf bis 2025 avisierten E-Modellen weitere Flachbauten respektive auch urbane Gefährte in der Tradition des ikonischen A2 als Wiedergänger "Q2 e-tron" dabei sein könnten, ist natürlich reine Spekulation. Aber nach diesem Aufschlag völlig berechtigt. Noch im März werden erste e-tron an die Kunden ausgeliefert, die Nachfrage sei nach ersten Probefahrmöglichkeiten enorm hoch, wie Audi-Vertriebschef Christian Bauer versichert. Er verweist auch auf die immer bessere Ladeinfrastruktur und den dicht vernetzten Audi Charging Service. Mittlerweile sollen über 72.000 Ladepunkte in Europa mit einer Karte zugänglich sein. Denn künftig soll es nach dem Willen von Hans-Joachim Rothenpieler heißen: "Vorsprung durch Elektro-Technik".

Was bedeutet das?

Klar, die Schatten der Vergangenheit sind lang und die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Dennoch wäre es fatal, wenn beim einstigen fast ikonischen Innovationstreiber Audi in Ingolstadt sich Depression breitmachte. Nach dem Blick hinter die Kulissen ist klar: Dem ist nicht so. Offenbar wird am Weißwurst-Äquator noch immer lustvoll an Autos entwickelt und designt, von Frust dem Anschein nach kaum Spuren. Sicher, VW-Konzernchef Diess hat im Zuge der E-Mobilität schon mal massive Kürzungen beim der Belegschaft angedroht. Und der Ingolstädter "E-Quattro" muss auch erstmal Grip unter die Räder bekommen, weswegen man sich etwa auch bei den Akku-Lieferanten konzernseitg breit aufgestellt hat, um Lieferengpässe wie beim e-tron künftig zu vermeiden. Aber es könnte sein, dass das alles schneller geht, als mancher denkt. Abschreiben sollte man die technik- und designgetriebene VW-Tochter in keinem Fall.

 

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