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Anwohnerparken: Freiburg zieht die Schrauben an

Maximal 30,70 Euro zahlte bislang, wer zum Parken seines privaten Autos öffentlichen Raum beanspruchte. Unfassbar billig in Relation zu den Mieten in Städten. Jetzt prescht die Stadt Freiburg vor, erhöht die Anwohnerparkgebühr auf 360 Euro und sieht darin ein Mittel, den Verkehr zu reduzieren. Der Think Tank Agora legt dazu passend ein Diskussionspapier vor und fordert die Staffelung nach Größe.

Freiburg räumt frei: Als Mittel der Verkehrssteuerung sieht das Verwaltungsgericht in der Breisgaustadt die Erhöhung der Parkgebühren - und lehnte einen Eilantrag der FDP ab. | Foto: Stadt Freiburg
Freiburg räumt frei: Als Mittel der Verkehrssteuerung sieht das Verwaltungsgericht in der Breisgaustadt die Erhöhung der Parkgebühren - und lehnte einen Eilantrag der FDP ab. | Foto: Stadt Freiburg
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Johannes Reichel

Nach einem Gerichtsurteil hat die Stadt Freiburg grünes Licht für die Erhöhung der Gebühren für Anwohnerparken auf 360 Euro jährlich, für große Autos sogar noch etwas mehr. Laut Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Sitz in Mannheim, der einen Eilantrag der FDP ablehnte, sei die Erhöhung zulässig, um den innerstädtischen Verkehr und die Abgasemissionen zu reduzieren. Die "Liberalen", auch auf lokaler Ebene Anwalt der Autofahrer, hatten moniert, die hohen Gebühren würden "in rechtswidriger Weise umwelt- und sozialpolitische Ziele" verfolgen, als sei dies verwerflich. Die Richter zogen zudem die Relation zu einem Tiefgaragenstellplatz, der mit 2.280 Euro pro Jahr deutlich teurer kommt. Damit bröckelt der lange auf 30,70 gedeckelte Preis für Anwohnerparken weiter, nachdem vor zwei Jahren Bundestag und Bundesrat mit einer Änderung im Straßenverkehrsgesetz die Möglichkeit höherer Gebührenfestlegung durch die Länder eröffnet hatten. Im grün regierten Baden-Württemberg ist per Verordnung geregelt, dass die Kommunen das nun selbst tun können. Prompt erhöhten Städte wie Tübingen auf 120 Euro oder Karlsruhe auf 180 Euro. Auch der Deutsche Städtetag hält das für in der Höhe völlig angemessen.

"Wer sein Auto abstellen möchte, wo der Parkraum knapp ist, muss dafür bezahlen", erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Speziell im CSU-regierten Bayern sieht man das Thema traditionell weniger dringlich. Seit letztem Herbst ist ein Vorschlag versprochen, der immer noch aussteht. So parkt man in der teuersten Wohnstadt Deutschlands, München, weiter so billig wie sonst kaum: Für 30,70 Euro pro Jahr. Das decke nicht mal die Verwaltungskosten, wie die Agora Verkehrswende jüngst konstatierte und ein Diskussionspapier vorlegte.

„Die Erhöhung der Gebühren für das Bewohnerparken ist überfällig. Lange waren die Gebühren viel zu niedrig. Niedrige Gebühren verleiten dazu, Autos auf wertvollen öffentlichen Flächen stehen zu lassen und selbst dann an ihnen festzuhalten, wenn die Fahrzeuge kaum gefahren werden. Höhere Gebühren erleichtern die Parkplatzsuche für Anwohnerinnen und Anwohner und sind auch für die meisten, die es betrifft, finanziell tragbar. Die Gebühren für Bewohnerparken zu erhöhen bedeutet, ein überholtes Auto-Privileg abzubauen und damit die Allgemeinheit zu entlasten", erklärt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende.

Selbst 360 Euro pro Jahr (so wie dies als Grundgebühr beispielsweise in Freiburg im Breisgau beschlossen wurde) bedeuteten, dass die Parkberechtigung weniger als 1 Euro pro Tag koste, was für einen Durchschnitts-Pkw immer noch nur etwa 7 Prozent der jährlichen Gesamtkosten ausmacht, wie Agora vorrechnet.

Günstiger parken mit kleinem Auto

Als zusätzliche Maßnahme, die einkommensarmen Haushalten zugute kommen kann, empfiehlt die Denkfabrik, die Gebührenhöhe nach Fahrzeuggröße zu differenzieren. Für ein großes Auto wäre dann mehr zu zahlen als für ein kleines, weil große Autos mehr Raum in Anspruch nehmen. Das sei ein Vorteil für Menschen, die weniger Geld haben, weil sie auch seltener ein großes Auto fahren. Weniger als jeder zehnte große Pkw gehört zu einem Haushalt mit niedrigem oder sehr niedrigem ökonomischen Status.

Mehr als die Hälfte der Haushalte mit sehr niedrigem ökonomischen Status (53 Prozent) besitzen laut Agora überhaupt kein Auto, nutzen also grundsätzlich den öffentlichen Verkehr sowie Geh- und Radwege. Nur rund zwei Prozent der Haushalte in Deutschland können sich Schätzungen zufolge kaum ein Auto leisten und sind trotzdem darauf angewiesen. Und nur ein Teil von diesen zwei Prozent lebt in dicht besiedelten Gebieten, in denen Parkvorrechte für Anwohnerinnen und Anwohner gelten oder zu erwarten sind. Für die meisten Haushalte würden höhere Gebühren für das Bewohnerparken deshalb nicht groß ins Gewicht fallen.

Entlastungen für klar definierte Gruppen mit geringem Einkommen

Ob weitere Entlastungen erforderlich sind, solle jede Kommune nach der Lage vor Ort entscheiden, plädiert die Organisation. Rechtlich zulässig seien am ehesten Ermäßigungen für klar definierte Gruppen, zum Beispiel Menschen, die Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen, oder Menschen mit Behinderung. Gestützt wird diese Einschätzung von Rechtsexperten, die Agora Verkehrswende hinzugezogen hat. Als Praxisbeispiel, wie Ermäßigungen sowie Befreiungen beim Bewohnerparken geregelt werden können, verweist der Think Tank eben auf die Stadt Freiburg im Breisgau.

Keine „Gebührenerhöhung“, sondern Abbau überholter Auto-Privilegien

Es gelte zudem, im Zuge der Gebührenanpassung auf eine besonders sensible Kommunikation zu achten. Die Kommune könne etwa in den Vordergrund stellen, dass die Kosten für das Bewohnerparken bisher von der Allgemeinheit finanziert wurden, weil die Gebühren nicht kostendeckend waren, empfiehlt die Denkfabrik.

„Unser Papier soll Länder und Kommunen dabei unterstützen, die Diskussion zu den Gebühren für Bewohnerparkausweise einzuordnen, vor allem wenn es darum geht, soziale Aspekte zu berücksichtigen. Dort, wo die Länder den Weg freigeräumt haben, können Kommunen die Anpassung der Gebühren nutzen, um den Straßenverkehr vor Ort fairer und nachhaltiger zu gestalten", meint Wolfgang Aichinger, Projektleiter Städtische Mobilität bei Agora Verkehrswende.

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