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Agora-Chef zur Verkehrswende: "Wir alle werden viel ändern müssen"

Radikal als neues normal: Der Chef der Agora Verkehrswende Christian Hochfeld plädiert für höhere Benzinpreise, mehr E-Autos, zugleich Verkehrsvermeidung, Verlagerung sowie Neuaufteilung des öffentlichen Raums. Und fordert endlich schnelles Handeln.

Tempo machen bei der Wende: Thomas Hochfeld fordert zügiges Handeln und wirft der aktuellen Regierung Unehrlichkeit und "Schlafwagenpolitik" vor. Die Verkehrswende gebe es nicht kostenlos. | Foto: Agora
Tempo machen bei der Wende: Thomas Hochfeld fordert zügiges Handeln und wirft der aktuellen Regierung Unehrlichkeit und "Schlafwagenpolitik" vor. Die Verkehrswende gebe es nicht kostenlos. | Foto: Agora
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Johannes Reichel

Der Chef des Think Tanks Agora Verkehrswende Christian Hochfeld hat sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung für einen entschlossenen und zügigen Wandel in der Mobilität ausgesprochen. Anders seien die Klimaziele nicht mehr zu erreichen. "Wir müssen das jetzt endlich schnell entscheiden. Die Politik aus dem Schlafwagen muss enden", erklärte der Diplom-Ingenieur und frühere Chef des GIZ-Programms für nachhaltigen Verkehr in China. Er forderte die Gesellschaft auf, die Mobilität generell zu überdenken.

"Wir alle werden viel ändern müssen. In der Mobilität gilt in den nächsten Jahren: Radikal wird das neue normal", meint Hochfeld. Es müsse funktionieren, dass man die Emissionen im Verkehr bis 2030 um die Hälfte senke.

Dafür brauche es sehr viel mehr Elektroautos, aber auch Verkehrsvermeidung, Bündelung und Verlagerung. Als Sofortprogramm schlägt Hochfeld drei Maßnahmen vor: Benzin müsse teurer, vor allem elektrische Dienstwagen sollten mit Steuererleichterungen incentiviert und bei der Kfz-Steuer E-Fahrzeuge entlastet werden. "Danach brauchen wir aber endlich mal ein Gesamtkonzept", mahnte er an. Klimaschädlicher Verkehr müsse teurer werden, weil es anders nicht funktioniere. Darüber bestehe Konsens in der Wissenschaft, und auch alle Parteien wüssten das. Er verurteilte die "unehrliche Politik", wenn die Regierung den Eindruck erwecke, Klimaschutz sei kostenfrei zu bekommen und nur mit Förderung zu meistern.

Scheuer betreibt Rosinenpickerei

Hochfeld kritisierte insbesondere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dessen Klimaprogramme nur die Hälfte dessen brächten, was notwendig wäre. Er warf dem CSU-Politiker "Rosinenpickerei" vor. "Die unangenehmen Maßnahmen muss nun die neue Regierung anpacken. Für die Gesellschaft ist so eine schwierige Lage entstanden und für die nächste Regierung auch", so Hochfelds Analyse.

Neue Regierung muss Untätigkeit der aktuellen ausbügeln

So entstehe der Eindruck, die neue Regierung greife in den Giftschrank, sie bügle aber nur die Untätigkeit der bisherigen Regierung aus. Nach seinem Eindruck seien viele Manager in der Autoindustrie weiter als die Politik, Hochfeld sieht darin auch das "Zeugnis für das Regierungsversagen in den vergangenen Jahren".

Fossil angetriebene Fahrzeuge müssten im Betrieb künftig deutlich teurer werden, der Spritpreis 40 bis 55 Cent pro Liter höher liegen bis 2030, Schritt für Schritt, wie Hochfeld betont. Er erwartet als Teilkompensation aber niedrigere Verbräuche und verwies auf den ohnehin schon vollzogenen Preissprung von etwa 40 Cent seit vergangenem Jahr, der nichts mit dem CO2-Preis zu tun habe. Ähnlich wie die Grünen schlägt Hochfeld ein Mobilitätsgeld zum Ausgleich sozialer Härten vor, stellt aber die generelle Frage, was das größere soziale Problem sei: Klimaschutz oder hohe Mieten in der Stadt respektive schlechte Bezahlung etwa im Gesundheitswesen.

Nicht zu handeln, wäre die größte Gefahr

Deutschland solle in der Transformation mehr die Chancen, nicht immer nur die Gefahr sehen. Die Gefahr sei viel größer, nicht zu handeln, meinte Hochfeld im Hinblick auf den Wettbewerb aus China, USA, Südkorea oder auch die verschärften Klimaziele der EU. Die bisherige Skepsis der Deutschen gegenüber der E-Mobilität sei auch der Politik und Teilen der Wirtschaft anzulasten. Es werde "mit harten Bandagen gegen neue Antriebe" gekämpft, kritisiert Hochfeld. Die Umweltprobleme von E-Autos ließen sich ausräumen. Hochfeld mahnte auch an, die Dinge in Relation zu betrachten.

"Wie viele Tankerunglücke gibt es, wie viele Erdölförderstellen sind ökologisch desaströs. Wie viel Öl wird von Despoten verkauft", zieht Hochfeld den Rahmen.

Es sei zudem unehrlich, den Leuten zu vermitteln, man habe heute schon die freie Wahl bei alternativen Antrieben zwischen Batterie, Brennstoffzelle für Wasserstoff und Synfuels. Letztere beiden seien aber frühestens in zehn Jahren im größeren Stil nutzbar. "Wir müssen schneller sein", mahnt der Agora-Chef.

Um die nötige Ladeinfrastrukur zu schaffen, müsse vom Ende und dem Bedarf her gedacht, geplant und gebaut werden. Er warnte davor, die Städte mit hundertausenden langsamen Ladesäulen zuzupflastern und empfahl besser das Tankstellenprinzip mit Schnellladehubs umzusetzen, zusätzlich zu Heim- und Arbeitsplatz-Laden. Das Netz müsse als Daseinsvorsorge staatlich reguliert werden, könne aber nicht ewig staatlich gefördert werden. Hochfeld schlug zur Finanzierung eine Abgabe auf Benzin oder eine Infrastrukturabgabe vor oder die Ladesäulen über das Stromnetz zu finanzieren, wie es in Kalifornien der Fall sein. Grundsätzlich müsse der öffentliche Raum aber neu verteilt werden.

"Autos werden künftig nur noch weniger Platz beanspruchen können. Sie stehen 23 von 24 Stunden in Städten herum. Das ist keine sinnvolle Nutzung", mahnte Hochfeld.

Roller und Mieträder würden nur einen Bruchteil der Fläche beanspruchen. Er sprach sich zudem für Tempo 30 aus, was bisher noch vom Gesetz verboten werde. Städte bräuchten mehr Gestaltungsfreiheit. So entstehe ein Wettbewerb der neuen Mobilitätskonzepte und ein besseres Stadtleben. Man müsse den Menschen neue Konzepte und den Verzicht auf's Auto mit attraktiven Angeboten nahebringen. Die Alltagsroutinen müssten sich verändern.

"Jeder soll seine Mobilität ausleben, wie er mag. Er soll nur einen fairen Preis dafür zahlen. Am Ende betreiben wir doch Klimaschutz, um uns und den kommenden Generationen Freiheit und damit auch Mobilität zu sichern", skizzierte Hochfeld.

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