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ADAC bewertet Assistenten: Teslas Autopilot bindet Fahrer zu wenig ein

Neben Autobahnassistenten wurden Spurassistenten auf Landstraßen geprüft. Letzere befand man für sehr hilfreich zur Unfallvermeidung. Bei den Autobahnhilfen liegt Tesla in der Funktin vorn, aber deutsche Premiumhersteller den besten Mix dank Fahrereinbindung.

Auf hohem Niveau: Die Fahrerassistenz von Mercedes-Benz überzeugte mit guter Mischung aus Funktion und Fahrereinbindung. | Foto: ADAC/Uwe Rattay
Auf hohem Niveau: Die Fahrerassistenz von Mercedes-Benz überzeugte mit guter Mischung aus Funktion und Fahrereinbindung. | Foto: ADAC/Uwe Rattay
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Johannes Reichel

Die Crashklassifizierung Euro NCAP hat - auch mit Unterstützung des Automobilclubs ADAC - erstmals auch sogenannte "kontinuierlich unterstützende Komfortassistenten" bewertet, weil diese für die Entwicklung des autonomen Fahrens große Bedeutung besitzen, wie es zum Hintergrund heißt. Mit der neuen vergleichbaren Testmethodik liege nun ein objektives Bewertungssystem für sogenannte Autobahnassistenten vor. Diese zeichnen sich durch das Zusammenspiel von Abstandsregeltempomat (ACC – Adaptive Cruise Control) und Spurhalteassistent (LC – Lane Centering) aus. Sie sollen dem Fahrer helfen, mit konstanter Geschwindigkeit zu fahren, einen sicheren Abstand zu halten und in der Fahrspur zu bleiben.

"Wir sehen sehr große Fortschritte beim assistierten Fahren", bilanziert Volker Sandmann, Leiter Fahrsicherheit beim ADAC gegenüber der Süddeutschen Zeitung. 

Fahrer muss jederzeit Herr der Lage bleiben

Zehn Fahrzeuge unterschiedlicher Fahrzeugklassen wurden dem neuen Testverfahren bereits unterzogen, bei dem nicht nur Funktionalität und Wirksamkeit der Systeme, sondern auch die Einbindung des Fahrers bewertet werden. Diese sei für die Gewährleistung der Sicherheit entscheidend, denn der Fahrzeugführer müsse jederzeit wissen, was sein Fahrzeug tut und aufmerksam bleiben, um kontrollierend eingreifen zu können, erklären die Organisationen.

Deutsche Premiummarken mit besserer Mischung als Tesla

In die Bewertung einbezogen wurden auch die Leistungen der Notfallassistenz unter den Fragestellungen: Leitet das System verlässlich eine Notbremsung ein, reagiert die Technik auf eine Systemstörung oder wenn der Fahrer ausfällt? Die Gesamtbewertung drückt sich in den Urteilen „sehr gut, gut, befriedigend und ausreichend“ aus.

Mit dem Mercedes-Benz GLE, dem 3er-BMW und dem Audi Q8 erreichen drei Fahrzeuge der Premiumklasse ein „Sehr gut“. Sie verfügen sämtlich über eine aktuelle Elektronikarchitektur im Fahrzeug, anders als etwa der Passat, der im Prinzip auf dem 2015er-Modell basiert. Ingseamt betrachtet schnitt der Mercedes-Benz am besten ab. Alle drei getesteten Modelle böten ein hohes Maß an Fahrerunterstützung, binden dennoch den Fahrer ein und überließen ihm die Kontrolle über die Fahraufgabe. Gut bewertet wird auch die Notfallassistenz.

Teslas Autopilot: Top in der Funktion, flop in der Einbindung

Die Kompaktfahrzeuge Renault Clio und Peugeot 2008 erreichten hingegen in der Bewertung nur ein „ausreichend“. Ihre Assistenzsysteme seien weniger ausgereift und böten eine eher geringe Unterstützung, so das Urteil der Tester. Das Tesla Model 3 erhielt zwar Bestnoten für die Fahrerunterstützung und die Notfallassistenz. Allerdings binde der sogenannte "Autopilot" den Fahrer nicht ausreichend ein. Auch die Kooperation wird bemängelt: Das System klinke sich aus, sobald der Fahrer es übersteuert, kritisieren die ADAC-Leute. Auch die noch nicht aktivierte betrugssichere Fahrerüberwachung bringt Abzüge. Sie lasse sich aber per Software-Update "over the air" nachrüsten, erkennen die Tester an. Deshalb erreicht das Fahrzeug insgesamt nur die Bewertung „befriedigend“ und landet auf Platz sechs.

"Wir sind überzeugt, dass Assistenten auf dem jetzigen Niveau - solange sie eben nur Assistenten sind - nur mit einer überzeugenden Fahrereinbindung funktionieren", unterstreicht ADAC-Projektleiter Passive Sicherheit Andreas Rigling die Bewertung.

Wie groß das rein rechnerische Potenzial beim Tesla ist, der mit drei Kameras arbeitet und die 40-fache Rechenleistung des Vorgängers aufweist, erweist sich laut SZ bei einem noch nicht zum Euro-NCAP-Prozedere gehörenden Versuch. Hier weicht ein vorausfahrendes Auto abrupt aus, der Tesla kommt dennoch offenbar souverän vor dem Hindernis zu stehen. Auch ohne klare Spurmarkierungen lotst die Software das Fahrzeug auf dem Versuchsareal in Penzing durch Kurven und über Kreuzungen. Auch die Überwachung des toten Winkels funtioniert dem Vernehmen nach sehr zuverlässig. Was nicht bedeutet, dass es außerhalb des Testgeländes nicht zu Systemstörungen wie beim Passat kommen kann.

Ebenfalls mit „befriedigend“ bewertet wurden der VW Passat, der Nissan Juke und der Volvo V60. Der Kuga schnitt mit „gut“ ab. Das zeige, dass ausgewogene, moderne Systeme auch für gängige Mittelklassefahrzeuge verfügbar sind. Die Zuverlässigkeit und Funktionalität von Fahrassistenzsystemen prüfte Euro NCAP allerings bereits länger.

Aussagen in diesem Video müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Spurassistenten: Helfer mit großem Potenzial

Beim separaten Test der Spurassistenzsysteme diverser Hersteller bescheinigte der ADAC den elektronischen Fahrhilfen vor allem auf Landstraßen großes Potenzial zur Unfallvermeidung oder -abmilderung. Abkommen von der Fahrspur sei mit knapp 40 Prozent die häufigste Unfallursache, die in der ADAC Unfalldatenbank registriert werde, schildert der Club den Hintergrund. Im Rahmen der Auswertung der Euro NCAP Tests von 2018 und 2019 wurde nun ermittelt, was die Spurhalteassistenten von insgesamt 71 Pkw-Modellen können – und was nicht.

Tesla bleibt am besten in der Spur

Ganz vorne im Ranking landen punktgleich auf den ersten drei Plätzen das Model 3 und das Model X von Tesla sowie der Audi Q3. Ihre Fahrspurassistenten beinhalten alle sinnvollen Funktionalitäten – von der automatischen Aktivierung beim Neustart über das Erkennen des Straßenrandes auch ohne Markierung bis hin zum Schutz vor Kollision mit dem Gegenverkehr. Schlusslichter sind der Suzuki Jimny, der nur einen Spurverlassenswarner hat, sowie der Fiat Panda und der Wrangler Jeep, die über keinen Fahrspurassistenten verfügen.

Die Fahrzeughersteller haben unterschiedliche Typen an Fahrspurassistenten in die Pkw verbaut. Manche Systeme führen das Fahrzeug in der Spurmitte, greifen dafür aber auch permanent in die Spurführung ein, analysieren die Autoren. Am sinnvollsten seien Systeme, die anzeigen, ob das Auto die Fahrbahnbegrenzung erkennt, und nur dann sanft eingreifen, wenn Gefahr besteht, dass die Spurbegrenzung überfahren wird. Solange das Fahrzeug weitgehend in der Spurmitte bleibt, erfolgt kein Lenkeingriff. Notfall-Spurhalteassistenten schalten sich dagegen beherzter ein, aber nur dann, wenn die Situation kritisch zu werden droht.

Großes Fragezeichen: Aktiviert müssen sie sein

Fahrspurassistenten haben ein großes Potenzial, Unfälle zu verhindern – sofern sie aktiviert sind und gut funktionieren. Die Systeme werden jedoch schnell als störend empfunden, wenn der Fahrer ihre Funktionsweise nicht versteht. Entscheidend sei daher, dass der Fahrer sich mit der Wirkungsweise seiner Fahrzeugassistenten vertraut macht, damit sie ihr Potenzial auch entfalten können, so das Urteil der Experten.

Die Euro NCAP Tests zeigten, dass ausgereifte Assistenten bereits heute verfügbar seien. Ab 2022 ist ihr Einsatz in neuen Fahrzeugmodellen vorgeschrieben, ab 2024 in allen neu zugelassenen Pkw und leichten Lkw bis 3,5 Tonnen. Laut ADAC ist es aber entscheidend, dass die Systeme beim Fahrzeugstart automatisch aktiviert werden und auch nicht nach einer manuellen Deaktivierung ausgeschaltet bleiben. Nach Ansicht des Clubs sollte ab 2022/2024 auch vorgeschrieben sein, dass Fahrspurassistenten den Straßenrand erkennen, auch wenn keine Fahrbahnmarkierungen vorhanden sind. Da auf vielen engen und gefährlichen Überlandstrecken Markierungen fehlen, hätte ein solches System ein großes Potenzial, Unfälle zu vermeiden, glauben die Autoren.

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