42. KS Umweltpreis: "Lassen Sie den ländlichen Raum in Ruhe!" - Fokus auf suburbane Strukturen
Bei der 42. Verleihung des Energie- und Umweltpreises des Automobilclub KS e.V. in der Alten Kongresshalle in München hat die Festrednerin Prof. Dr.-Ing. Stefanie Bremer vom Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung der Universität Kassel in ihrem Vortrag zum Thema „Auto – Energie – Umwelt: Wie stellen wir eine intelligente Mobilität von morgen sicher?“ eine klare Fokussierung beim Thema Verkehrswende auf die verstädterten suburbanen Räume gefordert. Hier gebe es am meisten Potenzial im Hinblick auf die Klimaschutzwirkung. Am Land gebe es häufig schlicht keine Alternative zum Auto. "Lassen sie den ländlichen Raum in Ruhe. Dorfbewohner, Bauern und Handwerker werden sie nicht gewinnen für die Verkehrswende", appellierte die Wissenschaftlerin, die auch das Büro „orange edge“ für Stadtplanung und Mobilitätsforschung mitbetreibt. Und sie unterlegte ihre Thesen mit Zahlen.
So würden hochgerechnet lediglich 10 Millionen Deutsche als reine Landbewohner gelten, reine Stadtbewohner wiederum etwa 20 Millionen. Der Rest und damit die große Masse seien eher "Zwischenstädter" und hier gelte es, anzusetzen. Man möge den oft zitierten, aber undifferenzierten Kontrast "Stadt-Land" hinter sich lassen und "raumdifferenzierte Mobilitätskonzepte" aufzusetzen, forderte Bremer. Es gelte, die Stadt "staufrei" zu machen und den Verkehr dementsprechend zu organisieren. Hier könne "Feinmobilität" eine zentrale Rolle spielen, sprich mehr Fuß, Rad und leichte E-Mobilität. Eine reine "Antriebswende" genüge hier nicht, um die Stauproblematik in den Griff zu bekommen.
Bremer: ÖPNV am Land, das wird eine Illusion bleiben
Zudem solle die Illusion beendet werden, dass der ÖPNV am Land im großen Stil ausgebaut werden könne. „Bus und Bahn werden nie so sexy sein wie Rad oder Auto“, meint Bremer. Allerdings könne man die vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel besser machen und durch attraktive Gestaltung der Transportmittel etwa die Pendelzeit als Arbeitszeit erschließen. Bremer forderte von der Politik, die "Zukunftslust" der Menschen zu wecken. Können wir Verkehr so denken, dass es Freunde macht, begeistert und mitnimmt“, fragte die Wissenschaftlerin rhetorisch. Zu oft werde betont, was man alles nicht wolle statt eine positive Vision zu zeichnen. "Die Verkehrswende kann auch sexy sein", findet Bremer. Nur so komme man heraus aus der "Verkehrswendeschleife", in der das Land feststecke und die immer gleichen Debatten wiederhole.
„Wenn wir die Antriebswende in der breiten Masse jetzt ernsthaft schaffen wollen, müssen wir gemeinsam die suburban-verstädterten Räume in den Fokus nehmen. Schluss. Aus.“, pointierte die Stadtplanerin.
Andererseits sei es Aufgabe der Politik, die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen ernst zu nehmen und so etwa auch die Freude am Automobil zu akzeptieren.
Bayerns Umweltminister outet sich als E-Mobilist der ersten Stunde
Hier knüpfte auch der bayerische Umwelt- und Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern an, der konstatierte, dass das Automobil noch immer fasziniere, aber auch "Landeier" begriffen hätten, dass man in der Stadt mit Öffentlichen Verkehrsmitteln besser vorankäme. Allerdings hielt er - im Gegensatz zu seinem Parteichef Hubert Aiwanger oder Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, die den Verbrennerausstieg rückgängig machen wollen - ein flammendes Plädoyer für die E-Mobilität, aus seiner Sicht habe der Verbrenner keine Zukunft, so Glauber, der sich als früher Kunde eines BMW i3 outete und den ministeriellen Fuhrpark komplett elektrifiziert hat. Das sei ein Gebot des Klimaschutzes, aber auch der reinen Physik, weil das E-Auto beim Wirkungsgrad schlicht haushoch überlegen sei. Es gelte, den Energieverbrauch drastisch zu senken. Das seien die physikalischen Fakten und Notwendigkeiten, wenn man die Klimaziel erreichen und die Klimakrise eindämmen wolle.
Forcierte Klimakrise: Ein Drittel nur in Klimaanpassungsmaßnahmen
Sein Ministerium investiere mittlerweile ein Drittel des Haushalts in Klimaanpassungsmaßnahmen, die aufgrund von Starkregen oder Trockenheit notwendig würden, jüngst etwa auch nach den Hochwasserereignissen. Aus seiner Sicht seien viele Unternehmen und Bürger oft schon weiter, während die Politik verharrt. Er appellierte, die Transformation als Ansporn zu sehen. Die Technologien, wie etwa bei der Nutzung bidirektionalen Ladens und von Autos als Pufferspeicher statt stationärer Speicher im Keller sei doch vorhanden, der Ausbau der Photovoltaik auf Dächern erfolge noch immer viel zu zögerlich. Die Politik müsse schneller die richtigen Regularien schaffen, das Land müsse insgesamt schneller werden, es sei keine Zeit mehr für Zögerlichkeit. Asien und China hätten längst eine "Roadmap" und forcierten die Transformation, die warteten nicht auf Europa. Man solle keine Angst vor der Veränderung haben, denn sie komme so oder so, appellierte Glauber an das Publikum.
Daimler Truck: Haben die Möglichkeit, zu handeln
Mit dem KS Energie- und Umweltpreis in der Kategorie Fahrzeugtechnik zeichnete Deutschlands drittgrößter Automobilclub in diesem Jahr Daimler Truck für nachhaltigen Transport und umfassendes Technologie-Know-how aus. Martin Hink, Head of eMobility/H2 Charging, Infrastructure & Ecosystem Business Solutions Mercedes-Benz Trucks bei der Daimler Truck AG unterstrich, dass rasches Handeln für mehr Klimaschutz im Transport geboten sei. "Wir haben die Möglichkeit zu handeln", appellierte er. Und sieht nach dem Faktor Technologie auch das Thema Kosten auf dem Weg zur Parität mit dem Diesel, vor allem auch durch die Mautbefreiung und niedrigere Energiekosten der von E-Trucks wie dem eActros. Der dritte wichtige Faktor sei die Infrastruktur und da hapere es aktuell noch gewaltig. 35.000 Stationen speziell für E-Trucks seien bis 2030 nötig, um den Lkw-Verkehr zu elektrifizieren, auch wenn 60 Prozent der Kunden kein Megawattcharging benötigten. Dies sei mehr für die Autobahn und spontane Ladevorgänge, von denen es aber auch genug geben werde.
Die Politik müsse den richtigen Rahmen setzen und hier unterstützen, auch wenn die Industrie etwa mit der Ladekooperative Milence zusammen mit Traton und Volvo Group selbst aktiv were in Sachen Ladenetzausbau. Hink verwies aber auch auf den Faktor Mensch: Bei den Fahrern kämen die E-Trucks bestens an, leise und performat wie die Fahrzeuge seien. Die Langstreckentauglichkeit stellt man gerade mit dem eActros 600 auf einer 13.000-Kilometer-Europa-Tour unter Beweis, bei der sich die versprochenen 500 Kilometer Reichweite bisher als absolut realistisch erwiesen hätten. Darüber hinaus verfolge man aber auch den Weg der Wasserstoff-Brennstoffzelle sowie des Wasserstoffverbrenners, beides weit gediehene Technologien, denen man einen Platz im Antriebsmix der Zukunft zumisst.
Mahle-System könnte Ausbau an WEG-Infrastruktur beschleunigen
Den Preis in der Kategorie Mobilitätssysteme erhielt der Automobilzulieferer MAHLE für seine E-Fahrzeug-Ladelösung chargeBIG6 für die Wohnwirtschaft und kleinere Betriebe. Mit MAHLE chargeBIG6 lassen sich bis zu sechs Elektroautos gleichzeitig am bestehenden Hausanschluss mit bis zu 22 KW laden. Ein großer Vorteil, denn in Mehrfamilienhäusern lasten ansonsten Einzelplatzlösungen den Stromanschluss stark aus. Sollen weitere Ladepunkte hinzukommen, werde häufig ein neuer und leistungsfähigerer Stromanschluss fällig, der mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Beim Ladesystem in Mehrfamilienhäusern ist dagegen der Ladepunkt Teil des bestehenden Netzanschlusses der dazugehörigen Wohnung. Dabei sorgt das integrierte Lastmanagement für eine intelligente Ausnutzung des bestehenden Netzanschlusses und verhindert eine Überlastung.
Das System ist um weitere sechs Ladepunkte erweiterbar. Mit der Ladelösung für kleine Anwendungsbereiche sieht man ein großes und regelmäßiges Hindernis für den Umstieg auf ein E-Auto beseitigt. Dies könne einen großen Effekt hin zu mehr Nachhaltigkeit bedeuten, befinden sich doch mehr als zwei Drittel der deutschen Haushalte in Zwei- und Mehrfamilienhäusern. Im Schnitt seien hier maximal 15 kW und zwei bis drei Stunden Ladezeit nötig. Zudem sei die Lösung ressourcenschonend, die Komponenten könnten einzeln getauscht werden.
„Wir haben chargeBIG6 um das Lastmanagement herum entwickelt. Es ist technisch leistungsfähiger und gleichzeitig auch einfacher. Mit diesem Konzept sind wir in der Lage, deutlich günstiger zu sein – und zwar mit Produkten ‚Made in Germany‘“, erklärt Matthias Krumbholz, Entwicklungsleiter bei MAHLE chargeBIG.
Erstmals war der KS Energie- und Umweltpreis in diesem Jahr zudem mit insgesamt 20.000 Euro dotiert. 10.000 Euro kamen dabei dem von Daimler Truck ausgewählten Verein Blicki e.V. zugute, der mit Verkehrssicherheitsinitiativen wie „Blicki blickt’s“ die Verkehrserziehung und -kompetenz von Kindern im Straßenverkehr fördert. MAHLE hatte sich entschieden, das Preisgeld auf zwei Empfänger aufzuteilen: So erhielt einerseits die Stiftung Technisches Hilfswerk (THW) aufgrund deren unermüdlichen Einsatzes bei der Hochwasserkatastrophe im Mai 5.000 Euro. Ebenso gab es im Namen von MAHLE eine Spende von 5.000 Euro an die Sozialen Betriebe der Laufer Mühle, eine Suchthilfe-Einrichtung in Franken, die Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Weg in eine suchtmittelfreie Zukunft begleitet und ihnen Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gemeinschaft und am Arbeitsleben bietet.
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