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21. Technischer Kongress des VDA: Emotionaler Abschluss mit Weitblick

Auch diesmal ging der technische Kongress wieder auf Politik- und Rechtsthemen ein. Den Abschluss bildeten zwei Sessions zur Produktion der Zukunft, die von VISION-mobility-Chefredakteur Soller moderiert wurde und ein großer Ausblick aus Sicht der Industrie und Politik.

Einmal mehr führte Dr. Joachim Damasky vom VDA gekonnt durch die beiden Tage. | Foto: G. Soller
Einmal mehr führte Dr. Joachim Damasky vom VDA gekonnt durch die beiden Tage. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Auch am zweiten Tag des technischen Kongresses hätte man sich wieder zweiteilen müssen: Denn eine Session beleuchtete den Welthandel, der mit Brexit und dem Handelsstreit zwischen den USA und China durchaus seine Herausforderungen hat. Dazu kam das Thema „Connected Technologies“ und Patente. Hier ging es darum, ob die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs als nicht gerechtfertigte Härte gewertet werden muss – ein Thema, das Uwe Wiesner von Volkswagen leidenschaftlich diskutierte. Die zweite Session widmete sich derweil dem Nutzfahrzeug: Auch dort findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt, die Elektrifizierung schreitet voran und der Lkw könnte künftig auch als geteilte Ressource gesehen werden – was laut Sebastian Sorger von Loadfox durchaus ein Ansatz für eine fragmentierte Branche sein könnte, die mit Fahrermangel und dünnen Margen kämpft.

Es folgte die Plenarsession Produktion der Zukunft, von VISION-mobility-Chefredakteur Gregor Soller moderiert. Sie begann mit Thorsten Freund, dem Vice President Automotive Sales&Services der Siemens Industry Software GmbH, der provokant fragte, wie weit man im eigenen Betrieb mit der Digitalisierung gekommen sei und welche konkreten Vorteile man dadurch bereits erreicht hätte. Er bestätigte dann indirekt die Aussage der ersten Session, die sich mit autonomem Fahren beschäftigte: Ja, man sei sehr weit gekommen: Allein 2018 habe Siemens weltweit 7300 Patente eingereicht und sei damit Nummer eins in Europa. Entsprechend hoch sei auch die Kompetenz in der Software zur Produktionsoptimierung, mit der man Entwicklungszeiten in der Autobranche, die heute noch bis zu sieben Jahre dauern könnten, maximal senken könnte. Wie maximal, Herr Freund? Die Antwort gäbe die Industrie: 12 bis 15 Monate lautet deren Ansage – ein Zeitraum, der laut Freud unabdingbar für künftige Entwicklungen sei – und der auch umsetzbar wäre, wie die letzten Projekte von Siemens gezeigt hätten.

Etwas konkreter wurde danach Ulrich Schrickel, Vice President Automotive Sales&Services von Bosch, der über das Orchestrieren zukünftiger Produktionsecosysteme referierte und die erste komplett mannlose Bosch-SMT-Fertigung für 2020 in Aussicht stellte. Wobei er einräumte, dass es sich dabei um eine hoch standardisierte Fertigung mit vergleichsweise wenig Varianzen handele. Wäre das auch auf eine Autofabrik übertragbar und wenn ja, bis wann? Hier ist Schirckel ob der letzten großen Fortschritte optimistisch: Würde man sich auf ein stark standardisiertes Modell einigen, könnte er sich durchaus vorstellen, das ab 2030 ohne Menschenhand zu „orchestrieren“.

Noch konkreter wurde Dr. Rudolf Felix, CEO von PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme GmbH. Er erklärte, wie die KPI-orientierte Optimierung von Produktionssequenzen in der Automobilproduktion funktioniert und wie man durch selbstlernende und –optimierende Prozesse auch hochkomplexe Produktgruppen mit diversen Sonderausstattungen problemlos auf einem Band produzieren kann, ohne selbst noch eingreifen zu müssen. Wichtige Vorraussetzung seien allerdings valide gelabelte Daten und je hochwertiger die seien, desto besser. Denn: Ein neuronales Netz, mit dem man hier agiert, braucht Bilder. Zumal eine Pkw-Fertigung von 2000 Autos pro Tag in Sachen Sequenzierung respektive Komplexität gut 50 mal komplexer ist als ein Schachspiel – und sich täglich ändern könne. Denn während selbst bei einem Komplexen Brettspiel am Ende immer die gleichen Züge zum Sieg führen würden, hätte man in der Produktion täglich neue Ausgangssituationen. Die künstliche Intelligenz müsse nun alle Zielkonflikte berechnen und eben gelabelte Datensätze erstellen. Wichtig sei am Anfang allerdings eine tiefe Kenntnis der Prozesse, um darauf en autonomen Prozess der Sequenzierung aufsetzen zu können – womit Felix aus Erfahrung weiß: Ohne gelabelte Daten tut man sich schwer mit der Etablierung autonomer Prozesssequenzierung.

Den Abschluss des 21. Technischen Kongresses bildete einmal mehr ein „buntes“, aber umso hochwertigeres Panel aus Industrie und Politik: Prof. Dr. Peter Gutzmer, Technischer Vorstand von Schaeffler, der diesmal für den großen Ausblick in die Zukunft zuständig war und dafür große Bilder aufzeichnete und ausdrücklich darum bat, die aktuellen Veränderungen als Chance und nicht als Bedrohung zu sehen. Zumal die Sonne binnen drei Stunden die Energiemenge auf die Erde brächte, die die Menschheit dort in einem ganzen Jahr benötige. Entsprechend forderte Gutzmer: „Also, alle Techniker ran!“ – um sich diese Energie zu Nutze zu machen. Außerdem prophezeite er, das man künftig komplette Kreisläufe schaffen müsse, „so wie es die Natur vorgibt.“

Aber auch zu einem konkreten Antriebsmix für 2030 kann er eine Aussage treffen: 30-40-30 erklärt Gutzmer und meint damit die Aufteilung zwischen Batterieelektriker, Hybride (inklusive PHEV) und 48-Volt-mildhybridisierten Modellen. Reine Verbrenner gäbe es dann keine mehr, wobei sich das Szenario weltweit durchaus unterschiedlich entwickeln könne.

Ihm folgte Guido Beermann, Staatssekretär für Verkehr und digitale Infrastruktur, der nochmal zum Stand der Dinge bei Mobilität und Digitalisierung Stellung nahm und bekräftigte, dass die Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur nochmals erhöht worden seien und die Mauteinnahmen zweckgebunden für den Straßenbau verwendet würden: „Straße finanziert Straße.“, so seine Ansage. Auch die Themen leichte Elektrofahrzeuge (Scooter und Hoverboards) sowie die Versteigerung der 5G-Lizenzen seien aufs Gleis gebracht – und ja, die Pläne zum Klimaschutz und zur Reduzierung der Treibhausgase seinen ehrgeizig.

Die letzte Präsentation kam von Hagen Heubach, dem Director Industry Business Unit Automotive bei SAP.  Wo das Thema Dekarbonisierung im eigenen (riesigen) Fuhrpark aufschlug, was SAP zu einem intraindustriellen Ansatz brachte. Zumal die Flotte von rund 20.000 Fahrzeugen bis 2020 rund 5000 batterieelektrische Modelle umfassen sollte, deren Lademanagement gesteuert werden muss. Wofür man eine eigene Softwareplattform nutzen und aufsetzen konnte. Ein weiteres Projekt sei „Cargo Sous Terrain“, also die große Untertunnelung der Schweiz, in der Güter eines Tages von Bern nach Zürich komplett autonom und unterirdisch verschickt werden sollen – auch hier galt es, eine SAP-Plattform aufzusetzen und für Skalierbarkeit zu sorgen. Und mit der Forderung nach einem „offenen Ökosystem“ schlug er den Bogen zu zahlreichen Vorrednern – denn ohne interdisziplinäre Offenheit oder eben den intraindustriellen Ansatz dürfte die Zukunft für ein Unternehmen allein kaum zu bewältigen sein!

Was bedeutet das?

Der Umbruch der Industrie ist in vollem Gange und für ein Unternehmen allein kaum zu stemmen. Diese neue Offenheit und der Wunsch nach offenen Daten und Plattformen verband alle Teilnehmer des 21. Technischen Kongresses des VDA. Und für 2020 wurden bereits erste Ergebnisse aus den Ankündigungen 2019 in Aussicht gestellt. Am 25. Und 26.2.2020 wissen wir mehr! 

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