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Vorstellung Lotus Eletre: Lotus jetzt ganz anders

Gregor Soller

Ein über fünf Meter langes, zwei Tonnen schweres Elektro-SUV soll jetzt auch Lotus Stückzahlen bringen – und widerspricht damit jeglichen Markenwerten? Wir haben uns auf die Suche gemacht, wo diese noch zu finden sind.

Eletre also – klingt nach elektrisch, fängt wie mittlerweile (fast) alle Lotus-Namen mit E an und hört mit E auf und heißt laut Lotus auf Ungarisch "zu neuem Leben erwachen". Was die Marke mit diesem Auto plant – hier wurde also die Tradition schon mal gewahrt. Weniger beim Package, das auf der Geely Electric Premium Architecture (EPA) steht. Weshalb er Eletre auch in China gebaut wird. Optisch ist der Eletre vor allem von der Seitenansicht etwas beliebig und könnte auch von Lamborghini oder einem China-Start-up stammen, zumal die Maße gar nicht Lotus sind: 5,10 Meter lang, mit Spiegeln 2,23 Meter breit und 1,63 Meter hoch – das ist ganz klar ein Oberklasse SUV gegen Urus und Co. geplant.

Typisch Lotus: Die Fahrwerte 

Das gilt auch für den Antrieb: Der Eletre kommt nur als Allradler mit zwei E-Maschinen, die gemeinsam über 441 kW (600 PS) leisten sollen. Damit soll es in unter drei Sekunden von null auf 100 km/h gehen auf bis zu 260 km/h Topspeed. Auch die fahrwerte sind also „traditionell“ Lotus, allerdings von einer Schwere und Saturiertheit, wie man sie eher von Bentley und Co. kennen dürfte. Der Akku bietet über 100 kWh für eine WLTP-Reichweite von bis zu 600 Kilometern- real dürften erfahrungsgemäß eher 450 plus minus x sein. Stark ist das nachladen mit bis zu 350 kW. So soll der Hub von 10 auf 80 Prozent binnen 18 Minuten erledigt sein, 800-Volt-Technik sei Dank! Und an der Wallbox zieht der Eletre mit 22 kW, heißt – er ist in sechs Stunden wieder ganz voll. Gut – auch hier folgt Lotus seiner Tradition, teils starke Ansätze zu bieten.

Gestaltet und konstruiert wurde der Eletre in Europa: Das Design stammt von der Designabteilung in Coventry gestaltet, die Technik aus Göteborg (Volvo ist auch Geely-Tochter) und Deutschland – denn das Lotus Technology Innovation Center sitzt in Raunheim bei Frankfurt. Sowohl die EPA-Plattform als auch die Karosserie kommen in Aluminium, wobei die Karosserie auch Carbon nutzt, um das Gewicht zu drücken. Trotzdem wurde der Eletra der schwerste Lotus ever mit rund zwei Tonnen Leergewicht. Dramatisch für einen Lotus, leicht für ein SUV dieser Statur – immerhin blieb sich die Marke auch hier treu und dürfte (vorerst) das leichteste Groß-SUV bauen.

Lotus-untypisch die Luftfederung mit aktiver Dämpferkontrolle. Das Fahrwerk verfeinern über die Bremsen geregeltes Torque Vectoring und eine Hinterachslenkung, Letztere wohl optional. Das Alles kann man über die vier Fahrmodi Range, Tour, Sport und Offroad einstellen – kennt man von anderen Stromern zuhauf. Riesig: Die Räder, die mit 22 Zoll fast das Lkw-Format von 22,5 Zoll bieten, während dieses die optionalen 23-Zöller überbieten. Optional verzögern Carbon-Keramik-Bremsen mit Zehnkolben-Sätteln an der Vorderachse.

Bei den Assistenzsystemen ist der Eletre üppig bestückt, dazu kommen aber vier ausklappbare Lidars, die den Eletre ab Marktstart autonom nach Level 2+ fahren lassen, aber die Möglichkeit für Level 4 bieten: damit führe der Eletre allein, der fahrer müsste ihn nur noch „überwachen“ und ganz zur Not eingreifen. Ein Lidar sitzt an der vorderen Dachkante, zwei weitere an den Seiten über den vorderen Radhäusern und der vierte an der Heck-Dachkante. Deshalb „fehlt“ hier beim Dachspoiler auch ein Segment.

Typisch Lotus: Ausgefeilte Aerodynamik

Womit wir gleich bei der Aerodynamik sind, die ausgetüftelt ist, auch, um Strom zu sparen. Es gibt einen einen automatisch verstellbaren Heckspoiler, dazu kommt eine „aktiv“ einstellbare Wabenfront: Die einzelnen Segmente dieser Waben öffnen sich automatisch, wenn der Elette mehr Kühlluft braucht. Air Curtains vor den Rädern minimieren die in den Radhäusern auftretenden Verwirbelungen – auch das kennt man bereits von anderen Modellen. Aber Lotus leitet die Luft hier wie bei den Supersportlern auch durch die Türen. So schafft man gleich Air Curtains für die Hinterräder. Die C-Säulen werden ebenfalls durchströmt, um den Luftstrom so lange wie möglich am Fahrzeug halten, was die Aerodynamik weiter optimiert. Auch hier blieb sich Lotus dann doch treu.

Typisch Lotus: reduzierte Instrumente

Innen nennt Lotus 400 Liter Kofferraumvolumen hinten plus 77 Liter für den Frunk, den die Briten gern als „Boot“ bezeichnen. Praktische Aspekte sind eher neu für Lotus. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass die leuchten vorn und hinten optional den Ladestand der Batterie mithilfe eines grünen Lichtbalkens anzeigen können. Gute Idee. Bei den Instrumenten reduziert Lotus dagegen alles auf das aus das Nötigste. Weshalb sich die Briten hier auf zwei nur drei Zentimeter flache Bildschirmstreifen vor Fahrer und Beifahrer beschränken, das als „Technologieband“ bezeichnet wird. Dazu gibt es ein Head-Up-Display. Auch hier wird also die minimalistische Tradition gewahrt.

Nicht aber bei der Mittelkonsole mit dem großen 15,1 Zoll Infotainment-Display, das sich nach schräg vorn klappen lässt. Optional sind die Kamera-Außenspiegel – deren Bild in den Türen angebrachte Screens zeigen, die so nah wie möglich an Fenster-Unterkante positioniert wurden. Hier hat man von Audi gelernt. Gesetzt sind erwartungsgemäß 5G und Software-Updates over the air.

Typisch Lotus: Gewicht gespart, wo es geht

Die Sitze bestehen in Europa immer aus Recyclingmaterial und Wollstoffen – entwickelt vom dänischen Spezialisten Kvadrat, der auch die hochwertigen Wollstoffe für Jaguar-Land Rover herstellt. Der Lederverzicht spart auch hier Gewicht: Die Materialien sollen nur halb so schwer wie Leder sein. Auf sichtbaren Kunststoff verzichtet man und entschied sich für eine hochwertige Vollverkleidung und die Carbon-Zierelemente innen sollen aus dem Verschnitt der Carbon-Außenteile entstehen.

 
Flache Front mit ausgefeilter Aerodynamik. | Foto: Lotus
Flache Front mit ausgefeilter Aerodynamik. | Foto: Lotus
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Die Produktion soll noch 2022 starten, die ersten Auslieferungen sind für Anfang 2023 geplant. Die Preise starten aktuell bei überschaubaren 100.000 Pfund – das aktuell gut 118.500 Euro brutto, also knapp 99.600 Euro netto.

Was bedeutet das?

Anfänglich sahen wir den Eletre sehr skeptisch – doch im Detail müssen wir sagen: Er könnte zu den sparsamsten und durchdachtesten Elektro-SUV am Markt gehören, die bei Gewicht und Preis (relativ gesehen) Maß halten! Und so doch ziemlich „lotus“ ist – im Rahmen der Möglichkeiten. Denn auch die Briten müssen mehr Autos verkaufen, wenn sie überleben wollen. 2021 waren es 1.600 Einheiten – das ist Klein(st)serie. Ob Lotus bis 2028 die proklamierten 100.000 daraus machen kann, bleibt fraglich – den dafür braucht es mehr als puristische hardcore-Sportwagen und Riesen-SUV. Aber immerhin: Dieses haben sie so leicht und „lotusig“ wie möglich gemacht. Wenn die neuen Lotus jetzt noch effizient und praktisch sind, könnte die Rechnung aufgehen.

 

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