VM-Visite Nio-Hub München: Digital und analog zum blauen Himmel stromern
Die hochambitionierte Start-up- und High-End-Marke aus China lässt trotz mauer Verkaufszahlen nicht locker: Gerade in Deutschland hält man neben der digitalen auch eine analoge Ansprache der Kunden für wichtig. Etwa in den Nio-Hubs, in denen man auch Reparaturen durchführen lassen oder Probefahrten machen kann oder in den kleiner dimensionierten Nio Houses, die sich mehr an urbane Kundschaft richten.
In jedem Fall sollen die Standorte der Kundenbindung dienen. Soweit wie in China, wo sich dem Vernehmen nach junge Kunden nach einem Nio sehnen wie einst nach einem Mercedes und es eine eingeschworene "Fanbase" ähnlich wie bei Tesla gibt, ist es in Deutschland freilich noch nicht. Apropos: Die Marke sehen die Verantwortlichen qualitativ auf Augenhöhe mit den Premium-Labels, und kostenseitig ausstattungsbereinigt dank All-Inclusice-Strategie deutlich im Vorteil, wie General Manager David Sultzer betont.
Den Hub in München übernahm man kurzerhand von Ferrari, wobei man mit den Elektro-Boliden trotz Premium-Anspruch so exklusiv dann auch nicht sein will. Im Gegenteil: Perspektivisch könnten auch die neuen Budget-Marken Onvo oder Firefly in die großzügige Verkaufshalle einziehen, was aber noch bis 2026 dauern könnte. Einstweilen wollen Sultzer und sein Team mit dem ansehnlichen und rasant entwickelten Line-up an sechs Modellen (ET7, ET5, EL8, EL7, EL6 und ET5 Touring) der mit zehn Jahren immer noch sehr jungen Marke von William Li auch bei den elektroskeptischen deutschen Kunden punkten. Sultzer glaubt, dass deren Reichweitenangst völlig unbegründet ist und verweist auf die Tatsache, dass der Durchschnittfahrer täglich maximal 50 Kilometer mit dem Pkw unterwegs ist.
Alleinstellung Batterietausch
Zudem will die Marke mit dem Europa-Alleinstellung der Battery Swap Stations mit der Option des schnellen Akkutauschs punkten, von dem die Mitarbeitenden und Sultzer selbst schwärmen. So schnell, binnen weniger Minuten, geht der Tausch an den Stationen vonstatten, dass wie Nio Lead Product Experience Manager Marius Keil aus eigener Urlaubserfahrung berichtet, man eigens einen "normalen" Schnellladestop eingeplant habe, um mal Mittagessen gehen zu können. Mittlerweile spannt sich das Netz in Europa auf 59 Akkutausch-Basen, in Deutschland ein Dutzend. Sodass sich General Manager Sultzer, selbst im Jahr 36.000 Kilometer elektrisch auf Achse, fast ausschließlich an den Swap Stations entlang durch Deutschland hangelt, wie er erzählt.

1 / 10
Reichweitenangst ist völlig unbegründet
Reichweitenangst? Das kann Sultzer nicht verstehen und hält das Thema auch in Anbetracht der rasant wachsenden HPC-Ladeinfrastruktur für völlig überbewertet und populistisch dramatisiert. Selbst im Winter schafft er mit den Nio-Modellen Distanzen wie München-Frankfurt ohne Stopp, je nach Fahrstil, versteht sich. Die Hardware ist also aus seiner Sicht kein Problem. Und die Software in den mit leistungsfähigen Rechnern und Sensorik gespickten Nio-Stromern soll sich sowieso permanent aktualisieren, per Luftschnittstelle oder "Update over the Air".
Apropos Schnittstelle: Hier will man durch die Öffnung der API nun auch die Dienste externer Anbieter ins "Ökosystem" integrieren. Pilotkunden ist etwa Tronity, eine für Flottenkunden relevante App, die Zugriff auf die Fahrzeugdaten, Batteriekennzahlen, Nachverfolgung der Ladekosten oder auch Flottentools wie ein digitales Fahrtenbuch - steuerkonform, sie Sultzer stolz anmerkt - nahtlos ermöglichen soll. Mit dem zweiten Pilotkunden Enode will man die Integration ins Smart-Home-System mit Energieanbietern darstellen.
Digital gestützter Pannenservice
Digital gestützt ist schließlich auch der Fahrzeugservice: Im Pannenfall, wenn etwa wie bei Sultzer selbst ein Reifen defekt ist, genügt ein Click in der Nio-App und man wird mit der Servicehotline verbunden. Woraufhin ein mobiler Service aktiviert wird, der dem Vernehmen nach keine drei Stunden später mit einem Ersatzreifen vor Ort aufkreuzte und Sultzer aus der Bredouille half. Aber auch der klassische Werkstattservice ist über die Nio-Hubs möglich, selbstredend mit digital vereinbartem Termin. Wobei die Werkstatt schon vorher per Zugriff auf die Fahrzeugdaten checken kann, was dem Stromer fehlt. In diesen Kontext fällt übrigens auch die eine weitere externe Kooperation im Nio-Netz: Mit Vergölst und repareo als Reifenservicepartner- und Buchungstool.
"Nahtlos" ist überhaupt so ein Wort, das man im Vokabular der Nio-Leute häufig hört, neben "Ökosystem", "Premium" und dem Firmenmotto "Blue Sky Coming". Wobei damit nicht gemeint ist, das "Blaue vom Himmel" zu versprechen, sondern eine emissionsfreie und effiziente, digital gestützte Auto-Mobilität. Das mit dem blauen Himmel hat sicher auch seinen Bezug auf die bisher "smoggeplagten" China-Metropolen, in denen mit der staatlich verordneten Elektrifizierung aber rasant sauberere Luft Einzug hält, ganz abgesehen vom deutlich gesenkten Geräuschniveau.
Ein Erfolg von VW in der E-Mobilität wäre auch für Nio wichtig
Und so mahnt auch Sultzer, der früher selbst bei VW gearbeitet hat, dass Deutschland und Europa nicht den Anschluss verpassen sollte an den unzweifelhaften Leitmarkt der E-Mobilität China. Er sieht die Krise seines Ex-Arbeitgebers als tragisch, wenngleich durch träges Agieren und Festhalten am Verbrenner hausgemacht an, aber auch als Chance und ist sicher, dass die Wolfsburger den elektrischen Turnaround schaffen.
Was wiederum für die ganze Elektro-Wende ein Segen wäre: Denn speziell in Deutschland hat der VW-Konzern eben noch immer "Türöffner"-Status für neue Technologien. Und davon würde dann auch Nio als E-Auto-Hersteller profitieren, ist Sultzer sicher. So lange wird die Marke in jedem Fall durchhalten, ist Sultzer sicher. Und verweist auf die langfristig angelegte Strategie des Firmengründers William Li. Das soll dafür sorgen, dass nach der absehbaren Marktbereinigung unter 120 E-Auto-Herstellern in China die Marke mit dem "Blauen Himmel" am Ende übrig bleibt.
Weitere Galerien
Elektromobilität , Newsletter Elektromobilität , IAA Mobility , SUVs und Geländewagen , Hybrid , Antriebsarten, Kraftstoffe und Emissionen , Oberklasse- und Sportwagen , Carsharing , Autonomes Fahren (Straßenverkehr) , Ladeinfrastruktur , Verkehrspolitik , Formel E , Brennstoffzellen , Fahrzeug-Vernetzung und -Kommunikation , Fahrzeuge & Fuhrpark , Automotive-Messen & Veranstaltungen , Pkw, Kompakt- und Mittelklasse , Minis und Kleinwagen , E-Auto-Datenbank, E-Mobilität-/Automotive-Newsletter, E-Auto-Tests