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Schaeffler-Kolloquium: Ganz große Ansage

Gregor Soller

Was 1978 mit 40 Personen beim Kupplungshersteller LUK als "Kolloquium" begann, wuchs zu einem spannenden Infoaustausch von 800 Profis samt Standortbestimmung Schaefflers heran.

In seiner Auftaktrede erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Georg Schaeffler, dass die Veränderung in der Branche massiv Fahrt aufgenommen hätte und dass man darauf vorbereitet sei: Wie so viele andere Hersteller auch hat man Strategiefelder ausgemacht, hier deren vier: Sie beschäftigen sich mit den Themen umweltfreundliche Antriebe, urbane Mobilität, interurbane Mobilität und der Energiekette, womit man ganzheitlich denkt. Das sei laut Entwicklungsvorstand Prof. Dr. Peter Gutzmer, seines Zeichens auch „Konzernvisionär“ auch dringend nötig, denn mittlerweile muss der Ex-Porsche-Entwickler eingestehen: „Die autogerechte Stadt wird es nicht geben, die kann es gar nicht geben.“ Mittlerweile stauen sich die Autos in den Metropolen mit zwei bis drei km/h durch die Stadt und auch mehrere Straßenebenen können dieses Problem nicht lösen: Es sind einfach zu viele Fahrzeuge unterwegs. Und zu allem Überfluss nehmen wir diese Form von Megastaus und Megacities in Deutschland allenfalls in abgemilderter Form mit.

Zumal die Autos in ihrer aktuellen Form viel zu wenig bewegt würden und die meiste Zeit ungenutzt Verkehrsraum beanspruchten, in dem sie irgendwo abgestellt werden. Außerdem ändere sich das Mobilitätsverhalten: Junge Menschen wollen mobil sein, ohne einen Invest zu tätigen: „Wir nutzen unsere Autos vielleicht zehn Prozent des Tages und bezahlen dafür in Summe ein Heidengeld – das muss nicht sein“, findet Gutzmer und leitet damit zum Sharing-Modell über, das aktuell eben bestehende Autos aus dem Bestand nutze, die für das umfangreiche Thema „Shared“ aber gar nicht geeignet seien. Und in manchen Städten ändert sich das Mobilitätsverhalten bereits: „Dort besitzen die Menschen Mobilitätsrechte, aber nicht mehr die Mobilitätsgeräte“, bringt es Gutzmer auf den Punkt.

Deshalb entwickelt er mit Schaeffler komplett neue Mobilitätskonzepte, die helfen sollen, das (Im-)Mobilitätsdilemma zu lösen: Auftritt Bio-Hybrid und „Mover“: Bei ersterem handelt es sich um eine Art E-Bike, aber zweispurig und wettergeschützt, dessen Serienfertigung beschlossene Sache ist. Dazu wird das ganze Projekt gerade in eine GmbH ausgelagert, die der einstige Govecs-Mitbegründer Gerald Vollnhals unter seine Fittiche nimmt, der schon viele Unternehmen erfolgreich auf die Beine gestellt hat. Hier geht Schaeffler den umgekehrten Weg wie Bosch und gliedert eine fertige Idee zur Industrialisierung aus, während Bosch das einstige Startup der Elektromotoren für Zweiräder mit steigender Industrialisierung ins Unternehmen einband. Vollnhals, Schaeffler CEO-Rosenfeld und Gutzmer kamen jedoch überein, dass ein flexibel agierendes Startup hier die bessere Lösung sei als eine weitere Tochter im großen Schaeffler-Imperium. Bis 2019 möchte man den Bio-Hybrid dann auf der Straße haben und vorsichtig zum Serienprodukt ausbauen. Zu einer exakten  Stückzahlprognose  lässt sich Vollnhals nicht hinreißen, zumal man für die People- und Cargo-Version verschiedene Zielgruppen habe. Doch die Cargoversion für Flotten sei wichtig, um sichtbare Stückzahlen auf die Straße zu bekommen und auch Privatleute für den Biohybrid zu interessieren. Deshalb stellte man dem Bio-Hybrid den Bio-Hybrid Cargo zur Seite, der sich zum Beispiel auch zum Liefern von Pizza eigne, wie Gutzmer anmerkt: „Mein Lieblingsthema ist Pizza, aber es gibt natürlich mehr als Pizza, zum Beispiel Post oder Pharmazie.“

 
Die Kunst szteckt im Detail. Das gilt auch für die Radnabenmotoren des "Mover". | Foto: G. Soller
Die Kunst szteckt im Detail. Das gilt auch für die Radnabenmotoren des "Mover". | Foto: G. Soller
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Auch die Radnabenmotoren sind ein Lieblingsthema von Gutzmer, verbaut im elektrisch betriebenen „Mover“, der bis 2022 in Serie gehen könnte und sicher zu den konsequentesten Umsetzungen des Themas autonom Mover gehört, samt Radnabenmotoren, die es laut Gutzmer um 1900 ebenso schon gab wie Elektromobilität: Die Geschichte wiederhole sich und man könne aus ihr lernen. Dazu gehören zum Beispiel auch die römischen Wagenrennen in der Stadt, heute als Formel E unterwegs. Und aus fahrdynamischem Interesse koppelte man probehalber einmal vier Formel E-Motoren und packte sie in eine Audi-A3-Karosserie – fertig war ein Rennwagen, den man in erster Linie für Versuche mit dem Vectoring der Räder baute: 10.000 Newtonmeter können an jedem Rad zerren und nach alter Währung 1200 PS schießen die Allradrakete binnen zwei Sekunden auf 100 km/h, nach 6,5 Sekunden soll die 200-km/h-Marke fallen. Womit der Aufsichtsratsvorsitzende Georg Schaeffler recht behalten sollte: Die Veränderung in der Branche hat tatsächlich massiv an Fahrt aufgenommen!

Was bedeutet das?

Auch Schaeffler muss Neues tun, ohne das Alte aufzugeben. Und hier lehnt man sich gerade mit komplett neuen, aber durchdachten Mobilitätskonzepten sehr weit aus dem Fenster. Doch das Ganze hat Hand und Fuß und könnte durchaus zu einem weiteren interessanten mobilen Standbein der Gruppe werden.

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