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Nio ET7: Angriff im Premium-Segment

Gregor Soller

Audi e-tron GT und Mercedes-Benz EQS müssen sich warm anziehen: Mit 653 PS und 805 Nm stellt Nio seine 5,10-Meter-Fließhecklimo ET7 genau zwischen beide

Eingeweihte lesen Präzision an Nummernschildern: Porsche verkündet mit S-GO, dass immer was (schnell) geht, Cupra mit DA-RE, dass man was wagt und BMW mit M-IA, dass man wie der FC Bayern eh in einer eigenen Liga im Münchner Himmel spielt. Und so wenig der Nürnberger Markus Söder die Landeshauptstadt mag so wenig schert sich Nio, eben dort ein Zeichen zu setzen: Alle ET7 tragen das Nummernschild N-IO. Klare Ansage – wir sind bereit!

Extreme Werte um überall ganz vorn mitzufahren

Mit einem extrem niedrigen cW-Wert von 0,208, zwei extrem starken, selbst entwickelten und produzierten E-Maschinen, die 480 kW (653 PS) Gesamtleistung und 850 Nm Drehmoment bieten. Was genügt, um im Sport-Modus binnen 3,8 Sekunden auf 100 km/h zu springen – abgeregelt wird bei 200 km/h. Innen gibt es extrem viel Platz (3,06 Meter Radstand) – aber man sparte sich leider eine große Kofferraumklappe.

Steigen wir ein: Die Materialien fühlen sich alle wertig an inklusive der Einleger aus dem „Nichtholzwerkstoff Karuun“ - das ist Rattan und besteht damit aus schnell nachwachsendem und nachhaltigen Naturstoff. Die Sitze sind groß und komfortabel, Massage, Beduftung - alles an Bord. Viel allerdings am Zentralscreen. Die Klimatisierung ist über Schnelleinstig ebenfalls im Screen und lässt sich per Fingerwisch – nun ja – mehr diffus als konkret einstellen. Zumal Nio die Ausströmer hier elegant verdeckt hat, was optisch Ruhe ins Interieur bringt. Das 12,8-Zoll-Center-Display ist zeigt gestochen scharf an, dank hohem Kontrastverhältnis von 100.000:1 soll Bilder immersiver machen, während eine hohe Auflösungsrate von 1.728x1.888 und der WSG NTSC-Farbraum reichere Farben und feinere Details wiedergeben.

Nio-typisch: Nomi. Sie unterstützt – und kann nerven

Nio-typisch ist Nomi das kommunikative Gesicht über der Mittelkonsole, die den Fahrer unterstützt aber auch (zu oft) belehrt. Optional gäbe es künftig auch einen Nio Pod: Das ist dann einfach eine hinterleuchtete Fläche, die blau schimmert, wenn sie spricht, weiß, wenn sie ruht (Nomi spielt dann Jojo oder isst ein Apfel oder oder…) und orange wenn sie lauscht. Dafür Nomi wirklich viel, auch Abstraktes: „Mir ist kalt“ sorgt für eine Erhöhung der Temperatur, aber sie kann auch Fenster schließen oder öffnen. Nomi hört und sieht auch immer, was der Fahrer tut. Und stellt diese Daten angeblich maximal bis zum Server in Berlin durch, der die Nio-Cloud für die EU-Modelle hostet. Das Luftfeder-Fahrwerk kommt übrigens von ZF und wurde in Oxford programmiert (die Briten gelten als fahrbahnaffinste Europäer), das Design stammt aus München und die Nvidia-Chips samt der Software programmiert Nio großenteils in den USA, womit man im ET7 das Beste aus aller Welt zusammentragen will.

Dazu gehört auch das „immersive Soundsystem Dolby Atmos“, das mit 20-Kanal-Verstärker und üppigen 1.000 Watt Ausgangsleistung über 23 (!) Speaker auch im Dach tatsächlich einen extrem guten und klaren Rundumklang schafft. Mit einer AI-Brille, die Nio mit Nreal entwickelte –(die in den USB-C-Port eingesteckt wird)  können Fahrgäste sich so auch ein Surround-Kino in den ET7 holen, was wir intelligenter finden als die Mega-Fond-Screen im BMW i7.

Die Datenmenge von Herr der Ringe in 4k - im ET7 in einer Sekunde verrechnet

Richtig groß aufgefahren hat man auch mit den vier Nvidia-Orin-Chips. Sie schaffen pro Sekunde 1.016 Tensor-Operationen (TOPS). Die Orin-Chips sind das Herzstück des neuen Bordrechners, den Nio Adam getauft hat. Um die Rechenleistung greifbarer zu machen, vergleichen sie die Nio-Entwickler mit 100-PS-5-Playstations respektive der Datenmenge, die Herr der Ringe in 4k erzeugt. Diese wird beim ET7 binnen einer Sekunde verarbeitet…daran hängt auch das sogenannte „Aquila Super Sensing“-System, das 33 leistungsstarke Sensoreinheiten bietet. Darunter ein hochauflösendes LiDAR mit ultralanger Reichweite, elf hochauflösende 8MP-Kameras, ein verbessertes Fahrerüberwachungssystem, 5-Millimeterwellen-Radare, zwölf Ultraschallsensoren, redundante hochpräzise Lokalisierungseinheiten und HOD.

Jetzt ziehen wir endlich die Nio-typische Fahrwalze nach hinten und rollen los. Es gibt diverse Fahrprogramme: Eco, wo auch die Rekuperation erhöht wird, „Comfort“, Sport, Sport + und Individual. Im Alltag lohnt sich tatsächlich ab und an ein Wechsel: Auf schlechten Straßen ist Sport eine Idee zu straff, während man in es in schnellen Kurven schätzt, zumal auch die Lenkung direkter wird. Aber alles in Maßen: Grundsätzlich bleibt der ET7, dessen Fahrwerk und Lenkung für Europa in Oxford grundsätzlich nachgestrafft wurde, auf der gutmütigen Seite, wie wir auch auf dem Racetrack in Groß Dölln spüren: ESP kann man nicht abschalten und wenn man den RT7 viel zu schnell in schnelle Wechselkurven prügelt, schiebt er über die Vorderräder – realisiert aber sonst Kurvengeschwindigkeiten, die man im Alltag ohnehin kaum erreichen kann. Das ESP regelt fein.

Die Stopper greifen bei Bedarf fest zu – Nio kolportiert unter 34 Meter Bremsweg aus 100 km/h. Nicht verleugnen lässt sich allerdings das Gewicht von gut 2,4 Tonnen, dass den ET7 auf engen Kursen etwas nun ja – schwer wirken lässt. Weshalb er eher den zügigen Gleiter für lange Etappen gibt: Trotz zwischenzeitlichem Ausnutzen der 200 km/h Topspeed und freudigem, klimatisiertem Fahren, brauchten wir auf den ersten gut 200 Kilometern nur rund 18 kWh/100 km netto, was für diese Fahrzeugklasse als sehr sparsam gelten darf. Schade, dass das DC-Laden nur mit bis zu 130 kW klappt, AC sind 11 kW möglich. Oder ein Akkutausch, der im Idealfall binnen 5 Minuten 29 Sekunden erledigt ist. Den Akku plant Nio ohnehin als Subscriptions-Modell anzubieten um ihn so vom Auto zu entkoppeln.

 
Mit der Akkuwechselstation macht Nio ernst: Sie kommt auch in Deutschland. In 5:29 Minuten hat man einen neuen Akku. | Foto: Nio
Mit der Akkuwechselstation macht Nio ernst: Sie kommt auch in Deutschland. In 5:29 Minuten hat man einen neuen Akku. | Foto: Nio
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Was einen Vorteil beim Gebrauchtwagen hat – denn er ist nur mit zehn Schrauben am Fahrzeug befestigt und lässt sich entsprechend leicht tauschen. Und da Nio künftig eine Version mit 150 kW und Anfang semi-Feststoff plant, könnte man seinen dann Gebrauchten ET7 akkutechnisch wieder auf den neuesten Stand heben. Womit wir bei Kosten und Preisen sind: Der ET 7 kostet mit 100-kWh-Akku, der für echte 400 km Reichweite gut ist, netto 58.739,50 Euro (brutto 69.900 Euro) – nicht zu viel für viele neue Ideen in der Luxusklasse, was auch für die Subscriptions-Raten gilt, die netto aktuell für die Basis bei ziemlich genau 1.000 Euro starten.

Was bedeutet das?

Der Ansatz von Nio-Gründer William Li war, für seine Marke das Beste aus aller Welt zu vereinen. Mit dem ET7 ist der diesem Ziel sehr nahe gekommen – seine Perfektion reichte am Ende bis zur Zulassungsstelle in Nürnberg!

 

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