IAA 2021: Mini Strip - Paul Smith strippt den Cooper SE

Gregor Soller

Der Mini Strip entstand mit Paul Smith als Einzelstück – dafür entkernte der Designer und Fahrradliebhaber den Cooper SE komplett und richtete ihn minimalistisch neu ein.

Endlich wieder Minimalismus beim Mini! Der „Strip“ soll laut Pressetext einen „innovativen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit im Automobilbau in den Fokus“ stellen. Dabei hat man das Leitmotiv „Simplicity, Transparency, Sustainability“ auserkoren, um eine nachhaltigere Herangehensweise im Automobildesign vorzustellen. Dafür wurde ein dreitüriger Mini Cooper SE bis auf den Rohbau hinunter komplett „entkernt“. Anschließend wurde nur das wider hineingepackt, was Designer Paul Smith als absolut notwendig erachtete – wobei die Nachhaltigkeit im Vordergrund stand. Oliver Heilmer, Leiter Mini Design, freut sich:

„Paul hat direkt zu Beginn des Designprozesses durch seine automobilfremde und damit frische Sichtweise, essentielle Fragen gestellt. Wir sind stolz, gemeinsam ein so charakterstarkes Statement entwickelt zu haben.“

Paul Smith hinterfragte und reduzierte:

„Ich glaube, dass wir gemeinsam etwas ganz Besonderes geschaffen haben, indem wir uns auf das Wesentliche besonnen, die Dinge reduziert und das Auto entschlackt haben.”

Smith verzichtete sogar auf die Lackierung

Und Smith ließ viel weg, außen wie innen: So wurde auf eine farbige Lackierung verzichtet und die Karosserie in ihrem Rohzustand belassen. Lediglich ein dünner, transparenter Lackfilm schützt diese vor Korrosion. Die verzinkten Stahl-Bleche zeigen bewusst Schleifspuren aus dem Werk und weisen so das Fahrzeug explizit als Gebrauchsgegenstand und robusten Alltagsbegleiter aus. Diesen bewusst roh wirkenden Oberflächeneffekt nannte Paul Smith auch „the perfect imperfection“.

Selbst Schrauben? Könnte künftig wieer ausdrücklich erwünscht sein!

Teile des Mini typischen Blackbands sind aus recyceltem Kunststoff 3D gedruckt und ebenso wie die Bleche in ihrer rohen Materialität belassen. Inspiriert vom Fahrradliebhaber Smith, der gerne auch mal selbst Hand anlegt und einzelne Teile seiner Rennräder selbst tauscht oder modifiziert, zeigen sichtbare Schrauben in den Anbauteilen, wie einfach sich eine Demontage gestaltet und wie unkompliziert sich das Fahrzeug nach seinem Lebenszyklus wieder in den Rohstoffkreislauf integrieren lassen würde. Ebenso funktional wie eigenständig präsentieren sich die ebenfalls 3D gedruckten Front- und Heckschürzeneinleger mit auffälliger Textur, die durch den 3D Druck entsteht. Grillverkleidung und Aero-Blenden an den Rädern sind aus recyceltem Plexiglas gefertigt. Das spart Gewicht und Ressourcen. Ebenfalls aus recyceltem Plexiglas ist das große Panoramadach, das den Blick auf den auf die weitgehend unverkleidete Rohstruktur im Innenraum freigibt.

Innen tobte sich Smith ebenfalls aus: Dort sieht man die typischenPaul Smith Stripes - ein Muster aus schmalen, bunten Linien bzw. Streifen in fünf Farben. Auch die Ladeklappe setzt in geöffnetem Zustand einen neon-grünen Farb-Akzent. Die eingeprägte Zeichnung des Steckers auf der Ladeklappe hat Paul Smith selbst erstellt. Ansonsten räumte Smith den Mini weitgehend leer: Bis auf Dashboard, Topperpad und die Hutablage wurden alle Verkleidungsteile weggelassen, so dass nun die Rohkarosse den Innenraum visuell dominiert. Dafür lackierte man den „Strip“ auf Wunsch von Smith innen blau.So wirkt er zwar reduziert aber doch ausgekleidet.

Das in der Regel vielteilige Dashboard besteht lediglich aus einem großen, halbtransparenten Bauteil in Rauchglas-Optik. Angelehnt an das bekannte MINI Design mit zirkulären Elementen wurde die Geometrie stark vereinfacht und deutlich grafischer umgesetzt. Statt eines klassischen Center Instruments dominiert das Smartphone. Es wird an die Stelle des Center Displays eingebracht, verbindet sich automatisch mit dem Fahrzeug und wird zur medialen Schaltzentrale. Die einzigen haptischen Bedienelemente im Innenraum befinden sich darunter im Center Stack: hier liegen die Toggles für Fensterheber und die Start/Stopp-Funktion.

Innovative und recycelbare Materialien

Und natürlich nutzt auch Mini recycelte und umweltfreundliche Materialien. Das Interieur ist komplett leder- und chromfrei umgesetzt. Die Sitze bezog man mit gestricktem Textil. Durch die vollständige Umsetzung als Monomaterial, könnten diese inklusive Keder komplett recycelt und im Material-Kreislauf gehalten werden. Die Fußmatten bestehen aus recyceltem Gummi. Die Terrazzo-ähnliche Musterung ist ein Nebenprodukt des Recycling- und Herstellungsprozesses. Das Topperpad der Instrumententafel, die Türbrüstungen und die Hutablage sind geometrisch ebenfalls stark reduziert und aus recyceltem Kork. Die hier verwendete Korkvariante soll sich ohne künstliche Bindemittel formen lassen und soll vollständig recycelbar sein.

Innen: Künftig Kork statt Kunststoff?

Mit seiner angenehmen Festigkeit bei gleichzeitig weicher Haptik, könnte Kork zukünftig als Ersatz für geschäumte Kunststoffe dienen. Kork kann man recyceln und bindet als nachwachsender Rohstoff während seiner „Produktion“ CO2 bindet. Ein weiterer, positiver Nebeneffekt: Als offenporige Materialien tragen Strick und Kork positiv zur Innenraum-Akustik bei.

Das Lenkrad wurde auf die nötigsten Funktionen reduziert. Der Lenkradkranz ist angelehnt an den Fahrradbau mit Lenkerband umwickelt. Drei Speichen aus Alu verbinden ihn mit dem Pralltopf, der nur mit einem Netz verdeckt Durchblick auf den Airbag gibt. Sichtbare Schrauben zeigen hier analog zum Exterieur, dass eine spätere Demontage einfach zu bewerkstelligen wäre, um das Aluminium weiterzuverwenden. Ein kleines Paul Smith Stofflabel auf der 1-Uhr-Position ist einer der Hinweise auf die Zusammenarbeit, die im Innenraum zu finden sind.

 
Designer und Fahrradliebhaber Paul Smith lehnt sich beim "Strip" weit aus dem Fenster. | Foto: Mini
Designer und Fahrradliebhaber Paul Smith lehnt sich beim "Strip" weit aus dem Fenster. | Foto: Mini
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Türzuziehgriff aus Kletterseil

Die Türspiegel sind aus dem gleichen Netz gefertigt, das auch den Airbag abdeckt. Von einem Rahmen gehalten geben sie die Sicht auf die Türkonstruktion frei. Je nach Blickwinkel variiert die Transparenz des gestrickten Netzes und lockert den Innenraum optisch weiter auf. Der Zuziehgriff an den Türbrüstungen ist aus Kletterseil gewickelt. In hellem Orange gehalten beleben sie den Innenraum ebenso belebt, wie die gleichfarbigen Gurte. Die Türöffner aus gefrästem Aluminium sitzen ebenso wie der Zuziehgriff in der Brüstung aus Kork und runden den Türbereich hochwertig ab. Wandert der Blick in den Türen weiter nach oben finden sich im Dachholm die sichtbaren Airbagkartuschen. Ebenso wie die sichtbaren Kabelwege im Innenraum stehen sie für das bewusste Inszenieren und das ästhetische Einsetzen von Funktionen, die im Fahrzeugbau in der Regel eher versteckt werden.

Was bedeutet das?

Viele Ideen aus dem Fahrradbusiness übersetzte Smith ins Auto. Und reduzierte den Mini innen so weit es ging – und führte das Modell so auch ein Stück weit zu seinem Ursprung zurück. Laut Pressetext seien „Einfachheit, Transparenz und Nachhaltigkeit als Kernthemen im Designprozess in jedem Aspekt des Fahrzeugs nachvollziehbar“. Und so gibt sich der Konzern hoffentlich auch selbst wieder einen „Impuls für einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen im Automobildesign“ – denn auch der Mini wuchs in den letzten Jahren massiv weg von seinen Ursprüngen – hin zu „just another compact car“ – zwar mit frecher Optik und knackigem Fahrverhalten, aber eben nicht hin nachhaltigem Minimalismus.