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Daimler EQ: Jetzt wird es konkret

Gregor Soller

Nach einigem Hin- und Her bezüglich der Kommunikation der Marke EQ hat sich Daimler jetzt für eine Dreigleisigkeit entschieden, auf der man in die Zukunft stromern möchte. 

Zuletzt stieg der Druck im bunten Kessel des Elektromobilen massiv: VW verkündete den 25.000-Euro-I.D. für 2019, Audi trommelt immer wieder für den e-tron und BMW zeigte per Formel e die Zukunft der Marke i und des damit verbundenen Baukastens auf.  Und Jaguar, Hyundai und Kia kamen einfach mit reichweitenstarken Stromern auf den Markt. Und Daimler? Verwirrte die Kunden mit dem Kürzel EQ, dass eigentlich die neue Elektromobilität bezeichnete, dann aber auch für Plug-in-Hybride und simple 48-Volt-Technik beim Verbrenner genutzt wurde. Zeit, hier etwas nachzusteuern - was Kommunikation und Marketing gelang.

Also: Es wird drei Arten von EQ geben, die da heißen: EQ boost, womit einfach die 48-Volt-„Minimlahybridiseirung“ der Verbrenner gemeint ist, die bis 2022 alle Modelle umfassen soll. Als Vertreter stand der CLS 350 zur Verfügung, der sich trotz 367 PS starkem Sechszylinder-Benziner + 22 PS Stromer mit 7,8 Litern Super begnügen soll, woraus in der Realität je nach Einsatz und Fahrprofil neun Liter plus minus x werden dürften – womit die Benziner weiter nur bedingt interessant bleiben für kilometerschrubbende Kollegen.

Spannender wird es bei den Plug-In-Hybriden, EQ Power genannt, die je nach Modell und Version bis zu 50 Kilometer rein elektrisch Fahren können und so lokal emissionsfrei unterwegs sind – oder den Verbrenner boosten. So rollten wir den S560e dann tatsächlich rein elektrisch nach Stuttgart hinab, wobei die Riesenlimo bergab sogar noch ein oder zwei „Kilometerle“ holt respektive rekuperiert, während sie bergauf dann reichlich 45 Kilowattstunden aus dem Akku zieht und die Reichweite schnell auf 30 Kilometer zusammenschnurrt. „Schnurren“ ist überhaupt das Wort der Teilzeitelektriker, die dieses Geräusch auch im Sechszylinder-Verbrennermodus von sich geben. Das Fazit bleibt jedoch klar: Elektrisch fährt die S-Klasse so souverän, dass man sich eigentlich fragt, warum die nächste Generation nicht analog zu Tesla oder zum nächsten Jaguar XJ komplett verstromt wird. Doch auch hier gilt: Wer viel und schnell auf Autobahnen fährt, greift besser zum Diesel.

Den Daimler auch als Hybrid anbietet: Auftritt 300 C de und 300 E de. Heißt: Über 1000 Kilometer Reichweite und bis zu 700 Newtonmeter Drehmoment ab 1400 Touren sorgen für eine souveräne Fortbewegung. Dabei helfen dem OM 654 (Ölmotor) 90 kW elektrische Leistung und 440 Nm auf die Sprünge. Wobei die Dieselhybride sowohl in Komfort- als auch in Eco-Stellung immer möglichst lang im Elektromodus bleiben. Unser E300de gönnte sich nach gut 80 Kilometern im Schnitt 3,8 Liter Diesel /100 km und zog dazu rund 10 kWh – Werte, die man zwar addieren muss, die aber beide als Hervorragend gelten dürfen, umso mehr, als dabei ein ordentlicher Autobahnanteil mit gelegentlichem Reißen der 200km/h-Marke inkludiert war. Insofern dürfen Daimlers Plug-In-Hybriddiesel als absolute Empfehlung für hungrige Kilometerfresser gelten und man fragt sich, weshalb im Zuge der allgemeinen Diesel-Verteufelung kein anderer Hersteller Elektrik und Verbrenner so koppelt.

 
Einstieg in die EQ-Welt: Sukzessive werden alle Verbrenner bis 2022 auf die 48-Volt-Mildhybridisierung umgestellt, was die Verbräuche nochmal merklich reduzieren soll. | Foto: Daimler
Einstieg in die EQ-Welt: Sukzessive werden alle Verbrenner bis 2022 auf die 48-Volt-Mildhybridisierung umgestellt, was die Verbräuche nochmal merklich reduzieren soll. | Foto: Daimler
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Doch die höchsten Weihen bilden auch bei Daimler die reinen Stromer, einfach „EQ“ genannt, die aktuell als Smart, EQC und GLC Fuel Cell an den Start gehen. Smart wird künftig ohnehin als reine Elektromarke weitergeführt, wofür für innerstädtische Einsätze auch kleine Akkus mit bis zu 150 Kilometer Reichweite genügen. Der Alltags-Stromverbrauch von bis zu 15 kWh dürfte noch etwas zurückgehen, doch prinzipiell kann man das Thema Smart damit abhaken – läuft und wird rein elektrisch noch konsequenter laufen. Den EQC konnte man leider noch nicht fahren – er fährt mit fetter Systemleistung und einem Preis zwischen 70.000 und 80.000 Euro mitten ins elektrische Premiumsegment, ohne allerdings die ganz großen Maßstäbe hinsichtlich Leistung, Gewicht oder Verbrauch zu setzen und auch beim Thema Laden ist künftig noch Luft nach oben. An einem Modell zeigte Christian Pfeffer, Experte elektrischer Triebstang dann auch den Aufbau: Der EQC nutzt die GLC-Bodenplatte und versucht auch sonst, Fahrwerkskomponenten und Anbindungen vom Verbrenner zu übernehmen, was aufwändige Crashtests vereinfacht. Und so sieht dann auch Daimler seinen „E-Baukasten“: man geht praktisch vom Verbrenner aus und versucht, dessen Struktur möglichst unaufwändig für die Stromer umzugestalten – womit Daimler wie BMW noch modularer unterwegs ist als VW oder Jaguar, dafür aber auch die Package-Vorteile der Elektrifizierung nicht so konsequent nutzen kann.

Noch konsequenter wurde der GLC Fuel Cell vom Verbrenner-GLC abgeleitet, wobei auch er als „Plug-In-Hybrid“ mit großem Speicherakku konfiguriert ist, der bis zu 50 Kilometer Reichweite bietet, bevor Wasserstoff in Strom umgewandelt wird und die Brennstoffzelle in Aktion tritt. In der Praxis trieben wir auch ihn über die Autobahn Richtung Heilbronn getrieben, wobei die kolportierte Reichweite von „über 400 Kilometern“ im Wasserstoffmodus respektive 51 Batterie-Kilometern auch hier nicht ganz erreicht wird: Im Alltag dürfte man entsprechend eher bei 350 bis 400 Kilometer erreichen.  Auch das funktioniert hoch professionell und unspektakulär, wenngleich Daimler zum GLC Fuel Cell weder Stückzahlen- noch Kostenangaben machen möchte – er wird nur verleast.

Zudem macht die Brennstoffzelle in schwereren Kategorien viel mehr Sinn, wie man hinter vorgehaltener Hand zugibt: Beispiel Sprinter Wohnmobil. Um das mit 500 Kilometer Reichweite zu elektrifizieren und die 3,5 Tonnen Gesamtgewicht nicht zu reißen, braucht es Wasserstofftanks und keine Akkus. Auch im schweren Fernverkehr oder an den Stellen, wo es aufs Gesamtgewicht ankommt, wird die Brennstoffzelle die Alternative sein. Warum dann nicht in GLE oder GLS? Prinzipiell wäre das der korrektere Einsatz, aber die beiden Geländedickschiffe liegen stückzahlenseitig weit unter dem GLC. Der als „Fuel Cell“ eine nette Premiumalternative zu Hyundais Nexo darstellt.

Was bedeutet das?

Endlich hat Daimler das Thema EQ in eine klare dreigleisige Strategie gefasst und sollte damit für den Wandel hin zur Elektromobilität in all ihren Ausprägungen gut gerüstet sein. Ob die stärkere Rücksichtnahme auf Verbrennerkonstruktionen sich dabei als Fluch oder Segen erweist, wird die nächste Zukunft weltweit zeigen.   

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